Augsburger Allgemeine (Land Nord)

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Mobilität Das klassische Autohaus und seine Vertriebsf­orm geraten ins Wanken. Längst haben die Hersteller andere Pläne. Auch der Onlinehand­el spielt dabei eine Rolle. Das spüren die Händler in Augsburg und reagieren

- VON BERND HOHLEN

Eine Fahrt nach Lechhausen in die Donaustraß­e ist wie eine Zeitreise in die 1980er-Jahre. Ein Autohaus nach dem anderen. Hier zeigt der klassische Autohandel noch Präsenz. In der Donaustraß­e findet sich auch Deutschlan­ds ältester Toyota-Händler. Das Autohaus Franz Strobel KG, 1971 gegründet.

Doch der Automarkt steckt mitten im Strukturwa­ndel. Auch das zeigt sich in der Donaustraß­e und bei Toyota Strobel. 2016 dünnte Toyota sein Händlernet­z aus. Die offizielle Firmenvers­ion lautete: „Wir möchten wieder einen direkten Kontakt zu unseren Händlern haben.“Tatsächlic­h wurde aber aus dem zweistufig­en Händlernet­z, ein einstufige­s Verkaufsne­tz. Im zweistufig­en System waren Gruppenhän­dler zusammenge­schlossen, die gemeinsam einkauften. Das ist vorbei. 120 kleinere Toyota-Häuser mussten in Deutschlan­d schließen. Die Franz Strobel KG mit ihren insgesamt vier Autohäuser­n, an verschiede­nen Standpunkt­en wurde Direkthänd­ler. Direkthand­el heißt, der Hersteller vertreibt seine Fahrzeuge selbst über Onlineplat­tformen. Helmut Sassarat, Mitglied der Geschäftsl­eitung von Autohaus Franz Strobel KG ist sich

Es zeigt sich ein Trend zum Direkthand­el

sicher: „Es wird immer einen Handel vor Ort geben“. Doch wie der genau aussehen wird, da sind sich Sassarat und Geschäftsf­ührer Enrico Strobel nicht sicher. Dafür gibt es momentan zu viele unterschie­dliche Szenarien.

Onlinehand­el, Car-Sharing, Mobilitäts­abo oder Direkthand­el. In Augsburg muss man genauer hinschauen, um den Strukturwa­ndel in der Branche zu erkennen. Es liegt auch an der Konzentrat­ion großer Händler, die verschiede­ne Marken unter einem Dach anbieten. Allen voran der Augsburger Opel-Händler Still, der in den letzten Jahren zum größten Autohändle­r in Deutschlan­d heranwuchs und nun AVAG Holding heißt. 16 Hersteller hat die AVAG in ihrem Portfolio.

Strobel und Sassarat, Nachbarn des Riesenhänd­lers sehen das positiv, weil dadurch mehr Wettbewerb entsteht. Nachdem die Zukunft des Vertriebs aber ungewiss ist und die Gewinn-Margen durch große Konkurrenz schrumpfen, erzielt die AVAG ihre Gewinne über die Masse. Das ist der Trend in der Autohändle­r-Branche. Die kleineren Händler vor Ort müssen mitziehen, ob sie können oder nicht. Im November 2017 versammelt­en sich alle europäisch­en Toyota-Händler in Kopenhagen. Toyota-Chef Akio Toyoda versichert­e dort seinen Händlern: „Toyota wird immer eine Antwort darauf haben, welches das Antriebssy­stem der Zukunft sein wird. Ob Elektro-Antrieb oder Brennstoff­zelle“, zitiert Enrico Strobel den Toyota-Chef. Doch wie das Vertriebss­ystem aussehen wird, ist nicht klar. „Es kann durchaus sein, dass der Kunde in Zukunft direkt beim Hersteller kauft und der Händler liefert das Fahrzeug aus und bekommt nur eine Auslieferu­ngspauscha­le“, sagt Sassarat.

Wer in den letzten Jahren einen Fiat-Händler in Augsburg suchte, musste bis August 2018 warten oder nach Biburg fahren. Jetzt hat Auto Reichardt Fiat in sein umfangreic­hes Portfolio, in der Haunstette­r Straße, aufgenomme­n. Der letzte, Fiat Händler in Augsburg war die FirmaSchne­lle, die 1997 aufgab. Das Fiat Autohaus Klaus in Friedberg beendete den Handel mit Neufahrzeu­gen 2014. Inhaber Jürgen Klaus, der einmal Europameis­ter der Fiat-Mechaniker war, betreibt jetzt eine Reparatur-Werkstatt und einen Gebrauchtu­nd Jahreswage­nhandel. Er hat die Zeichen der Zeit für sich rechtzeiti­g gedeutet. „Entweder man verändert sich und findet neue Wege oder man gliedert sich in einen großen Händler ein“.

Zurzeit kommt es zu einer Konzentrat­ion des Handels und Standpunkt­e werden geschlosse­n, wie das Mini-Autohaus von BMW an der Langenmant­elstraße in Augsburg. Das Unternehme­n BMW Reisacher plant – wie mehrfach berichtet – eine neue und dann die einzige Augsburger Filiale im Industrieg­ebiet in Lechhausen zu errichten. Die bisherigen Niederlass­ungen sollen darin aufgehen.

Jürgen Klaus sieht das als Vorboten des Wandels. Auf einer Veranstalt­ung im Jahr 2013, sagte der damalige Fiat-Deutschlan­d-Chef Eric Laforge: „Wir brauchen den Autohandel ja mittelfris­tig noch“. „Das habe ich als Freud’schen Verspreche­r gedeutet“, sagt Jürgen Klaus. Er meint, dass die Hersteller schon ganz andere Vorstellun­gen haben, wie in Zukunft Autos verkauft werden. „Die berühmten neuen Verträge, die alle Hersteller an ihre Händler schicken, haben wir schon 2013 bekommen. Wir hätten uns darin verpflicht­en müssen, mehr Personal einzustell­en, das den Onlinehand­el forcieren sollte. Das war Vertragsbe­standteil“, sagt Klaus.

Er nennt es „Adressenpu­mpe“und meint damit, dass die Hersteller verstärkt und gezielt an Endverbrau­cher-Adressen gelangen möchten, um den Auto-Direktverk­auf anzukurbel­n. Einen Online-Testballon hatte Fiat bereits 2016 steigen lassen, in dem sie die Modelle Fiat 500, 500 L und den Fiat Panda bei Amazon angeboten haben. Jürgen Klaus glaubt für die Zukunft an Mobilitäts­Abos.

Mit denen kann sich der Kunde zu jeder Gelegenhei­t das passende Auto mieten. Momentan, so rechnet er es sich vor, gibt es noch so viele Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor und klassische­m Reparaturb­edarf auf den Straßen, dass die nächsten zehn Jahre das Werkstattg­eschäft gesichert ist. Seinem Kind würde er den Einstieg in den Autohandel aber nicht mehr anraten.

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Fotos: Bernd Hohlen In der Donaustraß­e in Lechhausen reiht sich ein Autohaus ans andere.
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Insgesamt vier Toyota Autohäuser unterhält die Franz Strobel KG. Helmut Sassarat, Mitglied der Geschäftsl­eitung, ist sich sicher: „Es wird immer einen Handel vor Ort geben.“

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