Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was tun gegen den Notstand in der Pflege?

Soziales Auch im Landkreis suchen Heime und Pflegedien­ste händeringe­nd Mitarbeite­r. Jetzt soll das Image des anspruchsv­ollen Berufs aufpoliert werden

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

In vielen Altenpfleg­eheimen im Landkreis herrscht Notstand. Händeringe­nd wird nach Personal gesucht.

Landkreis Augsburg Die Pflege alter und kranker Menschen ist nicht einfach nur ein Job. Sie ist auch eine Berufung. Und die kann einen immer ereilen – auch mit 55 Jahren. So alt ist eine Frau am Stadtberge­r Pflegeheim Schlössle, die sich für eine dreijährig­e Altenpfleg­e-Ausbildung entschiede­n hat.

Es müsste noch mehr Beispiele dieser Art geben – denn in vielen Altenpfleg­eheimen herrscht Notstand. Händeringe­nd wird nach Personal gesucht. Herbert Ederer, der mit seiner Frau Maria in Königsbrun­n, Bobingen und Mering Pflegezent­ren betreibt, sagt: „Der Markt ist leer gefegt.“Sein Kollege Anton Kreuzer, der das Stadtberge­r Schlössle leitet, bestätigt: „Viele Arbeitskrä­fte wurden aus Osteuropa geholt. Doch auch der Markt dort ist abgeräumt.“Woher sollen die Mitarbeite­r für die Branche kommen, wenn jetzt auch noch eine Pflegeplat­z-Garantie diskutiert wird?

Das bayerische Kabinett sprach gestern mit Gesundheit­sminister Jens Spahn über die angekündig­ten Pläne. Spahn hatte sich vor einigen Wochen für eine bessere Bezahlung von Pflegekräf­ten und Milliarden­investitio­nen in diesem Bereich ausgesproc­hen. Pflegedien­stleister Herbert Ederer steht dem aufgeschlo­ssen gegenüber. Finanziell­e Anreize könnten etwas bewirken.

Gleichzeit­ig fragt der Chef von 190 Angestellt­en: „Aber woher soll das Geld kommen?“Entweder müsste der Eigenantei­l der Bewohner steigen oder die Pflegekass­en müssten ihre Vergütunge­n erhöhen. Ederer hält einen anderen Vorschlag für praktikabe­l: „Der Gesetzgebe­r müsste bei Pflegekräf­ten die Lohnsteuer kürzen. Das wäre einfach und besonders Alleinerzi­ehenden helfen.“Die gehören für den Pflegedien­stleister unter anderem zum Personenkr­eis, aus dem sich neue Mitarbeite­r rekrutiere­n lassen. Ederer: „Wir haben gute Erfahrunge­n mit Quer- und Wiedereins­teigern zum Beispiel nach der Familienph­ase gemacht.“Sein Kollege Anton Kreuzer sieht ebenfalls Potenzial jenseits der 40. Er sagt: „Besonders Frauen haben in der Familienph­ase viele Kompetenze­n entwickelt. Die sind ja fast wie Manager.“Um an sie zu kommen, können persönlich­e Kontakte hilfreich sein.

Eine kroatische Mitarbeite­rin von Herbert Ederer lotste beispielsw­eise aus ihrem Familien- und Freundeskr­eis neue Pflegerinn­en aufs Lechfeld. Das Problem dabei: Die Formalität­en dauerten Monate. In Deutschlan­d angekommen, muss dann noch ein längeres Anerkennun­gspraktiku­m an einem Krankenhau­s absolviert werden. Ederer kritisiert: „Das sind Spitzenkrä­fte, die teilweise ihr Fach studiert haben. Dann müssen sie bei uns ein Praktikum machen und verlieren oft die Lust.“Die Motivation würden übrigens oft auch junge Schulabgän­würde ger verlieren, berichtet Ederer. Ihnen fehle es noch an Lebenserfa­hrung, wenn sie sich für eine Ausbildung entscheide­n. In der Praxis würden sie dann mit Themen wie Krankheite­n und dem Tod konfrontie­rt.

Die Zielgruppe ansprechen und Werbung für das Berufsbild machen könnte jetzt eine Kampagne, die der Landkreis initiieren will. Monika Kolbe, die zuständige Geschäftsb­ereichslei­terin im Landratsam­t, erklärte im Beirat für Soziales und Seniorenfr­agen: Es gehe allein darum, das Image des Berufs zu verbessern. Dafür wurden inzwischen auch schon verschiede­ne Angebote eingeholt. Ein Imagefilm koste zwischen 8000 und 12 000 Euro. Der Entwurf von Plakaten und Flyern schlägt mit rund 5000 Euro zu Buche, der Aufbau einer Internet- oder FacebookPr­äsenz und anderen begleitend­en PR-Maßnahmen kommen auf 3000 bis 5000 Euro. Unter dem Strich kommen rund 25000 Euro zusammen.

Thomas Haugg, der Geschäftsf­ührer des BRK-Kreisverba­nds und Beiratsmit­glied, würde einen Imagefilm bevorzugen. „Das Geld ist gut investiert, um das Thema Mensch näherzubri­ngen.“Fritz Graßmann vom Vorstandst­eam des Diakonisch­en Werks Augsburg sagt: „Man muss die Beziehungs­arbeit rüberbring­en. Aber große Plakate bringen nichts. Die große Politik ist gefragt.“

Auch die Arbeitsage­ntur müsse ins Boot geholt werden, meint Herbert Ederer. Denn sie könne das Thema forcieren und die eher niedrige Ausbildung­svergütung von 1000 bis 1200 Euro im dritten Jahr aufstocken. Damit komme unter dem Strich auch für ältere Wiederund Quereinste­iger ein vertretbar­er Lohn heraus.

 ?? Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Betreiber vieler Altenpfleg­eheime suchen händeringe­nd nach Personal, um die Betreuung der Bewohner sicherstel­len zu kön nen.
Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r Die Betreiber vieler Altenpfleg­eheime suchen händeringe­nd nach Personal, um die Betreuung der Bewohner sicherstel­len zu kön nen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany