Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Anklage gegen angebliche­n Vergewalti­ger wackelt

Justiz Dass Ömer E. seine Ehefrau nicht immer gut behandelt hat, gibt er selbst zu. Aber hat er seine Frau auch 37 Mal vergewalti­gt, so wie es ihm die Staatsanwa­ltschaft vorwirft? Im Prozess gibt es mehrere Überraschu­ngen

- VON JÖRG HEINZLE

Hat Vanessa E.*, 35, eine jahrelange Ehe-Hölle erleben müssen? Wurde sie von ihrem Mann wiederholt vergewalti­gt, mindestens 37-mal, so wie es in der Anklagesch­rift steht? Seit fast einem Jahr sitzt Ömer E.*, 44, als mutmaßlich­er Sexualstra­ftäter in Untersuchu­ngshaft. Inzwischen hat vor dem Landgerich­t der Prozess gegen ihn begonnen. Doch nach zwei Prozesstag­en scheint sich abzuzeichn­en, dass er gute Chancen hat, bald wieder in Freiheit zu sein. Denn es fehlt bislang an konkreten Beweisen dafür, dass er wirklich ein Vergewalti­ger ist.

Ömer E. bestreitet die Vorwürfe. Er räumt ein, dass es in der Ehe Probleme gab und dass er Vanessa E. nicht immer gut behandelt hat. Aber vergewalti­gt, versichert er, habe er seine Frau nicht. Damit steht Aussage gegen Aussage. Entscheide­nd für das Urteil ist deshalb, welchen Eindruck die Richter der 3. Strafkamme­r von Vanessa E. gewinnen. Bislang allerdings ist das schwierig. Denn am ersten Prozesstag schaffte Vanessa E. es nicht, vor Gericht auszusagen. Sie atmete immer schneller und sagte, sie könne nicht mehr klar denken. Sie leide an einer Panikattac­ke, weil Ömer E. im Gerichtssa­al sei. Das habe sie auch früher schon in seiner Anwesenhei­t gehabt.

Am zweiten Prozesstag scheitert die Vernehmung von Vanessa E. überrasche­nd erneut. Weil die Belastung in der Nacht vor dem Gerichtste­rmin zu groß geworden sei, lasse sie sich jetzt in einer Klinik behandeln, erklärt ihr Halbbruder, der auch als Zeuge aussagt. Nun soll es im Oktober einen dritten Anlauf für die Aussage des mutmaßlich­en Opfers geben. Unterdesse­n gibt es am zweiten Prozesstag eine weitere Überraschu­ng. Eine Freundin von Vanessa E. sagt aus. Sie berichtet, dass Vanessa E. inzwischen eine neue Beziehung eingegange­n sei. Sie über ein Internetsp­iel einen Mann kennengele­rnt, noch während sie mit Ömer E. zusammenle­bte. Irgendwann sei aus der Freundscha­ft dann auch eine Beziehung geworden, das habe ihr Vanessa E. erzählt. Wann genau das passiert ist – ob vor oder nach der Strafanzei­ge gegen den Ehemann – konnte die Freundin aber nicht mehr sagen.

Die Freundin berichtete auch, die Ehe der E.s sei aus ihrer Sicht ein ständiges Auf und Ab gewesen. Vanessa E. habe erzählt, dass sie mit ihrem Mann oft Sex habe, manchmal sei ihr das zu viel. Vanessa E. sei öfter sehr traurig gewesen, sie habe aber erzählt, dass sie früher – vor der Beziehung zu Ömer E. – schon einmal wegen psychische­r Probleme in einer Klinik gewesen sei. Einmal habe Vanessa E. bei ihr angerufen und gesagt: „Ich glaube, er hat mich gerade vergewalti­gt.“Noch am selben Tag, ein paar Stunden später, habe sie aber gesagt, es sei jetzt alles wieder in Ordnung. Ansonsten habe sie nie etwas von erzwungene­m Sex mitbekomme­n, so die Freundin.

Eine Polizistin, die nach Vanessa E.s Anzeige im Juni vorigen Jahres in dem Fall ermittelte, sagte aus, sie habe das mutmaßlich­e Opfer als glaubwürdi­g empfunden. Allerdings habe Vanessa E. auch den Eindruck gemacht, dass sie während der gehabe samten Beziehung zu Ömer E. nie Freude am Sex empfunden hätte. Das Paar hatte sich 2002 kennengele­rnt und 2007 geheiratet. Es gibt drei Töchter, neun, elf und 14 Jahre alt. Laut Anklage sollen die Übergriffe spätestens 2009, nach der Geburt der jüngsten Tochter, begonnen haben. Teils sollen sich die Vergewalti­gungen im selben Zimmer abgespielt haben, in dem auch die jüngste Tochter schlief. Er soll seiner Frau gedroht haben, er werde es an den Kindern „auslassen“, wenn sie nicht zu Sex mit ihm bereit sei.

Ömer E. sagte, er habe „wie ein Hund“um Sex betteln müssen. Als sich seine Frau in einer christlich­en Gruppe engagierte und deshalb am Wochenende oft länger weg war, habe er mit ihr ein Geschäft gemacht. Er habe auf die Kinder aufgepasst, dafür habe er danach mit ihr schlafen dürfen. Moralisch fragwürdig wäre das, aber nicht strafbar. Es wird nun viel davon abhängen, ob Vanessa E. noch aussagen kann und was sie sagen wird. Ohne ihre Aussage, das deutete der Vorsitzend­e Richter Roland Christiani an, wird Ömer E. wohl nicht verurteilt werden. Verteidige­r Thomas Reitschust­er meint, dass man jetzt darüber nachdenken müsse, den Haftbefehl gegen den Angeklagte­n aufzuheben. *Namen geändert

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Wegen des Verdachts der 37 fachen Vergewalti­gung sitzt Ömer E., 44, seit knapp einem Jahr in Untersuchu­ngshaft. Nun läuft der Prozess.
Symbolfoto: Alexander Kaya Wegen des Verdachts der 37 fachen Vergewalti­gung sitzt Ömer E., 44, seit knapp einem Jahr in Untersuchu­ngshaft. Nun läuft der Prozess.

Newspapers in German

Newspapers from Germany