Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wen interessiert’s?
Saisonstart Die besten Spielerinnen wechseln ins Ausland. Der Zuschauerzuspruch geht zurück und Spannung ist von der neuen Spielzeit kaum zu erwarten. Der Frauenfußball kämpft gegen den Bedeutungsverlust
Frankfurt Keine Frage: Jackie Groenen ist in ihrer Heimat ein Star. Nicht nur, weil die Fußballerin vom 1. FFC Frankfurt die seit Johan Cruyff legendäre Rückennummer 14 in der niederländischen Nationalmannschaft trägt, sondern weil sie spielerische Fähigkeiten mit einem sympathischen Auftreten verbindet. Sie war eines der fröhlichen Gesichter beim Gewinn der Europameisterschaft 2017 im eigenen Land. Der längst als Trendsetter abgelöste Frauenfußballverein aus der Mainmetropole benötigt Groenen, um in der Frauen-Bundesliga wenigstens hin und wieder die Großen zu kitzeln. Bestenfalls gleich den DoubleSieger VfL Wolfsburg am ersten Spieltag (Sonntag 14 Uhr).
Groenen glaubt: „Die Bundesliga ist noch die attraktivste Liga.“Noch. Sie hat vor vier Jahren bei den Chelsea Ladies in England gespielt, wo neuerdings eine Reihe von Renommierklubs gemeinsam mit dem Fußballverband (FA) kräftig das Gaspedal drücken, um auch hier die spannendste und beste Liga der Welt zu werden. Dass die 23-Jährige nächsten Sommer auf die Insel wechselt, wird vermutet. In Frankfurt bleibt sie definitiv nicht.
Die Nationalspielerin Tabea Kemme und die Schweizerin Lia Wälti zog es bereits jetzt von Turbine Potsdam zu den Arsenal Women. Immerhin hat es der VfL Wolfsburg geschafft, seine beste Spielerin Pernille Harder bis 2020 zu binden, bevor die dänische Topstürmerin zu Europas Fußballerin des Jahres gewählt wurde. Die 25-Jährige hebt gerne hervor, wie fordernd die deutsche Liga sei.
Für DFB-Direktorin Heike Ullrich ist deren Ausgeglichenheit „unser Pfund“. Doch davon lassen sich Topspielerinnen nicht ewig überzeugen. In Frankreich fördern der Champions-League-Sieger Olympique Lyon und Paris St. Germain ihre weiblichen Aushängeschilder auf einem ganz anderen finanziellen Level. In Spanien macht nach dem FC Barcelona auch Real Madrid in dem Segment ernst. „Wir sind eine gewachsene Liga, die in der Breite am besten aufgestellt ist“, sagt Siegfried Dietrich, der Vordenker und Investor vom 1. FFC Frankfurt, „aber wichtig ist, dass wir jetzt nicht den Anschluss verpassen.“
Die Uefa-Direktorin für Frauenfußball, Nadine Kessler, berichtete, dass die europäischen Verbände ihre Investitionen von 50 auf 100 Millionen Euro verdoppelt hätten. Keiner Spielerin könne übel genommen werden, wenn sie in attraktiven Städten wie London, Paris oder Barcelona ein Vielfaches verdienen kann, so Dietrich.
Der schleichende Bedeutungsverlust der Frauen-Bundesliga wird durch einen langsam, aber stetig sinkenden Zuschauerschnitt belegt, der auf deutlich unter 900 pro Spiel abgesackt ist. Die nachhaltige Schubwirkung, die mal von der Frauen-WM 2011 in Deutschland ausgehen sollte, ist verpufft. Eine vierstellige Besucherzahl bringen nur fünf Vereine zustande: VfL Wolfsburg (1668), Turbine Potsdam (1415), 1. FFC Frankfurt (1290), SGS Essen (1095) und SC Freiburg (1020). Auch die Einschaltquoten der Frauen-Länderspiele sind übrigens rückläufig.
Vielleicht tut es dem Interesse nicht so gut, dass acht der zwölf Bundesligisten zu einem Männerlizenzverein gehören, von denen manche die Fußballerinnen wie Mauerblümchen behandeln. Besonders stiefmütterlich sieht es beim FC Bayern aus, wo sich bei Heimspielen im Grünwalder Stadion eine solche Tristesse verbreitet, dass die Sportliche Leiterin Karin Danner einmal sagte: „Manchmal denke ich bei schönem Wetter auch, dass es im Englischen Garten jetzt schöner wäre als beim Frauenfußball.“
Dabei sind die Münchnerinnen die einzigen, die die Vormachtstellung des VfL Wolfsburg gefährden können. Sowohl in der Meisterschaft als im Pokalfinale hatten die „Wölfinnen“zwar knapp die Nase vorn, aber Ralf Kellermann, Sportdirektor des VfL, sieht den Kontrahenten auf Augenhöhe. Der Rest schaut in die Röhre. Oder wie Dietrich sagt: „Es kämpfen hierzulande zwei Welten gegeneinander.“Die einstigen Titelhamster aus Frankfurt und Potsdam haben bei der Vergabe der Meisterschaft seit fünf Jahren nichts zu melden. Trotz einer Jackie Groenen.