Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Furiose Geisterstunde
Konzert Junge Musiker begeistern mit Schuman, Ravel und Berlioz
„Fantastisches!“kündigte der Konzerttitel an – und unter der Leitung seiner neuen Dirigentin wurde das Schwäbische Jugendsinfonieorchester schon in jeder Beziehung gehörig gefordert. Carolin Nordmeyer hatte für ihr erstes Konzert mit den jungen Musikern nicht nur ein märchenhaft schillerndes Programm zusammengestellt, sondern auch mit sagenhaft heiklen Meisterwerken die jungen Musikerinnen und Musikern vor anspruchsvolle Aufgaben gestellt. Ihr Konzert, quasi ein deutsch-französischer Abend, mit Werken von Robert Schumann, Maurice Ravel und Hector Berlioz begeisterte das Publikum in der vollen Kongresshalle – das Orchester war in Augsburg, nach den Konzerten in Babenhausen und Nördlingen, auf den leistungsmäßigen Höhepunkt zugesteuert.
„Fantastisches!“war also zu erwarten. Dafür ist vor allem die Romantik zuständig. Zwei Helden, beide extreme, getriebene, zwischen Euphorie und Verzweiflung taumelnde Charaktere, die in der realen Welt nur Gäste zu sein scheinen, wurden in musikalischen Bildern lebendig: Robert Schumanns „Manfred“und Hector Berlioz’ Alter Ego, das durch seine „Sinfonie Fantastique“ geistert. In der Ouvertüre zu Lord Byrons Drama „Manfred“komprimiert Schumann den weltfremden Helden in einer dichten Folge musikalischer Abläufe. Carolin Nordmeyer und das Orchester formten, nach der präzisen Auftaktgeste, überzeugend das Spannungsgefälle zwischen Phasen dramatischer Aufbäumung und düsterem Versinken.
Gegen Berlioz’ drastisch-furiosen Rausch der „Sinfonie Fantastique“wirkt Schumanns romantisches Porträt bei aller genial eingewobenen Stimmungsvielfalt fast klassisch gediegen. Die Visionen des französischen Ausdrucksberserkers schildern seine unglückselige, verzweiflungsvolle Liebe zur ShakespeareMimin Harriet Smithson. Die Faszination für die Angebetete endete in einer von schwarzer Depression geprägten Ehe. Wie aber dieses biografische Desaster Berlioz zu einem sinfonischen Meisterwerk inspirierte, gehört zu den Mythen der Musikgeschichte. Das zwischen kammermusikalischen Instrumentalfinessen und Ausbrüchen, betörend süßen, unwirklichen Idyllen und aggressiven Attacken pendelnde Werk, fordert alle Instrumente solistisch wie im ineinandergleitenden Verbund. Carolin Nordmeyer war bestrebt, nicht nur unkontrolliertes Feuer zu entfachen. Im ersten Satz, den Träumereien, wurden die Entwicklungen behutsam herausgearbeitet. In den wogenden Walzer des Balls glitt man elegant. Oboe und Englischhorn spielten sich die Echound Antwort-Juwelen der Landszene zu. Scharf zugespitzt waren die ekstatischen Visionen des Gangs zur Hinrichtung. Das famose Schlagwerk ließ aus Pauken und Trommeln Gewitter ausbrechen. Alles endet mit einem Hexensabbat-Albtraum, dessen verzerrte FugenFratzen, Dies-irae-Aufmärsche, schweflig züngelnde Streicherfunken wie eine böse Parodie auf sakrale Oratorien erscheinen – Berlioz’ schwarze Teufelsmesse. Die in allen Teilen großartig (von den Dozenten eingearbeiteten) intonierenden jungen Künstler führte Carolin Nordmeyer spannungsvoll durch das dramatische Panorama.
Zwischen diesen Geisterfiguren extremer Romantik zelebrierte das Orchester Maurice Ravels „Tombeau de Couperin“– ein zarter Gegenpol, in dem der Klang- und Formmagier in feinen Mischungen der Metrik und Farbe barocke französische Musik und Tänze kunstvoll ins Heute zaubert. Auch diese Leistung wurde vom Publikum anerkannt, vor Berlioz’ umjubeltem spektakulären Schluss-Inferno.