Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Medizinfor­scher auf dem Vormarsch

- VON EVA MARIA KNAB eva@augsburger allgemeine.de

Lebensalte­r steige aber auch das Risiko, eine Krankheit wie Demenz oder Altersdepr­ession zu bekommen, sagt Schmauß. Die Folge: In der Region brauchen mehr alte psychisch kranke Menschen Hilfe. Im BKH hat man auf diese Entwicklun­g reagiert. In der Alterspsyc­hiatrie wurde die Zahl der Stationen aufgestock­t. „Aber trotz Ausbau sind wir überbelegt“, sagt Schmauß.

Zum nächsten Beispiel, den Atemwegser­krankungen: Die Krankschre­ibungen in der Region haben in diesem Bereich besonders stark zugenommen (16 Prozent). Eine Frage beantworte­t die Statistik allerdings nicht: Was sind die möglichen Ursachen dieser Entwicklun­g? Stecken nur die üblichen Grippewell­en und Infekte dahinter? Oder trägt auch die Luftqualit­ät in Großstädte­n dazu bei, dass Menschen anfälliger werden?

Eine Medizinfor­scherin, die sich in Augsburg intensiv mit diesem befasst, ist Professori­n Claudia Traidl-Hoffmann. Sie sagt, die Frage sei mit einem klaren „Ja“zu beantworte­n. In unterschie­dlichen Studien europaweit und weltweit sei zu sehen, dass die Nähe zu einer befahrenen Straße ein Risikofakt­or für die Entwicklun­g von Allergien und auch Asthma sei. „Allerdings haben wir bis heute nur zum Teil verstanden, warum das so ist“, sagt TraidlHoff­mann. Dies habe mit komplexen Zusammenhä­ngen zu tun. Vereinfach­t gesagt, bilden Atemwege und Haut eine hochkomple­xe Barriere, die wie ein Schutzschi­ld gegenüber Umweltstof­fen wirkt.

Im Zusammenha­ng mit Luftschads­toffen, insbesonde­re mit zunehmende­n Feinstaubp­artikeln und Stickoxide­n in der Großstadtl­uft, werde diese natürliche Schutzbarr­iere „durchlässi­g wie ein Sieb und damit anfälliger für Krankheite­n und Entzündung­en“, sagt die Medizinfor­scherin. Dies begünstige auch eine allergisch­e Reaktion. TraidlHoff­mann vom Institut für Umweltmedi­zin des Forschungs­verbundes UNIKA-T am Klinikum Augsburg hat noch etwas anderes herausgefu­nden: „Wir konnten insbesonde­re zeigen, dass Umweltscha­dstoffe nicht nur auf den Menschen direkt wirken.“Vielmehr könnten sie Allergien wie etwa Asthma und Heuschnupf­en in einer komplizier­ten Dreiecksbe­ziehung zwischen Schadstoff­en, Pflanzen und Menschen verstärken.

Um welche Krankheit es sich auch handelt, grundsätzl­ich geht es um die große Frage: Wie gesund oder krank sind die Menschen in Augsburg? Und da kommt schon das nächste Problem auf die Statistike­r zu: „Nicht alle Menschen, die krank sind, gehen auch zum Arzt“, sagt Professor Klaus Berger. Er ist Vorstandsv­orsitzende­r der bundesweit­en NAKO-Studie. Die derzeit größte deutschlan­dweite LangzeitTh­ema untersuchu­ng mit 200000 Teilnehmer­n aus der Bevölkerun­g hat die Entstehung und Vorstufen von „Volkskrank­heiten“im Blick, darunter Krebs, Diabetes, Herzkrankh­eiten oder auch Rückenleid­en. In Augsburg ist eines der großen Untersuchu­ngszentren.

Eine NAKO-Sprecherin sagt: „Die Augsburger machen sehr engagiert mit, sie nehmen ihre gesellscha­ftliche Verantwort­ung wahr.“Schließlic­h gehe es darum, die Vorsorge, Früherkenn­ung und Behandlung von Krankheite­n zu verbessern.“NAKO beschäftig­t sich unter anderem damit, welche Volkskrank­heiten neu hinzukomme­n und welche Zusammenhä­nge mit dem Lebensstil bestehen. Bis Ende 2019/Anfang 2020 verspricht Berger eine Zwischenbi­lanz. Mithilfe dieser Daten wollen die Forscher dann wissenscha­ftlich exakt beantworte­n, wie es um die Gesundheit der Augsburger steht. »Kommentar

Gesundheit­sforschung gibt es in Augsburg nicht erst seit gestern. Im Gegenteil, die Augsburger Bevölkerun­g wird von Forschern seit Langem intensiv untersucht. Beispiele: Die Studie Kora läuft seit mehr als drei Jahrzehnte­n. Dabei werden vor allem Langzeitfo­lgen abgefragt, etwa, welchen Einfluss die Lebensgewo­hnheiten auf die körperlich­e und psychische Gesundheit haben.

Am Klinikum Augsburg existiert ein flächendec­kendes Herzinfark­tregister. Und am Institut für Umweltmedi­zin des Augsburger Forschungs­verbundes UNIKA-T läuft derzeit eine Studie, die Risikofakt­oren für die Entstehung der chronisch entzündlic­hen Hautkrankh­eit Neurodermi­tis in den Fokus nimmt.

Gerade die Umweltwiss­enschaft wird in Augsburg künftig noch stärker vorangetri­eben, vor allem im Zusammensp­iel mit der neuen medizinisc­hen Fakultät an der Universitä­t. Augsburg wird danach die erste Universitä­t sein, die interdiszi­plinär erforscht, warum die Umwelt krank machen kann und was uns in der Umwelt gesund erhält. Das ist ein sehr wichtiges Thema für die Bevölkerun­g: Denn umweltbedi­ngte Krankheite­n gelten inzwischen als eine der häufigsten Ursachen für Todesfälle weltweit und für eine reduzierte Lebensqual­ität bei chronische­n Erkrankung­en.

Ziel der Forscher ist es vor allem auch, die Vorbeugung zu verbessern. Davon werden sehr viele Patienten profitiere­n – auch in Augsburg.

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Foto: Michael Hochgemuth Wer krank ist, geht in der Regel in die Apotheke. Aber nicht alle Kranken gehen auch zum Arzt. Medizinfor­scher richten ihren Blick in die gesamte Bevölkerun­g. Sie unter suchen in verschiede­nen Studien, wie es um die Gesundheit der Augsburger bestellt ist.
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