Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was kommt (nicht) in die Tüte?
Schulanfang Für mehr als 2300 Erstklässler im Kreis beginnt heute ein neuer Lebensabschnitt. Was in der Schultüte steckt und wie sich der Brauch im Laufe der Zeit verändert hat
Landkreis Augsburg Bunt, vielfältig und meistens selbst gebastelt – so sehen viele Schultüten der Erstklässler in unserer Region aus. Doch was ist da eigentlich drin? Und sind es tatsächlich nur die Kleinen, die damit beschenkt werden?
Jörg Faßnacht ist stellvertretender Schulleiter an der Grund- und Mittelschule Fischach-Langenneufnach und gleichzeitig Vorsitzender des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV) AugsburgLand. Zu Beginn eines jeden Schuljahres sieht er die Schultüten der Neulinge, die mithilfe der Eltern und „großer Mühe“selbst gebastelt wurden.
Dabei denkt Faßnacht an die Schultüten seiner eigenen drei Kinder. „Vor allem meine Frau hat sich damit viel Arbeit gemacht“, erzählt der Fischacher Konrektor. So entstand zum Beispiel eine ganz individuelle Raketentüte, die mittlerweile auf dem Dachboden der Familie gelandet ist. „Bei den meisten Kindern sind es Süßigkeiten und Spielsachen, die reinkommen“, meint der Lehrer. An die eigene Schultüte kann sich Faßnacht allerdings nicht erinnern, der „Hype“darum sei damals einfach nicht so groß gewesen.
Auch Susanne Bühler, Inhaberin des Schreibwarengeschäfts Hörtensteiner in Fischach, kann bestätigen: „Rund 90 Prozent der Schultüten sind selbst gemacht.“Dann werden die Materialien dafür zum Beispiel auch in ihrem Laden besorgt. Zudem seien es häufig die Kindergärten, die mit den Vorschulkindern ausschneiden, kleben und gestalten. Oder es werden Bastel-Sets besorgt, damit die Kinder zu Hause an ihren Schultüten arbeiten können.
Dennoch gibt es bei Hörtensteiner auch fertige Schultüten, die leer oder bereits befüllt sein können. Susanne Bühler achtet in ihrem Geschäft auf farbliche Abstimmung: „Wenn ich eine rosa Schultüte habe, stecke ich gerne pinkfarbene Bleistifte und Notizblöcke hinein.“Sie selbst hat die Erfahrung gemacht: „Oft erhalten die Eltern schon vor Schulbeginn Listen und wissen, was ihre Kinder alles an Materialien brauchen. Dann können gleich die benötigten Buntstifte oder Wasserfarben in die Schultüte.“Dazu kämen häufig Kleinigkeiten wie Stofftiere, Glücksbringer oder Schlüsselanhänger.
Ein großes Sortiment für den Schulanfang gibt es außerdem bei Spiel+Freizeit in Gersthofen. Auch, wenn die Schultüte in früheren Zeiten einmal eine Zuckertüte war – „mit zu vielen Süßigkeiten sollten die Kinder nicht beschenkt werden“, findet Mandy Melzer. Seit zehn Jahren ist sie Abteilungsleiterin für Spiel- und Schreibwaren bei dem Spielwarenhandel. „Gerne werden die 70 bis 80 Zentimeter großen Tüten mit Wecker oder Uhr, Schulbedarf oder kleinen Lernspielen befüllt“, erklärt Melzer. Für die Expertin die ideale Füllung: „Eine bunte Mischung für die Schule und ein besonderes Highlight sollten es sein.“Häufig geben die Eltern dafür zwischen 50 und 80 Euro aus. Was Melzer besonders auffällt: Viele Eltern, die aus dem Ausland stammen, kommen zu Spiel+Freizeit und lassen sich beraten, weil sie die Tradition der Schultüte gar nicht kennen.
Trend unter anderem auch in diesem Jahr: themenbezogene Schultüten, beispielsweise zu Lego Ninjago oder Star Wars, wie Susanne Bühler verrät. „Aber auch ‚Geschwistertüten‘ werden gerne gekauft“, ergänzt die Geschäftsfrau. Das seien kleine Tüten für die Geschwister der Erstklässler, die noch nicht zur Schule kommen.
Konrektor Jörg Faßnacht findet: „Die Schultüte gehört einfach dazu.“Sie habe symbolische Bedeutung, es gab sie schon immer und es wird sie auch weiterhin geben. „Mit dieser Tradition wird stets etwas Neues eingeläutet“, meint Faßnacht. Auch zu späteren Lebensabschnitten habe der Brauch etwas sehr Schönes – so legte man dem stellvertretenden Schulleiter zum Amtsbeginn eine Minischultüte auf den Schreibtisch.
Auch Susanne Bühler kennt diese Ergänzung zum alten Brauch gut. „Für die Erwachsenen kommt dann statt Bleistift ein Feinminenstift in die Tüte“, so die Fischacher Ladeninhaberin. Das gebe es heute immer häufiger, gerade für Lehrlinge, die ihre Ausbildung beginnen.
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