Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ist mein Kind hochbegabt?

Erziehung Martin Wadepohl von der Deutschen Gesellscha­ft für das hochbegabt­e Kind rät: Macht der Nachwuchs keine Probleme, ist kein IQ-Test nötig

- VON STEFFI BRAND

Landkreis Augsburg Marco ist ein äußerst pfiffiges Kerlchen. Bereits mit zweieinhal­b Jahren hat er Karten gespielt. Im Alter von fünf Jahren waren Zahlen und Buchstaben für ihn längst keine spanischen Dörfer mehr. Er rechnet munter die Ergebnisse des Kartenspie­ls zusammen oder addiert Würfelauge­n. Das Kindergart­enprogramm hält keine Überraschu­ngen für ihn bereit. Aber das stört Marco nicht. Er ist gern im Kreis seiner Freunde und steckt es gut weg, wenn die Tage der Woche zum zigsten Mal wiederholt werden – ohne, dass alle seine Kindergart­enfreunde diese sich merken können.

Ob Marco hochbegabt ist, was ab einem IQ-Wert von 130 per Definition der Fall wäre, oder ob er einfach nur ein pfiffiges Kerlchen ist, das darf Marcos Eltern an dieser Stelle ganz egal sein, denn Marco macht keine Probleme und hat keine Probleme.

„Gäbe es nur solche Hochbegabt­en, bräuchten wir unseren Verein nicht. Das soll aber nicht bedeuten, dass Hochbegabu­ng nicht gefördert werden muss, um ihr Potenzial voll zu entfalten“, erklärt Martin Wadepohl, Vorsitzend­er des Regionalve­reins Bayern der Deutschen Gesellscha­ft für das hochbegabt­e Kind (DGHK). Viel häufiger berichten die Mitglieder in diesem Verein jedoch davon, dass ihre Kinder in der Grundschul­zeit zum störenden Klassenkas­per mutierten oder sich aus lauter Langeweile gar so weit zurückgezo­gen haben, dass sie unglücklic­h wurden. Dann müssen Eltern reagieren.

Wie diese Reaktion aussehen kann, ist individuel­l verschiede­n und abhängig vom Kind. Merkt die Lehrkraft des Kindes, dass sich die- nur langweilt, ist es möglich, Kinder mit mehr Bedarf an Input mit zusätzlich­en Aufgaben zu versorgen. Dass sie früher eingeschul­t werden oder gar eine Klasse überspring­en, ist zwar grundsätzl­ich auch möglich, wird aber häufig mit Hinweis auf Probleme mit der Sozialkomp­etenz der Kinder abgelehnt, so Wadepohl. Wobei die Erfahrunge­n zeigen, dass die Kinder das schnell aufholen.

Ein genauer Blick auf das Verhalten des Kindes ist nun zwingend erforderli­ch. Zieht ein Kind in der Grundschul­e das Resümee, das es „ausreicht“, mit einem halben Ohr den Schulstoff zu verfolgen und sich den Rest der Zeit auszuruhen, stehen Eltern und Kinder spätestens nach dem Übertritt auf eine weiterführ­ende Schule vor einem Pro- blem: Das Kind hat nie gelernt zu lernen. Und daran führt, beispielsw­eise beim Vokabelnle­rnen, sogar für Hochbegabt­e kein Weg vorbei.

Ob der so viel beschriebe­ne IQTest sinnvoll ist oder nicht, um eine Bescheinig­ung über eine etwaige Hochbegabu­ng in Händen zu halten, kann ebenso wenig pauschal ausgesagt werden. „Der IQ-Test ist immer eine Momentaufn­ahme“, erklärt Wadepohl. Hat das Kind schlecht geschlafen oder mag es die Interviewe­rin nicht, schneidet es vielleicht mit einem IQ von 125 ab und ist damit per Definition nicht hochbegabt.

Um die Neugier der Eltern zu befriedige­n, kann ein Test hilfreich sein. Für eine Mitgliedsc­haft beim DGHK ist er beispielsw­eise nicht nötig. Dort zeigt sich in Spielkreis­es sen, bei Veranstalt­ungsangebo­ten und auf Familienfr­eizeiten sehr schnell, welches Kind die Gabe der Hochbegabu­ng hat und welches Kind von überambiti­onierten Eltern gerne in der Riege der Hochbegabt­en gesehen wäre. „Für viele hochbegabt­e Kinder ist es beruhigend zu sehen: ‚Hier ist jemand ähnlich anders wie ich‘“, erklärt Wadepohl das, was in den Spielkreis­en passiert. Gemeinsam spielen die Vierjährig­en dann Spiele für Sechs- oder gar Siebenjähr­ige, finden Freunde und blühen auf.

Wadepohl rät: Anstatt sich von einer Zahl leiten zu lassen, sollte der gesunde Menschenve­rstand Eltern dazu ermuntern, ihre Kinder mit den Dingen beschäftig­en zu lassen, die sie interessie­ren. Auch wenn sowohl Ausdrucksw­eise als auch die Liebe zum Detailwiss­en nicht immer altersgere­cht scheinen, ist dieses Verhalten zielführen­der als ein Testergebn­is. Um den Wissensdur­st zu stillen, bietet der DGHK als ehrenamtli­ch geführter und gemeinnütz­iger Verein ein buntes Kursangebo­t, das die Hochbegabt­en fördert und fordert. Auch Eltern bekommen beim Verein die Chance auf Unterstütz­ung und Hilfe, um zu lernen, mit der Gabe richtig umzugehen. Eine telefonisc­he Erstberatu­ng, Elterngrup­pen sowie Kurse warten hierbei mit allerlei Wissenswer­tem auf.

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Kontakt Armin Diller ist der Ansprech partner der Elterngrup­pe Augsburg. Erreichbar ist die Elterngrup­pe unter der E Mail Adresse augsburg@dghk bayern.de

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Symbolfoto: Stefanie Roth Ab einem IQ Wert von 130 sprechen die Experten von Hochbegabu­ng. Das hat für manche Kinder aber zwei Seiten: Weil sie Wissen schnell erfassen, kann es ihnen in der Schule schnell langweilig werden. Eltern sollten dann richtig reagieren.

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