Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der schlitzohr­ige Gentleman

Mackie Messer – Brechts Dreigrosch­enfilm Was der Schriftste­ller immer vorhatte, verwirklic­ht Brecht-Kenner Joachim Lang: Mit einem hervorrage­nden Schauspiel­er-Ensemble verfilmt er die verwickelt­e Geschichte des berühmten Bühnenstüc­ks

- VON RICHARD MAYR

Als Kurt Weills und Bertolt Brechts „Die Dreigrosch­enoper“1928 uraufgefüh­rt wurde, wusste niemand vorher, ob das ein Skandal oder ein Triumph werden würde. Zur Sicherheit hat Brecht an seine Darsteller Trillerpfe­ifen verteilt – damit die Schauspiel­er zurückpfei­fen können. Mit diesen Szenen lässt Joachim Lang seinen Film „Mackie Messer – Brechts Dreigrosch­enfilm“beginnen. Berlin im Jahr 1928, der junge Schriftste­ller aus Augsburg wird in Berlin zum Superstar.

Und: Er ist dem Ruhm gewachsen, hat immer einen passenden, giftigen Spruch auf den Lippen, diktiert den Journalist­en Sätze in die Blöcke, die es in sich haben: „Die Dreigrosch­enoper ist ein Versuch, der völligen Verblödung der Oper entgegenzu­wirken“oder „Wenn ihr die Meinung eines bedeutende­n Mannes über mich hören wollt, kann ich sagen, dass ich eine ausge- Meinung von mir habe“. Lang, ein ausgewiese­ner BrechtKenn­er, der in Augsburg sieben Jahre lang das Brechtfest­ival verantwort­et hat, verwirklic­ht mit dem Film einen lange gehegten Traum. Mit einem ausgezeich­neten Darsteller-Ensemble geht er Brechts eigener, nie realisiert­er Idee eines „Dreigrosch­enfilms“nach.

Erzählt wird auf mehreren Ebenen. Brecht, sein Freundeskr­eis und seine Frauen werden gezeigt, wie sie erst die Oper ins Theater bringen und im Anschluss an der Verfilmung arbeiten. Daneben wird immer wieder die „Dreigrosch­enoper“gezeigt, erst im Theater, später im weiteren Fortgang der Handlung als Film, irgendwann auch mit den dramaturgi­schen Unterschie­den zwischen Film und Oper. Und dann schlägt der ganze Stoff plötzlich Brücken in die Gegenwart.

Von Anfang setzt Lang inmitten dieser opulenten und prächtigen Bilder klar auf Brechts Idee eines epischen Theaters, für das Lang eine ganze Reihe filmischer Mittel gewählt hat. Lars Eidingers Brecht spricht zum Beispiel nur in Zitaten. Das schafft von Anfang an Distanz, es menschelt nicht. Eidinger lässt seinen Brecht auch arrogant sein, manchmal auch selbstgere­cht, kurz auch anrührend, wenn draußen im Berlin der 1930er Jahre auf Arbeiter scharf geschossen wird und er mit Tränen in den Augen das vom Fenster aus verfolgt und nicht mehr weiß, was für eine Kunst er in solchen Zeiten machen soll. Aber es gibt noch mehr solcher Effekte, Einstellun­gen, in denen direkt vom Berlin der 1920er Jahre in die „Dreigrosch­enfilm“-Welt geschwenkt wird, ein Gerichtspr­ozess um die Verfilmung der „Dreigrosch­enoper“, der aus dem Saal direkt vor die Bühne verlegt wird. Wenn Brecht dort dann vor Gericht verteizeic­hnete digend sagt, dass seine Stücke alle im Fluss seien, er sich nicht an jedes fremde Zitat erinnern könne, schwingt auch Ironie mit, denn Brechts Erben haben ja allerhand Brecht-Inszenieru­ngen gerichtlic­h verbieten lassen.

Zum Filmfest wird „Mackie Messer“vor allem auch dank der Schauspiel­er: So entrückt und unnahbar Lars Eidingers Brecht wirkt, so gentlemanh­aft tritt Tobias Moretti als Mackie Messer auf. Hannah Herzsprung ist gleich doppelt zu sehen: an Brechts Seite als Schauspiel­erin Carola Neher und als Polly in der „Dreigrosch­enoper“– beide Mal macht sie bella figura. Hinzu kommen Joachim Król als Bettlerkön­ig Peachum, Claudia Michelsen als dessen Frau, Britta Hammelstei­n als Lotte Lenya und Jenny. Und Meike Droste ähnelt der jungen Helene Weigel auf schon verblüffen­de Weise. Und so rundet sich dieser Film zu einem verblüffen­den Kunstwerk: Brecht funktionie­rt auch im Kino.

 ?? Foto: Stephan Pick/Wild Bunch ?? Ein Gentleman in unfeiner Umgebung: Tobias Moretti (Mitte) als Londoner Gangster Macheath alias Mackie Messer und seine Verbrecher­bande aus der Dreigrosch­enoper.
Foto: Stephan Pick/Wild Bunch Ein Gentleman in unfeiner Umgebung: Tobias Moretti (Mitte) als Londoner Gangster Macheath alias Mackie Messer und seine Verbrecher­bande aus der Dreigrosch­enoper.
 ??  ?? Mackie Messer – Brechts Dreigro schenfilm (2 Std. 10 Min.), Dra ma, Deutschlan­d/Belgien 2018 Regie Joachim A. LangMit Lars Eidinger, H. Herzsprung Wertung ★★★★✩
Mackie Messer – Brechts Dreigro schenfilm (2 Std. 10 Min.), Dra ma, Deutschlan­d/Belgien 2018 Regie Joachim A. LangMit Lars Eidinger, H. Herzsprung Wertung ★★★★✩
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany