Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Bayern ist ein großer Brennpunkt“
Wohnen Während im Nordosten des Freistaates Wohnungen leer stehen, finden im Süden immer mehr Menschen keine bezahlbare Bleibe. Doch auch die Haus- und Grundbesitzer sind verärgert
Augsburg „Suche: Wohnung. Biete: Niere“steht auf einem Schild, das ein junger Mann bei der Demonstration gegen die Wohnungsnot in München hochhält. Monika Schmid-Balzert findet das Schild zwar überspitzt, „es zeigt aber deutlich, dass die Menschen Probleme haben, den Wohnraum zu bezahlen und vor allem Angst vor der Zukunft haben“. Und nicht nur junge Menschen und Familien treibe diese Sorge um, betont die Geschäftsführerin des bayerischen Mieterbundes. Auch viele Rentner könnten die Preise nicht mehr zahlen und drohten in die Altersarmut abzurutschen. „Bayern ist ein großer Brennpunkt“, bringt es SchmidBalzert auf den Punkt und zählt die Städte auf, in denen die Not am größten ist: München, Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Würzburg.
Vor allem im Nordosten Bayerns sehe es dagegen ganz anders aus, erklärt Ulrike Kirchhoff von Haus & Grund in Bayern, „dort stehen viele Wohnungen leer“. Dass es in Ballungszentren und vor allem auch im Süden Bayerns Probleme gibt und die Mieten dort oft hoch sind, leugnet die Vorsitzende der bayerischen Haus- und Grundbesitzer gar nicht. Sie betont aber, dass es sich noch nie jeder leisten konnte, direkt im Zentrum einer Stadt oder in einem schicken Penthaus zu leben. Was die etwa 140 000 Verbandsmitglieder im Freistaat vor allem ärgert, ist die Tatsache, dass sie meist in den Topf mit den großen Finanzinvestoren geworfen werden, für die einzig die Rendite entscheidend ist. Natürlich gebe es auch unter den privaten Vermietern welche, die nur auf ihren finanziellen Vorteil bedacht sind. Das sei aber bei Weitem nicht die Mehrheit: „Die überwiegende Mehrheit der Vermieter in Deutschland aber auch in Bayern sind private Hausbesitzer. Und von ihnen gehen 60 bis 70 Prozent nicht an die Grenzen bei der Mieterhöhung“, sagt Kirchhoff.
Auch würden gerade private Vermieter ihre Mieter über Jahrzehnte halten „und sehen ihre Mieter oft als Partner“. Doch die Vorsitzende beobachtet auch einen steigenden Verdruss unter ihren Mitgliedern, von denen sich viele zu Unrecht von Politik und Gesellschaft gescholten fühlten: „Viele sagen in den Beratungen, ich würde am liebsten alles verkaufen.“Gerade darauf würden viele große Finanzinvestoren nach Einschätzung von Kirchhoff nur warten. Dabei steht für sie fest: Ändert sich der Finanzmarkt eines Tages, werden die großen Finanzinvestoren die ersten sein, die den Wohnungsmarkt verlassen – „private Hausbesitzer bleiben“.
Die Neigung der Finanzinvestoren, in Betongold zu investieren, sieht auch die Chefin des bayerischen Mieterbundes als eine der Hauptursachen der Misere. SchmidBalzert macht aber noch andere Ursachen aus: Boden ist nun mal knapp, die Bodenpreise steigen und auch die Baupreise haben massiv angezogen. Einen einzigen Lösungsweg gibt es für die Juristin nicht. Auch glaubt sie an keine schnelle Lösung. Schließlich sei die Politik gerade auch in Bayern sehenden Auges in das Debakel gelaufen und habe über viele Jahre kaum etwas für bezahlbaren Wohnraum getan.
Jetzt helfe es nicht mehr, wenn nur der Staat baut, betont SchmidBalzert. Entscheidend sei, ein ganzes Maßnahmenpaket zügig umzusetzen. Fest steht, dass man in Großstädten höher und dichter, aber mit Maß und Ziel bauen muss. Ein entscheidender Punkt sei die Stärkung der Genossenschaften. Und sie fordert unter anderem die Abschaffung der Modernisierungsumlage, „eine Deckelung, wie jetzt vorgesehen, reicht hier nicht mehr“. Auch unterstützt sie den Vorstoß der SPD, wonach in besonders angespannten Mietmärkten die Vermieter für einen gewissen Zeitraum die Mieten nur in Höhe der Inflationsrate erhöhen dürfen. Schmid-Balzert geht aber einen Schritt weiter: „Am sinnvollsten wäre es, wenn die Miete generell nur ein Drittel des Einkommens ausmachen dürfte.“
Einen ganz anderen Vorschlag hat Dirk Höpner, Sprecher des Bündnisses München Nord, einem Zusammenschluss mehrerer Bürgerinitiativen: Die Stadt München müsste endlich den Zuzug von Unternehmen steuern. So seien allein 2017 in München über 27000 Arbeitsplätze entstanden, gleichzeitig seien 8000 Wohnungen gebaut worden. Das heißt, die neuen Wohnungen deckten nicht einmal den Bedarf, der durch die neuen Jobs entstanden ist. Dagegen erlebten die Münchner eine extreme Nachverdichtung, die längst die Lebensqualität der Stadt massiv beeinträchtige.
Bürger wehren sich gegen Nachverdichtung