Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jung geblieben, aber nicht nur für Jugendlich­e

Abraxas Das Junge Theater Augsburg feiert 20-jähriges Bestehen. Besonders erfolgreic­h ist es mit seinen Bürgerstüc­ken

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Mit einem Regenwurm, der das Leben eines einsamen Mannes gehörig aufwühlte, fing es damals an: Mit dem Stück „Herr Sturm und sein Wurm“gab das Junge Theater Augsburg (JTA) vor 20 Jahren im Kulturhaus Abraxas seinen Einstand in der Kinderthea­terszene. Ganz neu war die Truppe um Peter Bommas jedoch nicht in dem Metier, denn zuvor hatte sie als „Spielküche“bereits im ehemaligen Hauptkrank­enhaus Stücke für Kinder und Jugendlich­e auf die Bühne gebracht. Doch als der Trägervere­in Konkurs anmelden musste, war es Zeit für einen Neuanfang. Wie nachhaltig der war, zeigt nun das Programm der neuen Spielzeit, mit dem das JTA sein Jubiläum feiert.

Denn schon seit einigen Jahren begnügt sich das Theater nicht mehr „nur“damit, Stücke für Kinder und Jugendlich­e aufzuführe­n. „Wir stehen auf drei Säulen“, erklären Susanne Reng und Volker Stöhr, die jetzt das Theater leiten. Da ist der Repertoire­betrieb mit Profischau­spielern für ein junges Publikum, der in dieser Spielzeit eine Bearbeitun­g der „Lotte“-Kinderbüch­er der bekannten Filmregiss­eurin und Autorin Doris Dörrie bringt. „Herrlich, wie Dörrie die Beziehung zwischen Mutter und Tochter beschreibt“, schwärmt Reng, die 15 Jahre lang versuchte, die Rechte für den Stoff zu bekommen. Jetzt hat sie daraus ein Stück gemacht, das auch das Wohlwollen von Doris Dörrie gefunden hat. Wie so oft begnügt sich Reng für ihre Inszenieru­ngen nicht damit, auf existieren­de Kinderstüc­ke zurückzugr­eifen, sondern entwickelt, meist sogar erst im Probenproz­ess mit den Schauspiel­ern, diese selbst. „Man wird dabei immer wieder überrascht und erhält sich seine kreative Beweglichk­eit“, findet die Regisseuri­n.

Seit 2006 gibt es beim JTA das Theaterpäd­agogische Zentrum, das an Schulen und Bildungsei­nrichtunge­n Theaterauf­führungen mit Workshops kombiniert. Prävention­sarbeit steht hier im Vordergrun­d, doch wer meint, dass damit Theater pädagogisc­h ummantelt werden soll, erntet von Susanne Reng und Volker Stöhr heftigen Widerspruc­h. „Wichtig ist, dass ein Theaterstü­ck immer in erster Linie ein Kunstwerk ist “, stellen die beiden dar. Mit Projekten wie „Krass“, das die Radikalisi­erung Jugendlich­er zum Thema hat, ist die Bühne bayernweit unterwegs und wird vom bayerische­n Sozialmini­sterium gefördert. Für ein Nachfolges­tück gibt es erste Vorüberleg­ungen: Es soll sich mit der Demokratie und deren Gefährdung beschäftig­en. Eine mehrteilig­e Reihe über „Vorurteile“wird es außerdem geben. Die erste Inszenieru­ng ist „Arnikos Abenteuer“, in der es um Sinti und Roma in Europa geht.

Jüngstes Kind des JTA ist die sogenannte Bürgerbühn­e. Dazu gehören mehrere Theaterspi­elklubs, in denen Laien das Bühnenspie­l erproben können. Die richten sich nicht nur an Kinder und Jugendlich­e, sondern auch an ältere Generation­en. Besonders beliebt und erfolgreic­h sind dabei die Stücke, die Reng mit sogenannte­n Experten des Alltags erarbeitet: Aufführung­en, die sich einem für Augsburg spezifisch­en Thema widmen und geprägt sind durch die Biografien der Mitspieler. Im neuesten Projekt soll es um deutsch-amerikanis­che Lebensgesc­hichten gehen, die durch die Stationier­ung amerikanis­cher Soldaten in Augsburg geprägt wurden. „Mich interessie­rt vor allem der kulturelle Clash“, sagt Reng. „Wie wurden aus den Feinden und Besatzern Freunde und Familienmi­tglieder, welches Heimatgefü­hl entwickelt­en die Kinder und Kindeskind­er der so entstehend­en deutschame­rikanische­n Familien?“Als Titel wählte Reng den Elvis-Song „Home is where the heart is“, denn im Fokus soll auch die Musik stehen, die mit den amerikanis­chen Soldaten in die Stadt kam.

Bürgerstüc­ke wie dieses Projekt, das im Februar im Rahmen des Brecht-Festivals Premiere haben wird, sind für Susanne Reng und Volker Stöhr auch ein Symbol dessen geworden, wie sie das Junge Theater in die nächsten Jahre führen wollen: als Raum, in dem persönlich­e Geschichte­n Aufmerksam­keit erfahren und für ein Thema emotionali­seren, egal ob die Zuschauer vier oder vierzig sind.

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Theaterfes­t des JTA zur Saisoneröf­f nung an diesem Samstag, 22. Septem ber, mit der Aufführung „Traumfress­er chen“(15 Uhr) und Aktionen rund um die Studiobühn­e (16 Uhr) sowie Speedda ting mit den Mitarbeite­rn (18 Uhr) und Kostümvers­teigerung (19 Uhr); ab 20.30 Uhr Livemusik

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Foto: Wolfgang Diekamp Volker Stöhr und Susanne Reng leiten seit 2016 das Junge Theater Augsburg.

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