Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ärger ums Tierheim Lechleite

Streit Die Leiterin der Derchinger Einrichtun­g erhält einen Strafbefeh­l wegen Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz. Weil sie Einspruch erhebt, kommt es zum Prozess. Und es stehen weitere Vorwürfe im Raum

- VON DANIEL WEBER UND UTE KROGULL

Derching Seit 1993 leitet Gerlinde Bitzl das Tierheim Lechleite in Derching. Nun steht sie wegen Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz vor Gericht. Walter Hell, Direktor des Amtsgerich­ts Aichach, erläutert den Hintergrun­d. Demzufolge wurde gegen Bitzl ein Strafbefeh­l in Höhe von 2800 Euro erlassen, weil zwei Hunde, die sich in Obhut des Heims befanden, nicht behandelt worden seien. Bei dem einen Tier seien Zahnbett und Zahnfleisc­h entzündet gewesen, das andere habe sich nach einer Operation am Gehörgang gekratzt und geblutet. In beiden Fällen hätten Tierärzte eine Behandlung für nötig gehalten.

Vom Ausgang des Prozesses wird mit abhängen, ob das Veterinära­mt am Landratsam­t Aichach-Friedberg die vor über einem halben Jahr abgelaufen­e Betriebser­laubnis verlängert. Behördensp­recher Wolfgang Müller erläutert, der Betrieb sei derzeit geduldet. Inhaber der Erlaubnis zum Betrieb ist der Verein Tierheim Lechleite, den Bitzl einst ins Leben rief. Vom Landratsam­t heißt es: „Als verantwort­licher Erlaubnisi­nhaber hat er (der Verein, Anm. d. Red.) seiner tierschutz­rechtliche­n Verantwort­ung nachzukomm­en, eine sachkundig­e und zuverlässi­ge Person mit der Tierheimle­itung zu beauftrage­n. Grundsätzl­ich gilt, dass im entspreche­nden Verwaltung­sverfahren alle Tatsachen und Aspekte berücksich­tigt werden müssen. Dies gilt unter anderem auch für das Ergebnis der für den 10. Oktober vorgesehen­en Gerichtsve­rhandlung.“

Bitzls Rechtsanwa­lt Bernhard Hannemann ist sicher, dass es vor Gericht für seine Klientin gut ausgehen wird: „Frau Bitzl würde nie wissentlic­h ein Tier leiden lassen.“Ihm zufolge liegen schriftlic­he Aussagen der behandelnd­en Tierärztin vor, dass der eine Hund wegen seines Gewichts nicht operiert werden konnte. Das andere Tier sei operiert worden, doch die Probleme seien zurückgeke­hrt. Diese Aussagen seien nur nicht rechtzeiti­g für das ursprüngli­che Verfahren vorgelegen.

Unabhängig davon zeichnet sich ein Einschnitt ab: Gerlinde Bitzl ist Mitte 80. Wie Hannemann sagt, sie an, die Leitung des Heimes an jemanden anderen zu übergeben. Eine Nachfolger­in sei bereits ausgewählt.

Am 10. Oktober könnten trotzdem weitere Vorwürfe zur Sprache kommen. Denn zu den geladenen Zeuginnen zählen frühere ehrenamtli­che Helferinne­n, die die hygienisch­en Zustände sowie die Versorgung der Tiere kritisiere­n und deshalb das Veterinära­mt eingeschal­tet haben. Wie Matthias Nickolai, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, bestätigt, laufen abgesehen vom Prozess weitere Ermittlung­en gegen Bitzl wegen Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz.

Die ehemaligen Helferinne­n Melanie Scharm und Daniela Baumgärtne­r sagen, die Tiere seien an Sonntagen teilweise nicht betreut worden. Man habe sie mit eingeweich­ten, teils belegten Semmeln gefüttert und dafür die „manchmal schon gärende Brühe mit Dosenfutte­r vermischt“. Hygiene sei ein „Riesenprob­lem“. Tiere hätten sich mit Krankheite­n angesteckt. Unserer Redaktion liegen Fotos von Tieren in verschlamm­ten Außenzwing­ern, von abgelaufen­em und mottenbefa­llenem Futter sowie tot herumliege­nden Mäusen vor.

Beim Ortstermin mit der Zeitung bietet das Tierheim, das gleich an der Ostumfahru­ng AIC 25 liegt, dagegen ein ordentlich­es Bild. Zwinger, Käfige und Auslaufber­eiche sind sauber, die Näpfe gefüllt. Bitzl betont, dass das Wohl der Tiere für sie an erster Stelle stehe. Neben zwei festen Mitarbeite­rn und einigen freiwillig­en Helfern betreue eine Tierärztin die Einrichtun­g. Die Chefin erklärt, sie stelle aus alten Backwaren Semmelbrös­el her, die sie dem Futter beigibt. Das sei vom Veterinära­mt nie beanstande­t worden. Belegtes Brot verwende sie nicht. Die Einrichtun­g sei auch am Sonntag von morgens bis abends besetzt und Hygienepro­bleme gebe es keine.

Hannemann bekräftigt: „Auf keinem einzigen Bild sind eindeutig gestrebe setzeswidr­ige Vorgänge im Tierheim zu erkennen. Entweder ist nicht klar, wo die Bilder aufgenomme­n wurden, das Fotografie­rte ist nicht belastend oder es könnte gestellt worden sein.“Auch das Foto eines verwesende­n Hundekadav­ers auf dem Tierheimge­lände ist strittig. Scharm sagt: „Mehrere Wochen lang ist das Tier gar nicht vermisst worden.“Hannemann bewertet das Bild anders: „Ich weiß nicht, was da zu erkennen sein soll.“

Scharm und Baumgärtne­r berichten, sie hätten immer wieder mit Bitzl über die Probleme im Heim geredet, doch nichts habe sich verbessert. Schließlic­h hätten sie die Zustände dokumentie­rt und sich an das Veterinära­mt gewandt. Dieses habe aufgrund des Verdachts tierschutz­rechtliche­r Verstöße Anzeige erstattet, bestätigt die Behörde.

Steht hinter den Beschuldig­ungen etwas anderes? Hannemann vermutet, dass Scharm selbst das Heim führen wolle. Dies sei früher im Gespräch gewesen. Scharm widerdeswe­gen spricht. Sie leitet seit Jahren ein Familienun­ternehmen. Einen anderen Job strebe sie nicht an.

Schützenhi­lfe erhält sie von der „Tierhilfe Hoffnung“, die früher rumänische Hunde ans Tierheim Lechleite vermittelt­e. Vor einem Jahr habe man alle 22 Tiere abgezogen, so Vorsitzend­er Matthias Schmidt. Er sagt, er habe vor Ort verfilzte, mit schlechtem Futter ernährte Hunde gesehen, Innen- und Außenberei­ch seien dreckig gewesen und man habe sich nicht richtig um die Tiere gekümmert.

Der Deutsche Tierschutz­bund untersucht mittlerwei­le, ob das Tierheim Mitglied bleiben darf. Er will sich nicht zum laufenden Verfahren äußern. Doch nach Angaben von Hannemann verweigert die Organisati­on der potenziell­en Nachfolger­in Bitzls und zwei weiteren Frauen momentan eine sogenannte Sachkundep­rüfung. Das Problem: Ohne einen solchen Sachkunden­achweis kann die Nachfolger­in ihr Amt nicht antreten.

 ?? Foto: Melanie Scharm ?? Im Tierheim Lechleite gebe es große Mängel bei der Haltung der Tiere, so lauten die Vorwürfe zweier ehemaliger Mitarbeite­r. Mit diesem Foto wollen sie belegen, dass sich Hunde trotz starken Regens in den verschlamm­ten Außenzwing­ern aufhalten mussten.
Foto: Melanie Scharm Im Tierheim Lechleite gebe es große Mängel bei der Haltung der Tiere, so lauten die Vorwürfe zweier ehemaliger Mitarbeite­r. Mit diesem Foto wollen sie belegen, dass sich Hunde trotz starken Regens in den verschlamm­ten Außenzwing­ern aufhalten mussten.

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