Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Postfächer sind ein Auslaufmodell
Logistik Die Deutsche Post schließt weitere Postfach-Standorte – zum Beispiel in Welden. Obwohl noch immer Millionen von Briefen in Postfächern landen, rechnet sich das Modell nicht mehr. Über das Ende einer langen Tradition
Welden Schlechte Nachrichten für alle Nutzer eines Postfachs: Immer mehr davon werden geschlossen. Nachdem die Post im vergangenen Jahr eine Gebühr für Postfächer einführte, stehen die Anlagen vielerorts nun vor dem Aus. Es ist das Ende einer langen Tradition. Bundesweit gibt es noch etwa 800000 von den Fächern. Doch wer nutzt sie? Und macht das in Zeiten des Internets überhaupt noch Sinn?
Die 50-Mitarbeiter-Firma Schippl in Welden ist seit Jahrzehnten darauf spezialisiert, Gummiund Kunststoffmaterialien zu produzieren, damit technische Anlagen dicht bleiben. Vor wenigen Tagen bekamen die Mitarbeiter allerdings den Eindruck, dass einem anderen, weitaus größeren Unternehmen in Bonn dieser Idealzustand abgeht. Dem Mittelständler der Späh-Firmengruppe wurde Anfang des Monats von der Deutschen Bundespost das dringend benötigte Postfach gekündigt. „Ein unglaublicher Vorgang“, zürnt der Geschäftsführende Prokurist Manfred Koch, heute noch. Zwar sind ein Großteil der Postfachinhaber Geschäfte und Gewerbebetriebe. Ärger handelt sich der ehemalige gelb-schwarze Staatsbetrieb aber auch bei vielen Privatnutzern im Landkreis ein.
Gerold Beck, Sprecher der Post, erklärt, dass zum Beispiel die Postfachanlage in Welden zum 1. Oktober geschlossen werden soll. Betroffen seien 40 Einheiten, von denen aktuell nur noch 14 belegt seien. Für die Empfänger würden laut Beck dort maximal 40 Briefe pro Tag eingehen, manchmal auch nur zwei. „Daraus ergibt sich, dass die Kundennachfrage für einen wirtschaftlichen Betrieb deutlich zu schwach ist.“
Auf vernünftiges Haushalten in seinem Haus legt auch Manfred Koch großen Wert. Allerdings weiß der Manager um die Bedeutung des lange gratis gehaltenen Postdienstes, der erst 2017 mit einer jährlichen Belegungsmiete von rund 20 Euro weiterbetrieben wurde. „Viele Kunden und Lieferanten arbeiten noch mit Papier.“Wenn in knapp zehn Tagen Schluss ist mit dem seit den Siebzigerjahren erfolgreich eingesetzten Service, käme auf den Postkasten am Firmengebäude eine Menge Arbeit zu. „Wenn der vollgestopft wird mit Sendungen, dann kann es doch passieren, dass manches auf den Boden fällt und beschädigt wird“, befürchtet Koch, der schon den Abzug des offiziellen Postamtes in dem Holzwinkelort bedauerte.
Dass wichtige Briefe und seine geliebte Tageszeitung bald im feuchten Schmutz landen könnten, befürchtet ein anderer Weldener Bürger zwar nicht. Doch für Peter Richter ist das Einstellen der Postfächer eine schleichende Verschlechterung der Dienste in den vergangenen Jahren. Spätestens mit dem Umzug der Postverteilstelle von nach Zusmarshausen in diesem Jahr sei es zu großen Verzögerungen beim Postempfang gekommen. Eigentlich bewirbt der an der Frankfurter Börse geführte Weltkonzern sein Angebot mit dem Argument, „Post schnell zu erhalten und flexibel darauf zugreifen“zu können. Und nach wie vor landet jeder fünfte Brief in Postfächern. Doch Peter Richter macht nach anfänglich guten Erfahrungen mit der Bundespost nun andere Beobachtungen: „Es wurde immer später, und heute stehen die Leute mit Transportkisten noch nach 10 Uhr vor dem Supermarkt und warten auf die Sendungen.“Ende des Monats
sollen schließlich die Türklappen der Postlagerstätte, von der es bundesweit noch 800 000 gibt, zum letzten Mal zufallen. Bei diesem Gedanken meldet Peter Richter Zweifel an: „Zwar hat mit dem Internet der Postverkehr beruflich wie privat seine Bedeutung verloren. Ob aber deswegen die Postfächer überflüssig werden, vermag ich nicht zu beurteilen.“
Eindeutig ist die Angelegenheit für die Urheber der überraschenden Kündigungsschreiben: „Trotz beinahe 60 Millionen Briefen am Tag ist der Trend rückläufig. Zudem sanken nach der Einführung einer regelmäßigen Mietgebühr die NutWelden
zerzahlen bei den Postfächern“, begründet ein Sprecher den Schritt und verweist auf die elektronische Konkurrenz. Sie machte wohl auch dem Erhalt der Anlagen in Langweid und Zusmarshausen den Garaus. Auch sie sollen in diesem Jahr geschlossen wurden.
Die Aufbewahrungsbehälter, die ihren Anfang vor über 150 Jahren mit den „letter boxes“in den USA nahmen, gibt es noch in Adelsried, Bobingen, Diedorf, Fischach, Gersthofen, Großaitingen, Königsbrunn, Langerringen, Meitingen, Neusäß, Schwabmünchen, Stadtbergen, Thierhaupten und Untermeitingen. Noch.