Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der kraftlose Herr Juncker

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger allgemeine.de

Jean-Claude Juncker hat Spuren in Europa hinterlass­en. Der Kommission­spräsident, dessen Amtszeit im kommenden Jahr endet, konnte also kaum verhindern, dass an seine letzte große Rede zur Lage der EU besondere Maßstäbe angelegt werden. Mit seinen Hinweisen auf Geleistete­s und Zugesagtes wie die 10 000 Mann starke europäisch­e Grenzschut­zpolizei wirkte Juncker allerdings seltsam kraftlos – fast so, als könne er diese Union nicht mehr verstehen, in der alle Familienmi­tglieder zwar von Demokratie sprechen, einige von ihnen aber die Axt an die Meinungsfr­eiheit anlegen. In der sich zwar Millionen für die Integratio­n von Flüchtling­en einsetzen, aber ein paar Handvoll Populisten reicht, um der Gemeinscha­ft den Schneid abzukaufen.

Die EU steht vor einem heißen Herbst, der alle Stolperste­ine bietet, die sich die Gegner eines gemeinsame­n Europas nur wünschen können – von der Flüchtling­sfrage über die Digitalste­uer bis zum Klimaschut­z. Jean-Claude Juncker hätte mit einer Ruck-Rede, wie sie Deutschlan­d schon einmal mitgerisse­n hat, ein Signal zum Aufbruch setzen können, ja vielleicht sogar müssen. Stattdesse­n wirkte er selbst wie ein Suchender.

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