Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vorbild sein, zahlt sich aus
Das findet zumindest Michael Dudella. Er verzichtet aufs Auto, fährt mit Bus, Bahn und im Notfall mit dem Taxi
Der „Railman“– das ist der Spitzname, den Freunde und Kollegen mir gegeben haben. Warum? Soweit möglich, fahre ich meine privaten und dienstlichen Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das erfordert zwar manchmal ein wenig mehr Zeit in der Planung, spart aber anderseits Zeit für Fahrten zur Tankstelle, Werkstatt oder Fahrzeugreinigung. Der Klimawandel und die stark zunehmende Versiegelung durch Straßenbau bestärken mich in meinem Verhalten, ein Zeichen zu setzen und Vorbild zu sein. Wer möchte schon gerne eine stark befahrene Straße vor der Haustüre oder Hunderte von Tiefgaragen mit immensen Wartungskosten in der Stadt?
Auf die Bahn bin ich bereits vor 20 Jahren umgestiegen: Ich war die weiten Autofahrten in meinen nordrhein-westfälischen Heimatort leid und merkte auch bei meinen vielen Dienstfahrten den Zeitgewinn. Doch eigentlich begann meine Leidenschaft für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr schon viel früher. Schon als Kind und Jugendlicher wälzte ich Fahrpläne und fuhr mit meinen Freunden in den Ferien das Gebiet um den Niederrhein ab. Das machte mir damals schon Spaß! Oder vielleicht lag es auch an der Modelleisenbahn, die mein liebstes Spielzeug war? Oder doch daran, dass mein Vater bei einer Verkehrsgesellschaft beschäftigt war?
Mir macht es einfach Spaß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein. Und auch, wenn der Zug nicht immer pünktlich ist – wie viel Zeit verbringen Autofahrer denn im Stau? Während der Zugfahrt nutze ich die Zeit zum Lesen und Entspannen und komme so weitaus erholter als mit dem Auto an. Und zu lachen gibt es auch immer wieder etwas, wenn beispielsweise der Zugbegleiter ein humorvoller Mensch ist. Beim Zugfahren habe ich schon viele interessante Menschen kennengelernt; es ist sogar eine gute Freundschaft in Stralsund dadurch entstanden.
Auch ohne eigenes Auto bin ich sehr flexibel. Vielerorts gibt es Carsharing oder Mietwagen. Manchmal leihe ich mir von Freunden ein Auto. So wird das „Stehzeug“zum „Fahrzeug“. Selbst abgelegene Orte erreiche ich ohne Auto gut: Kleinere Strecken lege ich vom Bahnhof aus mit dem Rad zurück und notfalls nehme ich ein Taxi. Das ist immer noch umweltschonender, als die ganze Strecke mit dem Auto zu fahren.
Vorbild sein zahlt sich aus: Seitdem ich hauptsächlich Bahn fahre, geht es mir einfach besser. Und ich habe ein gutes Gefühl, dazu beizutragen, eine lebenswerte Natur zu erhalten.
Auch meine neunjährige Tochter findet das Bahnfahren klasse. Sie hat schon alle ICE-Modelle aus dem Speisewagen und liebt die Fahrten mit dem Nachtzug an die Ostsee. Ich finde es gut und wichtig, in puncto Bewahrung der Natur eine Vorbildfunktion zu haben. Denn schließlich wirkt sich mein Umweltverhalten auch auf zukünftige Generationen aus.
Selbst bei meinen Studienfahrten in die neuen Bundesländer sind Teilnehmer immer wieder erstaunt, wie gut man eine Woche lang vom Hotelstandort zu verschiedensten Besichtigungs- und Gesprächsterminen auch mit Bahn und Bus unterwegs sein kann. Einige Menschen habe ich dadurch auch schon umstimmen können, die nächste Urlaubsfahrt mit der Bahn zu unternehmen.
Damit das Bahnfahren attraktiv bleibt, bin ich beim Fahrgastverband Pro Bahn ehrenamtlich engagiert. In Gesprächen mit Verantwortlichen aus Politik und bei Verkehrsunternehmen wurde für die Menschen schon viel erreicht. Für die Zukunft wünsche ich mir eine preiswerte Mobilitätskarte 100. Ich glaube, dass noch mehr Leute auf das Auto verzichten würden, wenn es in Deutschland ein einheitliches Tarifsystem mit einem Fahrschein für alle öffentlichen Verkehrsmittel gäbe.