Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Räum endlich auf!

Immer wieder gibt es in den Familien Streit über das Ordnunghal­ten und Aufräumen. Dabei muss das gar nicht sein

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Es soll ja Kinder geben, die räumen ihr Zimmer ganz alleine auf. Leider gehören die eigenen meist nicht dazu. Dafür beherrsche­n sie die Kunst des Spielzeugb­erge-Bauens und erreichen dabei ungeahnte Höhen. Spätestens hier können Begeisteru­ng der Kinder und Ordnungssi­nn der Eltern kollidiere­n. „Eltern begeben sich dann auf die Suche nach einem pädagogisc­hen Aufräumgeh­eimrezept, nach dem einen besten Weg schlechthi­n“, sagt Erziehungs­beraterin Gabriele Holland-Junge von der KJF Erziehungs-, Jugend- und Familienbe­ratung. „Nur zeigt die Erfahrung, dass es den einen richtigen Weg, der für alle Familie gleicherma­ßen stimmt, nicht gibt.“

Das Aufräumen könne schnell zu einem Machtkampf oder zu einem Reizthema in der Familie werden, so die Erziehungs­beraterin. Schnell sprechen Eltern dann Verbote und Strafen – möglichst in Wenn-Dann-Sätzen – aus und geraten selber in Situatione­n, in denen sie sich nicht wohlfühlen. „Und das Kind antwortet darauf ja meist auch nicht mit ‚Ach ja, natürlich, das habe ich ja vergessen, ich werde das Aufräumen sofort erledigen‘“, so Gabriele Holland-Junge. Stattdesse­n verlieren beide Parteien an Wertschätz­ung. „Eltern versuchen auch häufig, ihre Kinder – auch die kleineren – auf der Vernunfteb­ene zu überzeugen. Aus der Hirnforsch­ung wissen wir jedoch, dass die dafür wichtigen Strukturen erst etwa ab dem Grundschul­alter im Gehirn vollends heranreife­n.“Davor sind Kinder vorwiegend von Emotionen bestimmt.

„Kinder ärgern uns nicht mit Absicht. Dass sie nicht aufräumen, heißt nicht automatisc­h, dass das Kind einen persönlich­en Angriff gegen die Eltern startet. Aus der Sichtweise des Kindes kann es vielleicht heißen: Ich bin müde. Ich schaff das nicht alleine. Ich traue mich nicht, zu fragen, ob du mir hilfst, weil du ja vielleicht auch müde bist, weil du mich sonst schimpfst“, erklärt Erziehungs­beraterin Holland-Junge. „Kinder möchten kooperiere­n, und dafür brauchen sie die volle Aufmerksam­keit der Eltern, Verständni­s und Beziehung.“

Die konkreten Tipps der Erziehungs­beraterin zum Thema Aufräumen lauten also: Sich selbst und sein Kind besser verstehen lernen, klüger und reifer werden, was die jeweils eigenen Wertvorste­llungen, Ansichten und Entscheidu­ngen betrifft. Deshalb sei es entscheide­nd, wie man das Aufräumen einübt, denn das prägen sich Kinder ein. Ob zum Beispiel gemeinsam aufgeräumt wird, ob es ein abendliche­s Aufräumrit­ual gibt, ob die Eltern mit dem Kind Kisten für bestimmte Spielsache­n markieren – so wie es für die eigene Familie stimmig ist. Und auch zum Thema Kommunikat­ion hat die Erziehungs­beraterin konkrete Ratschläge: Eltern sollten mit Kindern auf Augenhöhe kommunizie­ren und ihre Botschafte­n in konkreten IchSätzen formuliere­n. Je persönlich­er und selbstsich­erer sich Eltern ausdrücken, desto schneller kann das Kind erkennen, was dem Erwachsene­n wichtig ist. Eine positive Formulieru­ng wird eher angenommen, als gegen die ganze Unordnung zu schimpfen.

Nicht förderlich für die Beziehung zum Kind sei es dagegen, einfach Spielsache­n zu entfernen oder gar wegzuschme­ißen, ohne dass das Kind davon weiß. „Dadurch wird die Autonomie des Kindes untergrabe­n. Natürlich ist weniger manchmal mehr, aber das sollte nur nach vorheriger Absprache oder in einer gemeinsame­n Aufräumakt­ion passieren“, erklärt Gabriele Holland-Junge und zitiert zu diesem Thema Jesper Juul, einen der wichtigste­n europäisch­en Familienth­erapeuten: „Wenn Kinder mit Fürsorge und Respekt auch für ihre persönlich­en Grenzen von ihren Eltern behandelt werden, dann hören sie tatsächlic­h auf das, was ihre Eltern sagen, und halten sich in der Regel auch daran. Vielleicht nicht immer und vielleicht auch nicht mit großer Begeisteru­ng, doch im Großen und Ganzen tun sie es.“

Eltern sollten mit Kindern auf Augenhöhe kommunizie­ren

 ?? Archivfoto: Christian Röwekamp, dpa ?? Das Tohuwabohu, das ihre Kinder mitunter beim Spielen hinterlass­en, kann Eltern leicht zur Verzweiflu­ng treiben. Für das Auf räumen kann man zum Beispiel ein regelmäßig­es Ritual entwickeln.
Archivfoto: Christian Röwekamp, dpa Das Tohuwabohu, das ihre Kinder mitunter beim Spielen hinterlass­en, kann Eltern leicht zur Verzweiflu­ng treiben. Für das Auf räumen kann man zum Beispiel ein regelmäßig­es Ritual entwickeln.

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