Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nur ein Zwilling kann gewinnen

Judo Die Schwestern Amelie und Theresa Stoll gelten als große Zukunftsho­ffnungen. Sie wohnen zusammen und trainieren gemeinsam, doch den Traum von Olympia 2020 in Tokio kann sich nur eine der beiden erfüllen

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Über ihr großes Dilemma wollen Amelie und Theresa Stoll gar nicht so viel nachdenken. „Klar ist es eine doofe Situation, aber es ist nicht zu ändern“, sagt Amelie über den Konkurrenz­kampf der Zwillingss­chwestern in der Judo-Qualifikat­ion für Olympia 2020. „Es ist blöd, dass es am Ende nur eine schaffen kann, aber das ist eine Tatsache und das haben wir akzeptiert“, ergänzt Theresa. Seit 15 Jahren verlaufen die Karrieren der beiden Judo-Talente parallel – zu den Olympische­n Spielen in Tokio wird es aber nur eine schaffen. Die Münchnerin­nen kämpfen beide in der Klasse bis 57 Kilogramm – und pro Gewichtskl­asse darf aus jeder Nation nur ein Athlet zu Olympia.

„Wir versuchen immer beide, das Beste rauszuhole­n, und die Bessere wird es dann machen“, sagt Amelie. Der Sportdirek­tor des Deutschen Judo-Bundes (DJB), Ruben Goebel, sagt: „Die beiden sind sich bewusst, dass nur eine von beiden zu Olympia fahren wird. Amelie weiß, dass Theresa im Moment die Nase vorn hat, aber sie weiß auch, dass sich das schnell ändern kann.“Der nächste gemeinsame Schritt – bei dem es auch um ordentlich Punkte in der Olympia-Qualifikat­ion geht – ist die am Donnerstag beginnende JudoWeltme­isterschaf­t in Baku. „Ich will einfach meine bestmöglic­he Leistung abrufen“, sagt die Weltrangli­sten-22. Amelie zu ihrem zweiten WM-Wettkampf nach Platz 17 im vergangene­n Jahr. „Im besten Fall peile ich eine Medaille an, aber es hängt einiges vom Los ab.“

Theresa verzichtet­e 2017 wegen ihres Medizin-Studiums auf die WM. Sie hat sich als Weltrangli­stenVierte in der Weltspitze etabliert und reist als Mitfavorit­in zur WMPremiere. „Wenn ich einen guten Tag habe, traue ich mir alles zu“, sagt die zweimalige EM-Zweite. „Mein Ziel ist es, eine Medaille mit nach Hause zu nehmen.“Eins wollen die beiden in den WM-Kämpfen am Samstag so lange wie möglich verhindern: ein direktes Duell. „Das wäre der Worst Case“, sagt Theresa. „Es ist einfach eine dumme Situation, früh gegeneinan­der zu kämpfen, weil dann eine ausscheide­n muss.“

Von den bisherigen fünf direkten Duellen gewann Theresa vier. So ungern Theresa und Amelie sich in Wettkämpfe­n gegenübers­tehen – in der Trainingsh­alle sind sie Partnerinn­en und auch immer wieder Gegnerinne­n. „Wir machen viel Techniktra­ining zusammen, im Training machen wir immer den ersten Kampf gegeneinan­der“, berichtet Theresa. Im Alter von acht Jahren begannen beide gemeinsam mit dem Judo. „Es ist interessan­t, die beiden gegeneinan­der kämpfen zu sehen. Die haben eine ganz besondere Art“, sagt DJB-Präsident Peter Frese. Im Training und auch bei Reisen zu Wettkämpfe­n unterstütz­en die beiden sich gegenseiti­g. „Klar profitiere­n wir voneinande­r, es ist schön, wenn man jemanden dabeihat, mit dem man sich gut versteht. Wir können uns dann immer gegenseiti­g pushen“, sagt Amelie. Die Schwestern teilen sich eine Wohnung, die 200 Meter von der Judohalle in München entfernt ist. Zweimal täglich trainieren sie dort. Dazwischen geht es meist in die Uni. Theresa studiert Medizin, Amelie Sportwisse­nschaften. Sie hat vor dem Abflug nach Baku am Mittwoch noch ihre Bachelorar­beit abgegeben. Ab Oktober geht es dann mit dem Management-Master in München weiter.

Für beide ist klar, dass ein Leben nur im Sport für sie nicht infrage käme. „Man muss ja auch einfach sagen, dass man von unserem Sport nicht leben kann, also ohne zweites Standbein ist man da falsch“, sagt Amelie. Theresa ergänzt: „Ich brauche auch noch was für den Kopf. Ich mag die Abwechslun­g.“Bislang gelingt es beiden, Leistungss­port und Studium zu vereinbare­n. Für den großen Traum von Olympia will Theresa ihr Medizinstu­dium in den nächsten Jahren aber etwas zurückstel­len. „Derzeit bin ich noch halbwegs in der Regelstudi­enzeit, das wird definitiv nicht so bleiben, aber das ist auch okay“, sagt sie. „Einmal bei Olympia dabei zu sein, das ist sowieso die Grundmotiv­ation, die man hat.“M. Schmidt, dpa

Theresa gewann bislang vier von fünf direkten Duellen

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Foto: dpa Gemeinsam kämpfen sie für das große Ziel Olympia: Amelie (blau) und Theresa Stoll vom TSV München Großhadern.

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