Augsburger Allgemeine (Land Nord)

London und das Finale einer Interrail-Reise

Interrail K!ar.Texter Simon lässt seine Zugfahrt quer durch Europa auf der britischen Insel ausklingen. Alle paar Tage musste er die Koffer packen und weiterzieh­en. Warum er dieses Abenteuer trotzdem nicht bereut / Serie (4)

- VON SIMON NEIDINGER

London In den letzten Tagen meines Interrail-Abenteuers genieße ich das Sightseein­g in der englischen Hauptstadt London. Ich besichtige Westminste­r Abbey und auch das House of Parliament, das imposant am Themseufer thront. Am nächsten Tag zieht es mich zu einem Riesenrad, das mit 135 Metern zu den höchsten der Welt zählt. Das sogenannte London Eye wird von derselben Firma betrieben, die auch hinter Madame Tussauds, den Großaquari­en von Sea Life und den Legoland-Parks steckt. Und dieses Unternehme­n hat sich ein Ziel auf die Fahnen geschriebe­n: absolute Gewinnmaxi­mierung. Dabei hat es sogar den Namen des Londoner Wahrzeiche­ns verkauft, das Riesenrad heißt nun offiziell „Coca Cola London Eye“.

Nach dem Anstehen an der Kasse folgt dort das Anstehen an der Attraktion und die obligatori­sche Taschenkon­trolle. Doch kurz bevor ich das Riesenrad betrete, werde ich stutzig. Nachdem die Passagiere aus einer Gondel ausgestieg­en sind, gehen zwei Mitarbeite­r mit einem Stab und einem Spiegel in die Gondel und untersuche­n die Unterseite der Sitzbänke. Erst danach dürfen die nächsten Gäste zusteigen. Dass die Terrorangs­t, ähnlich wie in Paris, auch in London sehr groß ist, hatte ich schon vermutet – und das bestätigt sich im Laufe meines Aufenthalt­s. Große Betonblöck­e trennen Fußgänger und Fahrbahn, die umfangreic­he Videoüberw­achung im öffentlich­en Raum ist unübersehb­ar. Diese Form der Kontrollen machte mich dann doch sprachlos.

Am höchsten Punkt angekommen, genieße ich im Riesenrad einen Ausblick auf die Londoner Innenstadt und auf die am Flughafen Heathrow landenden Maschinen, die im Tiefflug über die Metropole gleiten. Im Anschluss an die Fahrt im Riesenrad geht es weiter zur St. Paul’s Cathedral. Die Kathedrale steht in ihrer Bauart in einem starken Kontrast zu anderen englischen Kirchen: Die Säulen und Bögen fasziniere­n mich – und die gigantisch­e Kuppelkons­truktion überragt alles. Steigt man die Treppen hinauf zur Kuppel, bietet sich ein besonderer Blick auf das Kircheninn­ere. Und wer nicht genug hat, kann noch weiter nach oben bis zur Spitze.

Gegen Nachmittag spaziere ich entlang der Themse und besichtige den Tower und die Tower Bridge, die sich majestätis­ch über dem Fluss erhebt. Auf dem Rückweg zu meinem Zimmer entscheide ich mich gegen die U-Bahn und steige in einen der berühmten roten Busse, die sich durch den dichten Verkehr schlängeln. Am folgenden Tag stehen ausschließ­lich Indoor-Aktivitäte­n auf meinem Programm. Nach einem Besuch im heillos überfüllte­n Wachsfigur­enkabinett von Madame Tussauds besuche ich zwei besondere Kaufhäuser in London. Harrods, das wohl berühmtest­e und exklusivst­e Geschäft der Stadt, hat den Ruf, dass der Kunde dort fast alles findet. Und tatsächlic­h: Vom frischen Brot bis zum Fernseher, von Lego bis hin zum 60 000 Pfund teuren Gemälde gibt es dort nichts, das es nicht gibt. Auch die gigantisch­en Markthalle­n und das im Pharaonens­til dekorierte Treppenhau­s bringen mich zum Staunen.

Das zweite Geschäft liegt inmitten der Londoner Innenstadt. Hamleys, einer der ältesten Spielzeugl­äden der Welt, überschütt­et mich mit unzähligen Eindrücken. Was beson- auffällt: Hier wird Spielzeug gelebt. Die Ware steht nicht in den Regalen, sie wird aktiv von Dutzenden Mitarbeite­rn präsentier­t. Bahnt man sich seinen Weg durch den Laden, so muss man aufpassen, nicht von kleinen Fahr- oder Flugzeugen getroffen zu werden. Aber die Atmosphäre beeindruck­t. Es ist ein Laden, den man am liebsten nie wieder verlassen würde.

Und das war sie auch schon, meine Interrail-Reise – dachte ich jedenfalls. Ich hatte nicht vor, etwas über meinen letzten Reisetag von London nach Schwabmünc­hen zu schreiben. Ein ganzer Tag im Zug ist schließlic­h nicht sonderlich spannend. Aber nachdem die Deutsche Bahn förmlich darum gebettelt hat, folgen nun doch noch ein paar Worte zur Heimfahrt: Der Eurostar bringt mich pünktlich bis nach Brüssel. Dort erfahre ich, dass mein ICE nicht von Brüssel nach Frankfurt fährt, sondern nur von Lüttich bis Köln. Also fahre ich mit der Regionalba­hn nach Lüttich und steige dort in den ICE, der Verspätung hat. In Köln angekommen, verkündet mir die Lautsprech­erdurchsag­e, dass die Strecke nach Frankfurt mittlerwei­le wieder frei ist, und so nehme ich den nächsten verspätete­n ICE bis Mannheim. Dort wiederum steige ich in einen ICE nach Augsburg, der ursprüngli­ch eine Stunde Verspätung hatte, aber aufgrund von Verzögerun­gen im Betriebsab­lauf noch eine weitere Stunde im Bahnhof von Stuttgart steht. In Augsburg erreiche ich den letzten Regionalzu­g des Tages und komme gegen Mitternach­t zu Hause an.

Kein ausländisc­her Zug auf meiner Reise hatte mehr als zehn Minuders ten Verspätung. Zufall? Wer weiß. Aber sei’s drum. Es waren zwei spannende und abwechslun­gsreiche Wochen. Und es war auch sehr anstrengen­d. Alle paar Tage hieß es Koffer packen und weiterzieh­en. Jede Stadt hat ein anderes Nahverkehr­skonzept, manche Länder eine andere Währung. Welchen Zug brauche ich und welches Gleis?

Es war auch interessan­t zu sehen, wie viel das Leben in den Städten kostet. Mein Hotel in Brüssel mit kostenlose­r Minibar, Frühstück und unmittelba­rer Nähe zur Metrostati­on war ähnlich teuer wie das spärlich eingericht­ete Zimmer im Londoner Studentenw­ohnheim. Ich bin heimgekehr­t mit vielen neuen Eindrücken. Viele fragen mich jetzt: „Und? Machst du das mal wieder?“Die Antwort ist klar: Ja. Nicht sofort, aber irgendwann bestimmt.

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 ?? Fotos: Simon Neidinger ?? Ein Blick aus dem „London Eye“– dem Auge von London. Seit das Riesenrad im Jahr 2000 eröffnet wurde, ist es ein Touristenm­agnet. Bis zu 25 Personen finden in einer Gon del Platz. Die Fahrgäste schweben über der englischen Hauptstadt, sehen durch die gläsernen Scheiben und genießen das Panorama.
Fotos: Simon Neidinger Ein Blick aus dem „London Eye“– dem Auge von London. Seit das Riesenrad im Jahr 2000 eröffnet wurde, ist es ein Touristenm­agnet. Bis zu 25 Personen finden in einer Gon del Platz. Die Fahrgäste schweben über der englischen Hauptstadt, sehen durch die gläsernen Scheiben und genießen das Panorama.
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Hier lebt die Queen, wenn sie in London ist. Der Buckingham Palace ist die offizielle Residenz der britischen Monarchen.
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Ein Markenzeic­hen der Metropole sind die roten Doppelstoc­kbusse. K!ar.Texter Si mon nutzte die Gelegenhei­t und fuhr mit.

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