Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weder lieb noch herzig

Film Mythos Romy Schneider war kein Glamour-Star. Ihr Leben verlief tragisch. Wer in ihr nur die Sissi sieht, tut der Schauspiel­erin unrecht. Am Sonntag wäre sie 80 geworden

- VON RUPERT HUBER

Einmal in Venedig: Gleich hat das Motorboot den Markusplat­z erreicht. Die Kirche Santa Maria della Salute haben wir bereits hinter uns gelassen. Plötzlich bricht es aus der bisher schweigsam­en alten Dame heraus: „Da is d‘Sissi g‘fahren!“Glücklich seufzt sie: „Mei, waren das schöne Filme.“

Das ist ja das Dilemma: Die drei Sissi-Filme, die Romy Schneider zwischen 1955 und 1957 gedreht hat, waren Segen und Fluch zugleich. Kein Weihnachte­n vergeht, ohne dass Sissi, die ja eigentlich Sisi (mit einem s) heißt, im Fernsehen herzige Nostalgie verbreitet. Gegen die Rolle der wider historisch­e Wahrheit romantisch verklärten österreich­ischen Kaiserin Elisabeth kämpfte die Schauspiel­erin ihr Leben lang. „Damals hat das ja gepasst“, sagte der Publikumsl­iebling. Zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sollten Juwelen funkeln, Liebe die Politik besiegen und rauschende Bälle den Glanz einer versunkene­n Epoche spiegeln.

Doch schon wenige Jahre später streift Romy Schneider das Habsburger-Korsett ab, in das man sie in Österreich und Deutschlan­d zwängen will. Sie flieht nach Frankreich in die Arme des Frauenschw­arms Alain Delon. Zu Hause nahm man ihr das übel. Romy, eine Heimatverr­äterin wie Marlene Dietrich? Soll doch lieber Berg- und Heidefilme drehen. Aber Frankreich steht auf kluge, leidenscha­ftliche Frauen, die so kämpferisc­h wie sensibel auftreten. Romy gehört dazu wie Jeanne Moreau oder Catherine Deneuve.

An diesem Sonntag wäre die in Wien geborene Schauspiel­erin 80 Jahre alt geworden. Doch bereits am 29. Mai 1982 ist sie mit erst 43 Jahren gestorben – „an gebrochene­m Herzen“, wie Zeitungen kitschig formuliert­en. Da war sie bereits gesundheit­lich angeschlag­en.

In ihrem letzten Film „Die Spaziergän­gerin von San-Souci“spielt sie die Beschützer­in eines jüdischen Jungen, dessen Vater von den Nazis ermordet wird. Eine Rolle, die Romy Schneider viel abverlangt. Alkohol und Medikament­e sollen den Schmerz bekämpfen – vergeblich. Zu dem Zeitpunkt hat sie immer wieder in der bretonisch­en Hafenstadt Quiberon ein Entzugspro­gramm versucht.

Etliche Ursachen für die tragisch verlaufend­e Lebensgesc­hichte liegen in ihrer Kindheit. Romy Schneider war die Tochter eines Schauspiel­er-Ehepaars, das sich bald trennte. Vater war der österreich­ische Bonvivant Wolf AlbachRett­y, Mutter die gebürtige Augsburger­in Magda Schneider. Die zog in den 50er Jahren mit ihrer TeenieToch­ter durch die Filmstudio­s. Als Romy zur Sissi wurde, war die im Kino nicht mehr so gefragte Magda plötzlich auch Film-Mutti.

Viele Jahre später wird Romy Alice Schwarzer erzählen, dass ihr Stiefvater Hans Herbert Blatzheim sie sexuell belästigt hat. 1971 gibt sie in einer Stern-Aktion zu: „Ich habe abgetriebe­n.“Romy Schneider kann keine Sissi mehr sein, das merken jetzt auch geschockte Fans. „Ich bin weder lieb noch herzig. Und ich möchte endlich beweisen, dass ich eine Vollblutsc­hauspieler­in bin“, schreibt sie in ihr Tagebuch. Und sie hat Erfolg.

Dass sie im Nachbarlan­d zum Star wird, liegt an Regisseur Claude Sautet, mit dem sie mehrere Filme dreht, darunter die bezaubernd­e Eine-Frau-zwei-Männer-Geschichte „César und Rosalie“mit Yves Montand und Sami Frey. Sautet, der geschönte Bilder bevorzugt, kann nicht mit Truffaut oder Godard konkurrier­en, aber er hat einen Blick für Romys Ausdruckss­tärke. Gegen das Gesicht, das so viel Leben ausstrahlt, wirken Leinwandgö­ttinnen wie Greta Garbo und Marlene Dietrich wie Figuren aus einem gut ausgeleuch­teten Wachsfigur­enkabinett. Es gibt ein Foto des Stern-Fotografen Robert Lebeck, der sie porträtier­t mit Schirmmütz­e auf dem Kopf, Zigarette im Mundwinkel und einem strahlende­n Lächeln. Aber Romys Gesicht kann auch wie kein zweites im Film so stark Trauer und Verzweiflu­ng tragen, dass der Zuschauer erschrickt.

Gründe dafür hat sie reichlich. Die Ehe mit dem deutschen Schauspiel­er Harry Meyen, Vater ihres Sohnes David, scheitert. 1979 begeht Meyen Suizid, 1981 wird die Ehe mit ihrem Privatsekr­etär Daniel Biasini, Vater ihrer Tochter Sarah, geschieden. Wenig später stürzt der Unfalltod Davids Romy Schneider in eine psychische Krise, die sie nicht mehr bewältigen kann. Einmal bekennt sie: „Ich bin wohl recht unlebbar für mich selbst.“

 ?? Fotos: ARD Degeto, dpa Film, Horst Ossinger/dpa ?? Als „Sissi“wurde sie bekannt, mit Klaus Kinski drehte Romy Schneider 1974 den Film „Nachtblend­e“. Ihr Auftritt mit Zigarette in der Talkshow „Je später der Abend“– ebenfalls 1974 – wurde berühmt.
Fotos: ARD Degeto, dpa Film, Horst Ossinger/dpa Als „Sissi“wurde sie bekannt, mit Klaus Kinski drehte Romy Schneider 1974 den Film „Nachtblend­e“. Ihr Auftritt mit Zigarette in der Talkshow „Je später der Abend“– ebenfalls 1974 – wurde berühmt.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany