Augsburger Allgemeine (Land Nord)
430 Pfarrer studieren den Frieden
Evangelischer Verband erstmals in Augsburg
Wo könnten sie besser studieren, wie Menschen unterschiedlicher Bekenntnisse gedeihlich zusammenleben, als in der Stadt des Religionsfriedens? Hier werden sich die rund 430 Teilnehmer des 75. Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertags heute auf Spurensuche begeben. Beim Eröffnungsgottesdienst in St. Anna rief gestern Bayerns Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm die evangelischen Geistlichen dazu auf, selbstkritisch mit gewaltverherrlichenden Texten der Bibel umzugehen. Sie sollten beachten, wo Gott sich ändert, weil er Gewalt nicht mehr ertragen kann, und dass er in Jesus Christus sich selbst an die Seite der Gewaltleidenden gestellt hat. Selbstkritisch hinterfragen solle die evangelische Kirche auch, dass sie in ihrem Augsburger Bekenntnis von 1530 den gerechten Krieg zugelassen hat. „In der Geschichte Augsburgs spiegelt sich der mühsame Weg, den Frieden zu lernen“, sagte Stadtdekanin Susanne Kasch. Sie begrüßte zu dem Gottesdienst auch Oberbürgermeister Kurt Gribl und den katholischen Bischofsvikar für Ökumene, Prälat Bertram Meier.
Augsburg Wer gegen Menschen hetzt, hat kein Recht, das Kreuz vor sich herzutragen. Mutig sollten sich die Geistlichen gegen Fremdenhass, Antisemitismus und Rassismus stellen, forderte der Vorsitzende des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland, Andreas Kahnt, zum Auftakt des 75. Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertags am Montag in Augsburg. Er steht unter dem Motto „Religion und Gewalt“. Gut 400 Pfarrer nehmen am dreitägigen Kongress teil.
„Wer sieht, was in Chemnitz und Köthen vor sich geht, kann als Christ nicht schweigen. So kann man mit Menschen nicht umgehen“, sagte Kahnt. Und wer meint, Pfarrer sollten in ihrer Verkündigung auf politische Themen verzichten, „der muss sich fragen lassen, ob er irgendetwas von der Radikalität des Kreuzes verstanden hat“. Das Kreuz dürfe weder das Symbol des christlichen Abendlandes noch für eine bestimmte Kultur oder ein Bundesland sein.
Der bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm rief im Eröffnungsgottesdienst dazu auf, anderen Religionen nicht mit dem Gefühl der Überlegenheit, sondern mit der Haltung der Demut zu begegnen.
Der Staat muss nach Ansicht des Pfarrer-Verbandes ein Interesse daran haben, die Kirche als unabhängiges, kritisches Gegenüber zu pflegen, die sein politisches Handeln geistlich hinterfragt. Andreas Kahnt hielte es für einen Irrtum zu meinen, „dass, wenn die Zahl der Kirchenmitglieder zurückgeht, kirchliches Sprechen und Handeln weniger bedeutend ist“. Ob die Politik dieser Haltung dann folgt, „ist eine ganz andere Geschichte“.
Auf evangelische Pfarrer kommt nach Einschätzung ihres Verbands eine längere Lebensarbeitszeit zu – regulär dann bis 67, vielleicht sogar bis 75. Wenn die Generation der Babyboomer pensioniert wird, werde der theologische Nachwuchs die frei werdenden Pfarrstellen nicht füllen können, auch wenn die Stellenpläne gekürzt werden. Zumal jüngere Pfarrerinnen und Pfarrer Zeit auch für die Familie, für Freunde und Freizeit haben möchten. „Heute gilt nicht mehr, dass Pfarrer immer im Dienst sind“, erklärte Kahnt.