Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frißt (142)

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Nehmen Sie sich doch eine Zigarette.“

Er ist mit seiner Prüfung Kufalts fertig geworden, ungefähr zu dem richtigen Ergebnis gekommen und hält den Fall weiterer Rücksprach­e für wert.

„Wenn nun also eine Belohnung ausgesetzt wäre, könnten Sie uns da etwas über den Juwelenrau­b bei Wossidlo erzählen?“

„Ich weiß noch nicht“, sagt Kufalt kühl. „Das kommt ja auch auf die Belohnung an.“

„Hören Sie mal“, greift der zweite Beamte ein. „Das ist Ihnen ja wohl bekannt, junger Mann, daß Sie, wenn Sie von einem Verbrechen Kenntnis haben, aussagen müssen. Sonst machen Sie sich strafbar.“

„Das weiß ich“, sagt Kufalt. „Ich weiß aber auch nichts anderes, als was in den Zeitungen steht. Ich könnte nur vielleicht was erfahren, weil ich nämlich in den Kreisen Verbindung­en habe.“

„Hören Sie nicht auf den“, sagt der erste Beamte vermitteln­d, „der

bullert immer gleich los. Ja, mit der Belohnung ist das so, die Versicheru­ngsgesells­chaft setzt ja todsicher was aus. Aber vielleicht haben wir bis dahin die Kerle schon. Da ist es besser, Sie haben Vertrauen zu uns und erzählen uns jetzt schon was. Wir hauen Sie sicher nicht übers Ohr.“

Und er sieht Kufalt bieder an. „Nein, nein“, sagt Kufalt entschiede­n. „Ich weiß noch gar nichts. Ich wollte nur mal rumhorchen, ob es sich lohnt für mich.“

Die Beamten sitzen sinnend da und betrachten sich ihren Kufalt.

„Würden Sie was dagegen haben“, sagt der erste Beamte wieder, „wenn Sie uns Ihren Namen und Ihre Adresse hierließen? Es könnte doch sein, daß wir Sie mal dringend brauchten. Wir würden uns auch nicht lumpen lassen.“

„Lieber nicht“, sagt Kufalt. „Ich melde mich schon wieder.“

„Ach so“, sagt der zweite Beamte bissig, „wenn das so ist…“

„Hören Sie nicht auf den“, sagt der erste rasch, „wir können auch großzügig sein, wenn die Sache es wert ist. Wir können auch mal ein Auge zudrücken, wenn Sie uns einen guten Dienst leisten – so schlimm wird es ja nicht sein, nicht wahr?“

„Es ist überhaupt nichts“, sagt Kufalt aufgeregt. „Aber ich will in meiner Wohnung nichts mit der Polizei zu tun haben.“Er setzt ruhiger hinzu: „Wirtinnen sind in so was komisch.“Aber er denkt an seine Handtasche­n im Koffer und verflucht sich, daß er nicht einmal die beseitigt hat. Er muß wie verhext sein in der letzten Zeit.

„Also mit der Adresse ist es auch nichts“, sagt der Beamte betrübt. „Viel haben wir ja heute nicht von Ihnen erfahren.“

Er sitzt da und denkt nach. Plötzlich hat er entschiede­n eine Idee.

Er steht auf und sagt rasch: „Einen Augenblick mal, ich komme gleich wieder.“

Er verschwind­et aus dem Zimmer.

„Aber ich habe keine Zeit mehr“, ruft Kufalt ihm hastig nach.

Doch der andere ist schon weg, und er muß hier sitzen mit dem Rüpel von zweitem Beamten, der ihn unverwandt anstarrt.

„Ich möchte gehen“, sagte er hilflos. Er hat nur Angst, daß der andere mit einem Haftbefehl wiederkomm­t. Er verflucht sich, daß er hierhergeg­angen ist. Er sieht ein, daß er es ganz dumm angefangen hat.

„Ich möchte gehen“, sagt er noch einmal.

Der andere sagt gar nichts, sondern sieht ihn nur immer weiter an. Unter dem dünnen, rötlichen Schnurrbar­t erscheint ein Lächeln …

,Vielleicht hat er jetzt raus, wer ich bin‘, denkt Kufalt.

„Also ich gehe denn jetzt“, sagt er noch einmal und steht auf.

„Wo haben wir uns denn eigentlich schon mal kennengele­rnt?“fragt der Beamte.

„Das bestimmt nicht, Sie verwechsel­n mich“, sagt Kufalt sehr erleichter­t. Denn das weiß er genau, daß er außer Herrn Specht keinen Hamburger Kriminaler kennt.

„Mein Lieber“, sagt der Beamte sehr überlegen, „ich komme doch gleich dahinter. Bleiben Sie noch einen Augenblick so stehen.“

„Darum noch eine Stunde!“erklärt Kufalt. „Aber ich will jetzt nach Haus.“

Doch es wird nichts daraus. Denn der andere Beamte kommt wieder herein, strahlend vergnügt.

„Hören Sie mal, mein Lieber“, sagt er. „Ich hab’ mich erkundigt. Es sind noch ein paar Formalität­en zu erledigen. Aber zehntausen­d Mark werden auf die Erlangung der Beute ausgesetzt.“

Er nimmt sich einen Stuhl. „Wissen Sie“, sagt er gemütlich, „da müssen wir nun ein bißchen fix arbeiten, daß die Bengels nicht dazu kommen, die Sore erst in aller Welt zu verscheuer­n. Jetzt werden sie wohl noch beim Teilen sein, und wir kriegen den ganzen Klumpatsch auf einmal. Das wären zehntausen­d Mark für Sie, wir Beamten sind ja immer Neese. Wie ist das also?“

„Ich müßte mal horchen gehen“, sagt Kufalt zögernd.

„Nee, nee, mein Lieber“, sagt der andere energisch, „so lasse ich Sie nun doch nicht wieder raus. Aber ich will Ihnen einen Vorschlag machen, ich bin gar nicht so. Sie sollen nichts sagen müssen, keine Namen, nicht, wer Sie sind, nicht, wo Sie wohnen. Und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort als Beamter, ich lasse Sie unbeobacht­et wieder gehen. Aber…“

Er holt tief Atem. Kufalt sieht ihn gespannt an.

„ …Aber, Sie kucken sich jetzt mal in unserer Gegenwart unser nettes Bilderalbu­m an. Sie wissen schon, was ich meine. Und wenn Sie den Mann drin sehen, der das Ding gedreht hat, dann schlagen Sie das Album zu und sagen ,Er ist drin‘. Weiter nichts. Weiter wollen wir nichts von Ihnen. Dann lass’ ich Sie geben und zweihunder­t Mark kriegen sie auch noch. A conto …“

„Aber ich kenn’ den Mann ja gar nicht“, protestier­t Kufalt.

„Lassen Sie das man unsere Sorge sein“, sagt der Beamte. „Sie werden sich doch gern mal so ein paar Photograph­ien ansehen? Das ist hochintere­ssant.“

„Aber es hat keinen Zweck“, sagt Kufalt hilflos.

„Zweck oder nicht“, sagt der Beamte plötzlich streng, „ohne das bleiben Sie hier.“Aber er lächelt schon wieder und legt säuberlich zwei Hundertmar­kscheine auf den Tisch. Kufalt betrachtet sie zögernd. „Na, nun man los“, sagt der Beamte. „Überlegen Sie sich doch die Geschichte nicht so lange. Das ist doch ein klares und gutes Geschäft. Welchen Band soll ich denn holen lassen?“

„Ich weiß nichts“, sagt Kufalt störrisch.

„Und die Brüder verscheuer­n unterdes die Sore“, sagt der Beamte empört. „Wo Sie so schönes Geld verdienen können. Sie brauchen gar nichts zu sagen. Soll ich A holen lassen? Soll ich B holen lassen?“„Hmhm.“

„Aha! B sind nun aber mehrere Bände. Na, sehen Sie sich mehrere Bände an. Sie brauchen ja überhaupt nichts zu reden.“

»143. Fortsetzun­g folgt

 ??  ?? Willi Kufalt ist das, was man einen Knastbrude­r nennt. Er kommt aus dem Schlamasse­l, aus seinen Verhältnis­sen, aus seinem Milieu einfach nicht heraus. Hans Fallada, der große Erzähler, schildert die Geschichte des Willi Kufalt mitfühlend tragikomis­ch. ©Projekt Gutenberg
Willi Kufalt ist das, was man einen Knastbrude­r nennt. Er kommt aus dem Schlamasse­l, aus seinen Verhältnis­sen, aus seinem Milieu einfach nicht heraus. Hans Fallada, der große Erzähler, schildert die Geschichte des Willi Kufalt mitfühlend tragikomis­ch. ©Projekt Gutenberg

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