Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was tun gegen den Notstand in der Pflege?
Soziales Auch im Landkreis suchen Heime und Pflegedienste händeringend Mitarbeiter. Jetzt soll das Image des anspruchsvollen Berufs aufpoliert werden
In vielen Altenpflegeheimen im Landkreis herrscht Notstand. Händeringend wird nach Personal gesucht.
Landkreis Augsburg Die Pflege alter und kranker Menschen ist nicht einfach nur ein Job. Sie ist auch eine Berufung. Und die kann einen immer ereilen – auch mit 55 Jahren. So alt ist eine Frau am Stadtberger Pflegeheim Schlössle, die sich für eine dreijährige Altenpflege-Ausbildung entschieden hat.
Es müsste noch mehr Beispiele dieser Art geben – denn in vielen Altenpflegeheimen herrscht Notstand. Händeringend wird nach Personal gesucht. Herbert Ederer, der mit seiner Frau Maria in Königsbrunn, Bobingen und Mering Pflegezentren betreibt, sagt: „Der Markt ist leer gefegt.“Sein Kollege Anton Kreuzer, der das Stadtberger Schlössle leitet, bestätigt: „Viele Arbeitskräfte wurden aus Osteuropa geholt. Doch auch der Markt dort ist abgeräumt.“Woher sollen die Mitarbeiter für die Branche kommen, wenn jetzt auch noch eine Pflegeplatz-Garantie diskutiert wird?
Das bayerische Kabinett sprach gestern mit Gesundheitsminister Jens Spahn über die angekündigten Pläne. Spahn hatte sich vor einigen Wochen für eine bessere Bezahlung von Pflegekräften und Milliardeninvestitionen in diesem Bereich ausgesprochen. Pflegedienstleister Herbert Ederer steht dem aufgeschlossen gegenüber. Finanzielle Anreize könnten etwas bewirken.
Gleichzeitig fragt der Chef von 190 Angestellten: „Aber woher soll das Geld kommen?“Entweder müsste der Eigenanteil der Bewohner steigen oder die Pflegekassen müssten ihre Vergütungen erhöhen. Ederer hält einen anderen Vorschlag für praktikabel: „Der Gesetzgeber müsste bei Pflegekräften die Lohnsteuer kürzen. Das wäre einfach und besonders Alleinerziehenden helfen.“Die gehören für den Pflegedienstleister unter anderem zum Personenkreis, aus dem sich neue Mitarbeiter rekrutieren lassen. Ederer: „Wir haben gute Erfahrungen mit Quer- und Wiedereinsteigern zum Beispiel nach der Familienphase gemacht.“Sein Kollege Anton Kreuzer sieht ebenfalls Potenzial jenseits der 40. Er sagt: „Besonders Frauen haben in der Familienphase viele Kompetenzen entwickelt. Die sind ja fast wie Manager.“Um an sie zu kommen, können persönliche Kontakte hilfreich sein.
Eine kroatische Mitarbeiterin von Herbert Ederer lotste beispielsweise aus ihrem Familien- und Freundeskreis neue Pflegerinnen aufs Lechfeld. Das Problem dabei: Die Formalitäten dauerten Monate. In Deutschland angekommen, muss dann noch ein längeres Anerkennungspraktikum an einem Krankenhaus absolviert werden. Ederer kritisiert: „Das sind Spitzenkräfte, die teilweise ihr Fach studiert haben. Dann müssen sie bei uns ein Praktikum machen und verlieren oft die Lust.“Die Motivation würden übrigens oft auch junge Schulabgänwürde ger verlieren, berichtet Ederer. Ihnen fehle es noch an Lebenserfahrung, wenn sie sich für eine Ausbildung entscheiden. In der Praxis würden sie dann mit Themen wie Krankheiten und dem Tod konfrontiert.
Die Zielgruppe ansprechen und Werbung für das Berufsbild machen könnte jetzt eine Kampagne, die der Landkreis initiieren will. Monika Kolbe, die zuständige Geschäftsbereichsleiterin im Landratsamt, erklärte im Beirat für Soziales und Seniorenfragen: Es gehe allein darum, das Image des Berufs zu verbessern. Dafür wurden inzwischen auch schon verschiedene Angebote eingeholt. Ein Imagefilm koste zwischen 8000 und 12 000 Euro. Der Entwurf von Plakaten und Flyern schlägt mit rund 5000 Euro zu Buche, der Aufbau einer Internet- oder FacebookPräsenz und anderen begleitenden PR-Maßnahmen kommen auf 3000 bis 5000 Euro. Unter dem Strich kommen rund 25000 Euro zusammen.
Thomas Haugg, der Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands und Beiratsmitglied, würde einen Imagefilm bevorzugen. „Das Geld ist gut investiert, um das Thema Mensch näherzubringen.“Fritz Graßmann vom Vorstandsteam des Diakonischen Werks Augsburg sagt: „Man muss die Beziehungsarbeit rüberbringen. Aber große Plakate bringen nichts. Die große Politik ist gefragt.“
Auch die Arbeitsagentur müsse ins Boot geholt werden, meint Herbert Ederer. Denn sie könne das Thema forcieren und die eher niedrige Ausbildungsvergütung von 1000 bis 1200 Euro im dritten Jahr aufstocken. Damit komme unter dem Strich auch für ältere Wiederund Quereinsteiger ein vertretbarer Lohn heraus.