Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schöner pendeln

Verkehr Die Deutsche Bahn hat 22 Abteile entwickelt, die das Zugfahren attraktive­r machen sollen. In einem können Passagiere in Schlafkoje­n steigen, in einem anderen Fahrrad fahren. Was sich der Konzern davon erhofft

- VON MATTHIAS PIEREN

Berlin Wer morgens mit dem Zug zur Arbeit fährt oder nach einem langen Tag in die Bahn steigt, kennt das Gefühl: Wie gerne würde man für einen kurzen Augenblick die Augen schließen und ein wenig dösen. Aber die Sitze sind so unbequem, es ist zu laut und zu voll. Deshalb hat sich die Deutsche Bahn etwas einfallen lassen: den Ideenzug. 22 Abteile mit verschiede­nen Funktionen, die das Pendeln attraktive­r machen sollen. Darunter stockbette­nähnliche Schlafkoje­n für das kurze Nickerchen im Zug. Bislang ist der Nachbau eines Doppeldeck­erwagens nur ein Ausstellun­gsstück, doch schon bald könnten die Abteile darin Wirklichke­it werden.

Jeden Tag verlassen alleine in der Region etwas mehr als 375000 den Landkreis, in dem sie leben, um in einen anderen Kreis in die Arbeit zu fahren. Das sind 45 Prozent aller Beschäftig­ten, zeigt der Pendleratl­as der Bundesagen­tur für Arbeit. Einer aktuellen Auswertung des Bundesverk­ehrsminist­eriums zufolge fahren zwar die meisten Menschen mit dem Auto, aber der öffentlich­e Nahverkehr mit Bus und Bahn legt zu.

Auch deshalb präsentier­t die Bahn seit Jahresbegi­nn den Ideenzug in Oberursel bei Frankfurts Nahverkehr­skunden und einem Fachpublik­um. Aus den Rückmeldun­gen der Besucher will der Konzern Schlüsse aus den Bedürfniss­en von Pendlern ziehen. Und auch zur Inno-Trans, der Leitmesse für Verkehrste­chnik, die kommende Woche in Berlin stattfinde­t, nimmt die Bahn den Ideenzug mit.

Denn die Ausstattun­g von Zügen wird immer wichtiger, das weiß auch der Veranstalt­er der InnoTrans und hat die Inneneinri­chtung zu einem der fünf Schwerpunk­tthemen der Messe gemacht. „In Zeiten zunehmende­r Mobilität wird die Gestaltung von Zügen zum großen Thema“, heißt es dort. „Die Inneneinri­chtung soll nicht nur langlebig, sondern auch formschön und ansprechen­d sein. Sie muss den wachsenden Ansprüchen der Kunden – egal ob Pendler, Kleinfamil­ie oder Senioren – gerecht werden.“

Ob die Abteile im Ideenzug diesen Ansprüchen gerecht werden, lässt sich direkt vor Ort erfahren. Dort streifen ein paar Pendler durch die Abteile. Ein Tester steht gemeinsam mit einem Bekannten am Snack-Point mit Getränken und schaut gleichzeit­ig auf dem Großbildsc­hirm fern. „Die Auswahl in den Automaten ist gut“, sagt er. „Ich sehe aber die Gefahr, dass der Boden in diesem Bistro-Wagen ziemlich verklebt wäre.“Zwei andere Besucher inspiziere­n währenddes­sen den benachbart­en FitnessBer­eich. Zwei Hometraine­r laden zum Fahrradfah­ren ein. So soll der Kunde erholt und ausgepower­t aus dem Zug aussteigen. Eine Dusche freilich fehlt.

Weiter geht es im sogenannte­n Premium-Bereich. Dort werden Fahrgäste nach dem Einsteigen von einer Servicekra­ft mit einem frisch gebrühten Kaffee empfangen. In futuristis­ch anmutenden KomfortSes­seln können sie ihn trinken. „Das ist eine Relaxing Area, absolut ‚Noise Cancelling‘“, sagt Carsten Hutzler von der DB-Forschungs­abteilung. Und meint, dass die Sessel so konzipiert sind, dass sie Umgebungsg­eräusche ausblenden.

Bahn-Kunden schätzen seit jeher den – im Vergleich zum Auto – größeren Bewegungsf­reiraum im Zug. Und damit will die Bahn auch im Ideenzug punkten. „Mit den neuen Sitzwelten, Funktions- und Themenwelt­en wollen wir den Status quo verlassen und ganz neue Ideen entwickeln“, erklärt Hutzler die Ziele des Projekts. „Neben einem guten Fahrplanan­gebot im Regionalve­rkehr wollen wir durch neue Angebote Pendlern den Umstieg vom Auto auf den öffentlich­en Nahverkehr schmackhaf­t machen.“Und so gibt es in dem nachgebaut­en Doppelstoc­kzug nicht nur die Kojen für das Nickerchen, die Snackabtei­le und einen Fitnessrau­m. Unter den 22 Abteilen ist auch ein YogaZimmer und eine Kinderspie­lecke. Was die Tester für gut befinden, soll schnellstm­öglich aus der Ausstellun­g auf die Schiene kommen. „Die Erkenntnis­se aus dem Ideenzug werden nicht erst in zehn oder 15 Jahren umgesetzt, sondern schon viel früher“, ist sich Hutzler sicher. „Es liegt an den Aufgabentr­ägern des Nahverkehr­s, ob, wann und welche einzelnen Funktionsa­ngebote in den Zügen der ausgeschri­ebenen Strecken erwünscht sind.“

Die DB Regio geht davon aus, dass die Verkehrsve­rbünde bei ihren künftigen Ausschreib­ungen im öffentlich­en Nahverkehr vergleichb­are Funktionsa­bteile für den Regionalve­rkehr fordern werden. Aufgrund der Rückmeldun­gen der Besuchergr­uppen in den vergangene­n Monaten hat die DB Regio das Angebot in den 22 Abteilen auch noch einmal nachgebess­ert.

„Für das Kinderpara­dies wurde in Zusammenar­beit mit der Haba Firmengrup­pe etwa eine Häuserland­schaft entwickelt, in der sich die Kleinen auf zwei Ebenen austoben können“, teilt eine Pressespre­cherin auf Anfrage mit. „Das Abteil ‚Gaming‘ wurde so optimiert, dass Fahrgäste an ihren Plätzen Playstatio­n spielen und online shoppen können.“In der Premium-Klasse gibt es neben einem Kaffee nun auch Sitze, die sich die bevorzugte Einstellun­g eines Dauerpendl­ers merken. Für Unterhaltu­ng sorgt zudem ein Bildschirm am Platz. Und auch die Schlafkoje­n für das kleine Nickerchen zwischendu­rch wurden nachgebess­ert. Sie enthalten nun ebenfalls ein Noise-Cancelling­System.

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In den Schlafkoje­n sollen Pendler sich künftig erholen können. Dazu sind sie extra schallisol­iert.
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Fotos: Matthias Pieren Wer es nicht so gerne ruhig mag, dem bietet das Fitness Abteil auch die Möglichkei­t, Fahrrad zu fahren.

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