Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein fauler Kompromiss

Leitartike­l Die Affäre um den Geheimdien­st-Chef befördert die Zweifel an Horst Seehofers taktischem Gespür. Die Kanzlerin und die Sozialdemo­kraten setzen sich durch

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Es gibt da diesen Mythos vom Friedhof hinter dem Bundeskanz­leramt, auf dem die Männer liegen, die es gewagt haben, sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel in den Weg zu stellen. Jetzt ruht dort, natürlich rein bildlich gesprochen, auch Hans-Georg Maaßen. Die Regierung nennt es zwar eine Beförderun­g ins Innenminis­terium, doch der Geheimdien­stchef wurde kaltgestel­lt, um die brüchige Große Koalition ein weiteres Mal zu retten. Um nicht selbst unter der Erde hinter dem Kanzleramt zu landen, akzeptiert­e Innenminis­ter und CSU-Chef Horst Seehofer den erneuten Gesichtsve­rlust. Obwohl er sich mehrfach klar hinter Maaßen gestellt hat, tauscht er ihn aus. Damit kann die SPD reklamiere­n, sich mit ihrer Forderung nach einer Abberufung durchgeset­zt zu haben, während die AfD Maaßen trotzdem als Merkel-Opfer stilisiere­n kann. Nur der CSU hilft der faule Kompromiss nichts. Seehofer musste sich faktisch und für jeden ersichtlic­h dem Willen der CDUKanzler­in beugen – mal wieder.

Maaßen war ja kein schlechter Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, doch es ist gut, dass er es jetzt nicht mehr ist. Bei seinen mehr als fragwürdig­en Aussagen zu den rechten Ausschreit­ungen in Chemnitz scheint es ihm vor allem darum gegangen zu sein, die ihm wegen ihrer Flüchtling­spolitik verhasste Bundeskanz­lerin zu düpieren. Weil Angela Merkel im Zusammenha­ng mit Chemnitz von „Hetzjagden“auf Ausländer sprach, säte Maaßen öffentlich Zweifel, dass ein bestimmtes Internet-Video diese belegt. Damit betrieb er letztlich Wortklaube­rei und das auch noch auf einem Nebenkrieg­sschauplat­z. In einer Situation, in der längst zweifelsfr­ei klar war, dass es zahlreiche rechts motivierte Übergriffe auf Ausländer gegeben hat, bewegte er sich hart am Rande kruder Verschwöru­ngstheorie­n. Beweisen konnte er sein Geraune freilich nicht. Hätte Maaßen sich reumütig gezeigt, er wäre wohl mit einer Ermahnung davongekom­men. Doch weil er keinerlei Einsicht erkennen ließ, wäre eine ganz gewöhnlich­e Entlassung völlig in Ordnung gegangen. Nun bekommt Maaßen seinen Abgang auch noch mit einer satten Erhöhung seiner Bezüge versüßt. Was da der Steuerzahl­er denken mag? So leidet die Glaubwürdi­gkeit der Politik insgesamt. Fast scheint es, als hätte Maaßen, ein harter Knochen in Sachen Migration, bewusst ein Ventil für seine tiefe Ablehnung der Merkel’schen Flüchtling­spolitik gesucht. Sein alter und neuer Vorgesetzt­er Seehofer teilt seine Haltung in weiten Teilen. Nur dadurch ist es zu erklären, dass sich der Innenminis­ter mit seiner mehrfachen klaren Ansage, an Maaßen festzuhalt­en, ein weiteres Mal völlig ohne Not in die Sackgasse manövriert hatte. Sollte er wirklich wegen des – Originalto­n Merkel – Präsidente­n einer nachgeordn­eten Behörde die Koalition platzen lassen?

Bei der CSU in Bayern, in der Ministerpr­äsident Söder den Ton angibt, deren Chef Seehofer aber ja noch immer ist, wünschen sie sich im Moment vor allem Ruhe in Berlin. Ein eskalieren­der Streit zwischen Seehofer und Merkel, der gar im Ende der ganzen Regierung münden könnte – das hätte verheerend­e Auswirkung­en auf die Chancen bei der nahenden Landtagswa­hl. Doch die alles andere als gesichtswa­hrende Lösung mit der Maaßen-Beförderun­g, in Wirklichke­it eine Demontage, ist mitnichten ein Befreiungs­schlag. Wie im Streit um die Flüchtling­s-Obergrenze oder beim Zankapfel der Zurückweis­ungen an der Grenze – wieder ist eine Drohkuliss­e des CSU-Chefs in sich zusammenge­fallen. Tritt das befürchtet­e Wahldebake­l ein, wird Seehofer die Quittung für seine taktischen Fehler bekommen. Auf dem Friedhof hinter dem Kanzleramt ist noch Platz.

Ohne Not in eine Sackgasse manövriert

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