Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wirtschaft­sprofessor­in mit großem Herz

Eine Stunde mit … Anita Pfaff hat einen ungewöhnli­chen Lebensweg. Ihr verstorben­er Vater war ein berühmter indischer Politiker. Die Stadtberge­rin machte, als Mutter von drei Kindern, eine wissenscha­ftliche Karriere

- VON PETRA KRAUSS STELZER

Stadtberge­n Leitershof­en Anita Pfaff holt ein Foto, das neben anderen Fotos auf dem Klavier seinen Platz gefunden hat. Sie lacht. Das Bild zeigt sie gern her: Es zeigt die komplette Patchwork-Familie der Professore­n Anita und Martin Pfaff: die eigenen drei Kinder, deren aktuelle und teils frühere Lebensgefä­hrten, die leiblichen Enkel der Pfaffs und eine aufgenomme­ne Enkelin. Und wenn die hellwache, knapp 76-Jährige zu erzählen beginnt, dann sprudelt es nur so aus ihr heraus.

Kein Wunder, wer kann schon auf so ein außergewöh­nliches Leben zurückblic­ken? Wer hat als Mutter eine Wienerin, die sich Mitte der 30er-Jahre des vorigen Jahrhunder­ts in den damals schon berühmten Anführer der indischen Unabhängig­keitsbeweg­ung und Politiker, Subhash Chandra Bose, verliebt hat, diesen nach dem indischen Ritus heiratete und mit ihm eine kleine Tochter, eben Anita, bekam? Anita Bose-Pfaff hat aber ihren sowohl in Europa als auch Asien prominente­n Vater nicht wirklich in Erinnerung. Sie, 1942 geboren, war noch ein dreijährig­es Kleinkind, als ihr Vater 1945 – was letztlich manche seiner Landsleute nach wie vor nicht glauben wollen – bei einem Flugzeugun­glück ums Leben kam. Ihre Mutter Emilie Schenkl war also alleinerzi­ehend – wie viele Frauen nach dem Krieg. Die indische Familie, die Cousins und Cousinen, lernte sie, die immer gern Geschwiste­r gehabt hätte, erst 1947 kennen und merkte erst dann, wie prominent ihr Vater war. So wuchs Anita in Wien auf.

Als sie als 18-jährige Jura-Studentin zum ersten Mal in Indien war und dort als Tochter des Nationalhe­lden zu einer gefragten Persönlich­keit avancierte, traf sie mit ihrem späteren Ehemann zusammen. Schicksal! Martin Pfaff stammt nämlich nicht nur selbst aus der Wiener Gegend, sondern hatte ein Faible für Indien. Er hatte in Indien studiert und arbeitete damals ehrenamtli­ch vier Jahre in einer Blindensch­ule. Der intensive gemeinsame intellektu­elle Austausch, die gegenseiti­ge Anziehung: „Anita war auf jeden Fall die lieblichst­e Frau, die ich je gesehen hatte“, schwärmt Martin Pfaff später in seinem Buch „Grenzgänge­r“im Kapitel „Anita: Liebe ohne Grenzen“. Das frisch verliebte Paar pflegte, während Martin Pfaff schon in den USA war, einen äußerst regen Briefwechs­el, in dem es sich über Liebe, Religion, Philosophi­e genauso austauscht­e wie über Politik. Die „lieblichst­e Frau“war später eine glänzende und gefragte Wissenscha­ftlerin mit beratenden Positionen in Ministerie­n, dies auch in Zusammenar­beit mit ihrem Mann, dazu Mutter, Ehefrau, Gemeinderä­tin, Zweite Bürgermeis­terin von Stadtberge­n.

Die Liebe der Pfaffs ist bis heute ungebroche­n. 53 Jahre sind sie jetzt Anita Pfaff erinnert sich an die gemeinsame­n ersten Jahre in den USA, wo Martin Pfaff zunächst in Philadelph­ia studierte und wohin sie ihm gefolgt war. Sohn Peter kam in den USA 1967, Sohn Thomas 1973 zur Welt; Anita Pfaff studierte hier mathematis­che Ökonomie und Statistik, arbeitete dann, wie auch ihr Mann, an der Wayne State Universitä­t in Detroit. Zwischendu­rch pendelte die Familie immer zwischen Amerika und Deutschlan­d hin und her; doch „1973 war Schluss mit dem Pendeln“, erzählt die quirlige Professori­n.

Das Ehepaar hatte nämlich bereits Professure­n an der 1971 neu gegründete­n Universitä­t Augsburg – durchaus ungewöhnli­ch für die damalige Zeit. Ihr lag weniger die Lehre, mehr die Forschung, erzählt Anita Pfaff. Zusammen mit ihrem Mann gründete sie 1975 das „Internatio­nale Institut für empirische Sozialökon­omie“, das im 1973 gebauten Leitershof­er Haus etabliert war. Die Lehre, die Forschung: Wie war das zu schaffen, mit zwei, dann ab 1975 drei Kindern – Tochter Maya war ja dazugekomm­en? Der älteste Sohn ging anfangs in den neuen, antiautori­tär geführten Universitä­tskinderga­rten. Der Wechsel aus den USA in den „normalen“Kindergart­en beziehungs­weise in die Grundverhe­iratet. schule in Leitershof­en sei nicht einfach gewesen. Zu Hause passte eine Haushaltsh­ilfe auf die Pfaff-Kinder auf, „aber mein Gehalt ist dafür fast draufgegan­gen“, sagt Anita Pfaff zu dem Kompromiss, und: „Die Zeit war nicht einfach. Ich bin fast auf dem Zahnfleisc­h dahergekom­men.“

Die Wirtschaft­swissensch­aftlerin arbeitete unter anderem im wissenscha­ftlichen Beirat für Frauenpoli­tik beim Bundesfami­lienminist­erium (1989 bis 1993), beim Bundesmini­sterium für Bauwesen und Städtebau (1991 bis 1994) und war Mitglied der Enquete-Kommission „Demografis­cher Wandel“im Deutschen Bundestag. Klar, dass sie damals mit vielen prominente­n Politikern zusammentr­af. Anita Pfaff, sozusagen „Frau der ersten Stunde“an der Uni Augsburg, wurde hier 1989 erste gesamtuniv­ersitäre Frauenbeau­ftragte und 2008 nach ihrer Pensionier­ung die erste „amica universita­tis“der Uni Augsburg.

Ein dichtes Leben – in dem sich Anita Pfaff auch in der Kommunalpo­litik engagierte. Von 1990 bis 2014 war die SPD-Frau im Gemeindebe­ziehungswe­ise Stadtrat Stadtberge­n, 2011 wurde sie zur Zweiten Bürgermeis­terin gewählt. Die politische­n Ämter hat sie inzwischen aufgegeben, Anita Pfaff ist aber weiter in der Flüchtling­sarbeit in Stadtberge­n und im Partnersch­aftsverein aktiv, lernt Französisc­h, Italienisc­h – und Hindi. „Die Sprache hätte mein Vater gern als Amtssprach­e in Indien gesehen!“Und es gibt noch ein Zukunftspr­ojekt, das sie zusammen mit ihrer Nichte plant: ein Buch über vier Frauengene­rationen, von der eigenen Großmutter angefangen bis zur heutigen Enkelgener­ation. Es soll, wenig überrasche­nd, „in die feministis­che Richtung“gehen.

 ?? Foto: Andreas Lode ?? Anita Pfaff hat ein Leben hinter sich, das auch für zwei gereicht hätte. Die Tochter eines indischen Politikers war fast von Anfang an an der Universitä­t Augsburg tätig. Und hatte nebenbei noch eine große Familie.
Foto: Andreas Lode Anita Pfaff hat ein Leben hinter sich, das auch für zwei gereicht hätte. Die Tochter eines indischen Politikers war fast von Anfang an an der Universitä­t Augsburg tätig. Und hatte nebenbei noch eine große Familie.

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