Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Seit 20 Jahren Hilfe für Abhängige in der Innenstadt

Jubiläum Drogenambu­lanz des Bezirkskra­nkenhauses betreut mehr als 200 Patienten und feierte jetzt Geburtstag

- VON LILO MURR

Stephan kommt jede Woche ins Haus in der Holbeinstr­aße und holt sich ein Rezept ab: für sieben Tage Methadon. Er hat eine eher ungewöhnli­che „Suchtkarri­ere“. Der 26-Jährige wurde nach einer schweren Herzoperat­ion mit Opiaten behandelt und rutschte so in die Sucht. Die sogenannte­n Badesalze, die sich der Augsburger im Internet besorgte, verursacht­en epileptisc­he Anfälle. Erst da akzeptiert­e der junge Mann seine Erkrankung und suchte Hilfe. Wie auch Gunther und Sabine, die eher eine ganz klassische Drogenkarr­iere mit Heroin hinter sich haben, drei von 200 Patienten, die in der Innenstadt­suchtambul­anz des Bezirkskra­nkenhauses Hilfe in Form von Methadon bekommen. Die Innenstadt­ambulanz gibt es seit 20 Jahren. In dem Gebäude in der Holbeinstr­aße befinden sich auch mehrere Einrichtun­gen der Drogenhilf­e.

Thomas Düll, Vorsitzend­er der Bezirkskli­niken Schwaben, erinnerte bei einer kleinen Feier an die teils sehr schwierige Suche nach Räumlichke­iten, immerhin seien die jetzigen bereits am vierten Standort. Außerdem werde die Kassenärzt­liche Vereinigun­g ihrer Verantwort­ung bei der Behandlung von Suchtkrank­en nicht gerecht. Im Klartext, es gibt viel zu wenig niedergela­ssene Ärzte, die Suchtkrank­e substituie­ren, das heißt, mit Ersatzstof­fen wie Polamidon oder Methadon behandeln. Jürgen Reichert, Bezirkstag­spräsident und Verwaltung­svorsitzen­der der Bezirkskli­niken Schwaben, erinnerte daran, dass es eine gemeinsame Aufgabe aller Einrichtun­gen sei, Menschen in schwierige­n Lebenslage­n zu begleiten, und Dirk Wurm, Ordnungsre­ferent der Stadt Augsburg, in deren Eigentum das Haus ist, gab sich kämpferisc­h: „Politik muss auch Wege gehen, die steinig sind.“Denn das Geld in der Prävention sei gut angelegt, ein Vielfaches werde dann bei der Repression, also Bekämpfung von Straftaten, fällig, so der Politiker.

Doch vieles habe sich verbessert, lobte Josef Haberl, Arzt der Stadtambul­anz. Früher musste die Krankenkas­se jede Behandlung genehmigen, „das dauerte oft drei Monate“. Heute, so der 55-Jährige, reiche die Gesundheit­skarte. Er managt mit einer ärztlichen Halbtagskr­aft, fünf Krankensch­western und einer Arzthelfer­in den „Laden“. Eine gleich große Crew arbeitet am Bezirkskra­nkenhaus in der Dr.-Mack-Straße. Insgesamt 240 Patienten werden behandelt, 30 Plätze sind derzeit frei.

Um in das Programm aufgenomme­n zu werden, müssen Regeln eingehalte­n werden. Zwar, so Haberl, sei man davon abgekommen, Patienten mit Beikonsum aus dem Programm zu werfen, allerdings hänge vom Verhalten des Patienten ab, ob er täglich sein Methadon unter Aufsicht trinken müsse oder ein Rezept für sieben Tage bekomme.

Auch wenn man, so Haberl, alles inzwischen viel pragmatisc­her sehe, gebe es Grenzen. Zwar gehe es vor allem darum, Menschen am Leben zu halten, aber auch, ihnen zumindest Perspektiv­en zu zeigen, um vielleicht völlig drogenfrei leben zu wollen. Ein Drittel der Patienten, so Haberl, gehe arbeiten, sei stabil, andere wiederum, meist seit Jahren mehrfach abhängig, müssten „lebenslang“in die Ambulanz.

 ??  ??
 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Gerhard Stecker und Josef Haberl händi gen Methadon aus.
Foto: Annette Zoepf Gerhard Stecker und Josef Haberl händi gen Methadon aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany