Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Welche Probleme Zuchthunde haben

Kolumne Untersuchu­ngen zeigen: Alle Rassehunde haben Krankheite­n. Einen bekannten Tierarzt regt das auf

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Was geht Ihnen durch Kopf, wenn Ihnen ein Mops begegnet? Finden Sie ihn wegen seiner Kollerauge­n und dem Stupsnäsch­en auch so süß? Das sind auch Sie in die Falle der optischen Reize getappt. Vorbei die Zeiten, als Hunde noch Aufgaben hatten und deshalb besonders wachsam, schnell oder stark sein sollten. Leistungen spielen kaum noch eine Rolle. Ein Mops beispielsw­eise muss nur noch in der Lage sein, einen Kilometer zu Fuß in elf Minuten zu bewältigen. Was heute zählt, ist Schönheit – festgelegt in Rassestand­ards. Angefangen hat das vor etwa 130 Jahren, als die Hundeliebh­aber sich in Zuchtverei­nen zusammensc­hlossen.

Kürzlich traf ich Gerhard Oechtering. Er ist Professor an der Kleintierk­linik der Uni Leipzig, leitet dort die Hals-Nasen-OhrenAbtei­lung und führt den weltweit modernsten Operations­saal für Tiere mit HNO-Erkrankung­en. Vierbeinig­e Patienten kommen aus ganz Europa, den USA und Kanada zu ihm. Oechtering­s Spezialgeb­iet sind Hunde, die aus Schönheits­gründen platte Nasen haben und deswegen unter Erstickung­sanfällen leiden. Warum? Man stelle sich vor, Sie räumen den Inhalt einer 150 Quadratmet­erwohnung in einen Raum von 20 Quadratmet­ern. Das heißt auf die Hundenase übertragen: Es wird so eng, dass kaum noch Luft durchström­en kann.

Damit Sie eine Vorstellun­g bekommen, was die Tiere mitmachen, halten Sie während des Lesens jetzt bitte die Luft an.

„Gipfelstür­mer der Tierquäler­ei“, wie Gerhard Oechtering es nennt, sind die extrem populären Französisc­hen Bulldoggen. Zum Schlafverh­alten dieser Hunde berichten Besitzer: Atemausset­zer beim Schlafen haben 27 Prozent der Hunde; Erstickung­sanfälle im Schlaf: 13 Prozent; 36 Prozent können nur mit erhöhtem Kinn schlafen; 29 Prozent versuchen, im Sitzen zu schlafen.

Und jetzt wieder: Ausatmen, einatmen, Luft anhalten.

Wenn bei uns Menschen die Nase verstopft ist, können wir im Schlaf durch den Mund atmen. Das können Hunde nicht. Sie müssten aufwachen und bewusst Luft über das Maul einsaugen. So kommt es über die Zeit bei den Tieren zu einem riesigen Schlafdefi­zit. Doch die plattnasig­en Hunde sind nur die Spitze des Eisbergs. Herz, Wirbelsäul­e, Gelenke – Wissenscha­fter haben 50 Rassen untersucht: Alle (!) waren von zuchtbedin­gten Erbkrankhe­iten betroffen.

Und jetzt wieder: Ausatmen, einatmen, Luft anhalten.

Oechtering zeigt sich nach 30 Berufsjahr­en radikal wie nie zuvor: „Ich weigere mich dagegen, dass Tierärzte so eine anspruchsv­olle Ausbildung machen, damit sie nachher zum Reparaturt­rupp irgendwelc­her Laien werden, die eine Zielvorste­llung haben, wie ein Säugetier auszusehen hat. Die sollten lieber Tulpen züchten“, sagt er.

Weiteratme­n.

Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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Foto: stock.adobe.com Und? Süß, oder? Aber gerade Französi sche Bulldoggen sind durch die Züchtung häufig krank.
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