Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Wir haben Angst“
Jagd Ein Jäger soll Schüsse in Richtung eines Spaziergängers abgefeuert haben. Die Polizei ermittelt. Wie Anwohner die Situation vor Ort erleben und was der Jagdpächter zu den Vorwürfen sagt
Ein Jäger soll bei Adelsried Schüsse in Richtung eines Spaziergängers abgefeuert haben. Die Polizei ermittelt. Einige Anwohner sagen: „Wir haben Angst.“
Adelsried Es könnte so idyllisch sein. Eigentlich. Ein paar Apfelbäume stehen am Wegesrand, ab und zu spitzelt eine Ente aus dem Schilf an der Laugna, Spaziergänger führen ihre Hunde aus, Radfahrer genießen die Natur. Doch genau hier, im Landschaftsschutzgebiet zwischen Adelsried und Bonstetten, am beliebten Weldenbahnradweg, sollen sich bedrohliche Szenen abgespielt haben. Unter anderem wird einem Jäger vorgeworfen, in Richtung eines Menschen geschossen zu haben.
Die Polizei kann diese Vorwürfe bislang nicht bestätigen. Nach ersten Ermittlungen gehen die Beamten davon aus, dass keine konkrete Gefährdung von Personen bestand. Seit dem 1. September laufe im Gemeinschaftsjagdrevier Adelsried eine befugte Jagd auf Enten mit Schrotkugeln. Der Jäger betont gegenüber unserer Zeitung, dass er nie in Richtung eines Menschen geschossen habe. Er sei ein erfahrener Jäger und kenne die Regeln. Spaziergänger, die im Jagdgebiet des unterwegs waren, berichten allerdings anderes.
Am vergangenen Mittwochabend war Mathias Neumann mit seinem Hund Buddy spazieren. Plötzlich seien mehrere Schüsse gefallen: „Ich ging instinktiv in Deckung und rief, um auf mich aufmerksam zu machen“, sagt der Adelsrieder. Doch niemand habe geantwortet. „Ich denke, die Schüsse schlugen hinter mir in den Bäumen ein.“Noch am selben Abend habe er die Polizei gerufen. Er geht davon aus, dass Jäger hinter den Schüssen stecken. Es ist nicht der erste Zwischenfall auf den Wiesen vor Adelsried.
Vor ein paar Wochen, erzählt Lalia Kaiser aus Adelsried, sei sie dort mit ihren beiden Hunden Albero und Carlos spazieren gewesen. Plötzlich sei ein dunkler Geländewagen auf sie zugerast. Ein Mann, augenscheinlich ein Jäger, habe ihr aus dem Wagen heraus gesagt, sie solle ihre beiden Hunde an die Leine nehmen. „Ich hatte sofort ein mulmiges Gefühl“, sagt Laila Kaiser. Die Hunde würden wildern, soll der Mann gesagt haben. Falls sie nicht an die Leine genommen werden, passiere etwas. „Dabei tun die beiden keinem Tier etwas zuleide“, meint die junge Frau. Umgehend habe sie sich auf den Heimweg gemacht. „Ich dachte, der schießt noch auf meine Hunde.“Seither gehe sie mit einem mulmigen Gefühl spazieren. „Wir haben Angst“, sagt Lalia Kaiser.
Was Jäger überhaupt in der Nähe des Radwegs und der beliebten Spazierwege auf den Wiesen vor Adelsried verloren haben, ist Helmut SeiMannes bold ein Rätsel. Er ist der Vorsitzende der Jagdgenossenschaft Adelried. Neun Jahre lang hatte er selbst die Jagdpacht in diesem Gebiet. „Da gibt es kaum etwas zu jagen“, sagt er. Abgesehen von ein paar Enten vielleicht. Aber das lohne sich nicht.
Im April wurde die Pacht neu vergeben. „Ich habe eine neue Stelle und kann mich nicht mehr so sehr um die Jagd kümmern.“Deswegen habe er die Pacht abgegeben. Viele Bewerber habe es nicht gegeben, erinnert sich Seibold. Mit seinem Sohn und weiteren Jägern ist der Pächter seit April bei Adelsried auf der Jagd. Der Pachtvertrag ist auf neun Jahre angesetzt. Seibold wirft dem neuen Jagdpächter vor, sich nicht an die Regeln zu halten. Es seien mehr als die angemeldeten sechs Jäger unterwegs. „Wer weiß, ob die alle einen Jagdschein haben“, sagt Seibold. Zudem sei eine Ente angeschossen und liegen gelassen worden: „Das ist Tierquälerei.“Es sollen ohne Genehmigung nachts Rehe gejagt worden sein. Die Jäger sollen verbotenerweise aus dem Auto heraus geschossen haben. Und – wie der sagt – sogar in Richtung eines Menschen. Der Jäger bestreitet diese Vorwürfe. Der russischstämmige Mann erklärt, ein erfahrener Jäger zu sein. Seit über 20 Jahren schon sei er in seiner Heimat auf der Jagd. Seit fünf Jahren auch in Deutschland. Weder habe er in Richtung eines Spaziergängers geschossen noch sei ihm bekannt, dass Tiere angeschossen wurden. Auch würde er nie aus einem Auto schießen.
Wie das Landratsamt erklärt, sind Jagdpacht-Verträge privatrechtlicher Natur. Die Jagdgenossenschaft verpachtet an den Jäger. Jagdpächter darf nur sein, wer seit mindestens drei Jahren einen deutschen Jagdschein besitzt. Entzogen werden kann die Lizenz, wenn gegen das Jagdgesetz verstoßen oder ein Verbrechen begangen wird, so die Behörde. Im Jagdgesetz ist zum Beispiel geregelt, dass ausschließlich auf dem dazu bestimmten Gebiet gejagt werden darf. Außerdem ist geregelt, dass auch die Hege, also die Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestands, zu gewährleisten ist. »Kommentar