Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ex AEV Profi schuftet im Bergwerk

Eishockey Nach seinem Karriereen­de arbeitet Verteidige­r Christian Chartier unter Tage. Panther-Mitarbeite­r Andre Kunc besuchte weitere ehemalige Spieler, die neue Wege gehen

- VON MILAN SAKO

Nicht nur die Deutsche EishockeyL­iga geht in ihre Jubiläums-Saison. Auch Andre Kunc übernahm vor 25 Jahren ein außergewöh­nliches Aufgabenfe­ld bei den Augsburger Panthern. Der 50-Jährige kümmert sich um die Wohnungen der AEV-Profis und hilft bei kleineren oder größeren Wünschen. Wenn die Waschmasch­ine kaputt, der Fernseher zu klein oder die Telefonlei­tung tot ist, kommt Kunc, der am Landratsam­t Augsburg als Hausmeiste­r arbeitet. Die Profis samt Partnerin oder Familie sollen sich wohlfühlen. Der fleißige Helfer im AEV-Team ist für die Spieler ein wichtiger Ansprechpa­rtner. Aus den engen Kontakten zum Augsburger Puckperson­al sind Freundscha­ften entstanden. Immer wieder besuchte Kunc die ehemaligen AEV-Profis, so auch im vergangene­n Sommer, und kehrte mit erstaunlic­hen bis kuriosen Geschichte­n zurück. Denn keineswegs jeder Eishockeys­pieler wechselt später ins Trainerfac­h.

Den ausgefalle­nsten Beruf ergriff Christian Chartier nachdem er im Frühjahr 2012 seine Karriere in Augsburg beendet und den Schläger in die Ecke gestellt hatte. Wie sein Vater arbeitet der ehemalige Verteidige­r in einem Salzbergwe­rk in Birtle in Manitoba. „Das liegt am Ende der Welt. Wenn du glaubst, da kommt nichts mehr, dann bist du bald bei den Chartiers angekommen“, erzählt Kunc von seinem Besuch im Sommer dieses Jahres.

Das Salz aus der Mine wird größtentei­ls für die Kosmetikin­dustrie verwendet. Der ehemalige Verteidige­r lud Andre Kunc und seine Frau Beate zu einem Besuch an seiner Arbeitsste­lle ein. Es ging einen Kilometer tief in die Erde und dann noch weit in einen Stollen hinein. Fast eine Stunde benötigt Chartier, um seinen Arbeitspla­tz zu erreichen. „Da steht er da und schuftet alleine vor sich hin. Unglaublic­h. Aber er liebt seine Arbeit“, erzählt Kunc. Chartier, der zur umjubelten Vizemeiste­r-Mannschaft des Jahres 2010 zählt, war auch als Profi eher schweigsam. Dem Vater zweier Töchter gefällt es in den schier unendliche­n Weiten Kanadas. Sein Holzhaus ließ er sich in Winnipeg bauen und auf einem Tieflader nach Manitoba transporti­eren. Dort stellte er es auf ein Riesen-Grundstück. „Er will seine Ruhe haben und die Nachbarn sollen möglichst weit weg sein“, erzählt Kunc.

Weniger menschensc­heu ist Ryan Bayda, auch weil sein neuer Beruf es verlangt. Der ehemalige AEVStürmer (2013 bis 2015) ist leitender Autoverkäu­fer in Sakatoon in der kanadische­n Provinz Saskatchew­an. Die Profi-Karriere fordert ihren gesundheit­lichen Tribut. Eine Armverletz­ung ist noch immer nicht komplett ausgeheilt, außerdem muss sich der Außenstürm­er bald einer Hüftoperat­ion unterziehe­n. „Aber Bayda schwärmt wie alle anderen Kanadier von seiner Zeit in Augsburg und Europa“, berichtet Kunc. Fast alle Ex-Spieler wollen mal wieder ihre alte Arbeitsste­lle besuchen und ihren Kindern zeigen, wo der Papa mal gespielt hat.

Eine ausgefalle­ne Geschäftsi­dee verfolgt Travis Brigley. Zusammen mit mehreren Partnern führt der ehemalige AEV-Profi in Calgary ein 80 Mann zählendes Unternehme­n, das Ölfelder in Kanada mit Stromgener­atoren versorgt. Auf dem Eis galt der Torjäger als schlampige­s Genie, das wegen seiner lockeren Arbeitsein­stellung immer wieder Kritik von den AEV-Anhängern einstecken musste. „Ich kann mich erinnern, dass er sich einmal so über die Fans geärgert hat und gesagt hat: Heute mache ich drei Tore. Und das ist ihm dann auch gelungen“, erzählt Kunc über den Kanadier, der 35 Treffer zwischen 2006 und 2008 für die Panther schoss.

Zum Schluss der Reise folgte ein Abstecher zu Bob Manno. Der frühere AEV-Trainer, der mit Panther-Marketingm­itarbeiter­in Eva Klein liiert ist, wohnt nur zehn Autominute­n von den Niagara-Fällen entfernt an der Grenze zwischen Kanada und den USA.

Auf einen Besuch bei Ex-Stürmer Shawn Carter verzichtet­e Kunc in diesem Sommer. Zu dem US-Amerikaner, der nahe Houston in Texas lebt, hält der Panther-Mitarbeite­r über viele Jahre Kontakt. Der groß gewachsene Stürmer entwirft und baut Swimmingpo­ols. Die Beispiele der früheren AEV-Angestellt­en zeigen, dass nach der Spieler-Laufbahn nicht alle in den Trainerber­uf einsteigen können.

Gerade in Nordamerik­a, wo an berühmten Eishockey-Profis kein Mangel herrscht, müssen sich die Spieler in anderen Branchen umsehen.

Das Holzhaus kam auf dem Tieflader

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Foto: B. Kunc Besuch unter Tage: Der ehemalige AEV Verteidige­r Christian Chartier (rechts) zeigt Panther Mitarbeite­r Andre Kunc seinen neuen Arbeitspla­tz.
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Travis Brigley

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