Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Toll, wie Sie das machen!“

Ein bisschen Lob tut einer jungen Mutter manchmal sehr gut

- VON TANJA WURSTER

Oft höre ich viele Mütter lamentiere­n, dass ihr „Job“so wenig wertgeschä­tzt wird. Ganz anders sei es dagegen, wenn man „normal“arbeite. Meiner Erfahrung nach ist es genau andersheru­m. Aber ich muss von vorne anfangen beziehungs­weise etwa vier Jahre zurückgehe­n.

Es begann, als ich 30 wurde, und wurde schlimmer, als ich heiratete. Plötzlich war gefühlt die halbe Welt der Meinung, dass zu meinem Glück noch ein Kind fehlte. Oder wenn schon nicht zu meinem persönlich­en Glück, dann zumindest, um den gesellscha­ftlichen Ansprüchen zu genügen. Vor meinem Leben als Mutter arbeitete ich in Vollzeit. Ich machte das (meist) gerne, fand es schön, dass regelmäßig Geld auf mein Konto floss und auch mein Chef mit Lob nicht sparsam umging. Wertschätz­ung bekam ich innerhalb der Firma, aber nicht mehr außerhalb. Als ich die besagten zwei „Meilenstei­ne“meines Lebens erreichte, genügte es nicht mehr, dass ich als Vollzeit-Arbeitnehm­erin meinen Beitrag zur Aufrechter­haltung der Gesellscha­ft leistete. Plötzlich musste noch ein Kind her. Die Zukunftsfä­higkeit unseres Landes hänge davon ab – Stichwort demografis­che Entwicklun­g! – , außerdem müsse die Zeit der Selbstverw­irklichung doch mal vorbei sein. Und hörte ich da nicht schon was ticken? Ob ich zu diesem Zeitpunkt ein Kind wollte, war für viele irrelevant. Ich fand das bizarr.

Jetzt bin ich Mutter – auch (meist) sehr gerne. Es ist eine ganz andere Art von Arbeit. Feierabend gibt es nicht. Ich fühle mich manchmal unter- und überforder­t zugleich. Aber in das Klagelied, dass ich als Mutter zu wenig wertgeschä­tzt werde, kann ich nicht einstimmen. Ganz im Gegenteil: Im Internet oder in Familienze­itschrifte­n wird mir ständig vermittelt, wie wertvoll meine Arbeit ist. Wildfremde Menschen auf der Straße, beim Bäcker oder in der Apotheke versichern mir, dass ich einen guten Job mache.

Mein neuestes Erlebnis: Als ich am Kuhsee mein Baby stillte, unterbrach eine ältere Dame ihren Spaziergan­g. „So ein Bild sieht man selten“, sagte sie völlig verzückt. „Toll, wie Sie das machen!“, lobte sie mich. So ein kleiner Applaus am Wegesrand tut gut. Doch manchmal hätte ich mir gewünscht, dass mir das in meiner kinderlose­n Zeit auch passiert wäre. Steuern und Sozialabga­ben zu zahlen ist nämlich auch ein bemerkensw­erter Beitrag.

Tanja Wurster (34) ist freie Mitarbeite­rin der Landboten Redaktion und lebt mit ihrer Familie in Augsburg.

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