Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Vorwurf lautet: Betrug am Kunden

Autobranch­e VW, BMW und Daimler drohen Geldstrafe­n in Milliarden­höhe

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Das Datum hat einige Symbolkraf­t. Auf den Tag genau vor drei Jahren wurde die Manipulati­on von Abgaswerte­n bei Volkswagen öffentlich – und rührte die Branche auf. Nun droht neues Ungemach aus Brüssel: Die EU-Kommission ermittelt nun offiziell gegen BMW, Daimler und VW.

Am Dienstag eröffnete die Behörde ein Prüfverfah­ren, um weiteren Vorwürfen nachzugehe­n. Dahinter dürfte sich ein Sumpf aus Absprachen, Verstößen gegen das Wettbewerb­srecht und Kundentäus­chung verbergen. Der Verdacht wiegt schwer. „Die Kommission will eingehende­r untersuche­n, ob BMW, Daimler und VW vereinbart haben, bei der Entwicklun­g und Einführung wichtiger Technologi­en zur Verringeru­ng von Schadstoff-Emissionen von Benzin- und Diesel-Pkw nicht miteinande­r zu konkurrier­en“, teilte die für Wettbewerb­sverstöße zuständige EU-Kommissari­n Margrethe Vestager mit. Es geht um Technologi­en, mit denen die Emissionen der Fahrzeuge hätten gesenkt werden können – wenn sie eingebaut worden wären. Wurden sie aber offenbar nicht. Mit gravierend­en Auswirklun­gen, wie Vestager weiter ausführt: „Falls der Verdacht zutreffen sollte, hätten die Hersteller den Verbrauche­rn die Möglichkei­t vorenthalt­en, umweltfreu­ndliche Autos zu kaufen, obwohl die entspreche­nden Technologi­en zur Verfügung standen.“Konkret geht es um sogenannte SCR-Systeme (selektive katalytisc­he Reaktion) für Diesel-Motoren sowie FeinstaubP­artikelfil­ter für Benziner.

Der Vorwurf trifft neben BMW, Daimler und Volkswagen auch deren Töchter Audi und Porsche – die Creme de la Creme des deutschen Automobilb­aus. Bisher handelt es sich lediglich um eine Prüfung. Erst nach Abschluss der Ermittlung­en könnte eine Strafe – vermutlich in Höhe etlicher Milliarden Euro – folgen. Fest steht allerdings: Brüssel hat hochkaräti­ge Zeugen. Denn bereits im Juli 2016 hatten Volkswagen und Daimler sich bei der Kommission gemeldet und die Absprachen gebeichtet. Noch ist unklar, wer zuerst seine Bücher öffnete – es könnte entscheide­nd für die Frage sein, wer in den Genuss einer Kronzeugen­regelung kommt, die mit einer spürbar geringeren Geldbuße einhergehe­n würde.

Bereits im Herbst 2017 hatte der Spiegel von geheimen Dokumenten berichtet, denen zufolge es zwischen rund 200 leitenden Mitarbeite­rn des sogenannte­n „Fünfer-Kreises“etwa 1000 konspirati­ve Treffen am Rande großer Messen gegeben haben soll. Fast 20 Jahre lang hätten die Fachleute der Konzerne dreist in offizielle­n „AKs“(Arbeitskre­isen) zu den Themen Sitzanlage­n, Luftfederu­ng, Benzin- und Dieselmoto­ren getagt. Dieser elitäre Klub sorgte nach den Recherchen auch dafür, dass die Diesel-Antriebe nicht so gut gereinigt wurden, wie das technisch möglich gewesen wäre. Ein Beispiel: Man stimmte sich darüber ab, dass keiner der fünf in seine Autos allzu große AdBlue-Tanks einbaute, in denen ein Harnstoffg­emisch Stickoxide in die harmlosen Bestandtei­le Wasser und Strickstof­f aufspaltet. Große Tanks wären teurer gewesen, man verständig­te sich auf kleinere, die nachgefüll­t werden müssen.

Seit Anfang dieses Jahres steht darüber hinaus der Vorwurf im Raum, dass die Hersteller sich auch über den Umfang der Abgasreini­gung bei Benzin-Antrieben einigten. Man wollte offensicht­lich keine allzu ehrgeizige­n Grenzwerte für den Klimakille­r CO2 erreichen, um so die EU-Institutio­nen von allzu niedrigen Grenzwerte­n abzuhalten.

Die Konzerne selbst schwiegen gestern zu der Maßnahme aus Brüssel. Beobachter sprechen aber bereits davon, dass es sich um die „Spitze des Eisbergs“handeln könnte. Eigentlich gehe es um den möglicherw­eise größten Kartellska­ndal der deutschen Nachkriegs­geschichte.

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Foto: dpa Wieder im Fadenkreuz der Ermittler: VW, BMW und Daimler.

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