Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Beendet er Kauders Rekordamts­zeit?

Porträt Heute wählt die Unionsfrak­tion ihren Chef. Eigentlich eine Formalie. Doch die Stimmung hat sich gedreht. Fraktionsv­ize Ralph Brinkhaus könnte eine Chance haben

- Foto: Imago

Diesen Rekord wird Volker Kauder so schnell niemand streitig machen: Schon seit Januar 2015 ist der 69-Jährige der am längsten amtierende Vorsitzend­e der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. An diesem Tag überholte er Alfred Dregger, der dieses Amt von Oktober 1982 bis November 1991 innehatte. Doch am heutigen Dienstag – schneller als gedacht – könnte die Amtszeit Kauders abrupt zu Ende gehen. Wenn die Unionsfrak­tion um 15 Uhr zusammenko­mmt, um turnusgemä­ß ein Jahr nach der Bundestags­wahl ihren Chef zu wählen, gibt es erstmals einen Gegenkandi­daten, der den engen Merkel-Vertrauten herausford­ert: Fraktionsv­ize Ralph Brinkhaus aus Gütersloh.

Als dieser im Sommer seinen Hut in den Ring warf, war das eine faustdicke Überraschu­ng. Das Mitglied der einflussre­ichen Landesgrup­pe Nordrhein-Westfalen, zuständig für Haushalt, Finanzen und Kommunalpo­litik, hatte bislang unauffälli­g im Hintergrun­d gewirkt. Entspreche­nd gering wurden seine Chancen eingeschät­zt, tatsächlic­h gewählt zu werden. Zwar sei es wahrschein­lich, dass Kauder einen „Denkzettel“bekomme, da ihm etliche Unionsabge­ordnete die bedingungs­lose Treue zu Merkel übel nehmen, hieß es intern, aber mehr als 30 Prozent der Stimmen seien für Brinkhaus nicht drin. Doch inzwischen hat sich die Stimmung gedreht. Der Fall Maaßen sorgt auch in der

Union massiv für Unruhe. Damit schlägt die Stunde von Brinkhaus, der schon zu Schulzeite­n zur CDU kam.

In Interviews beschreibt er sich als „Brückenbau­er“, wenn es unterschie­dliche Meinungen gebe. Er wolle die Fraktion zusammenha­lten, gleichzeit­ig aber auch unabhängig­er von der Regierungs­chefin machen. Es gehe in diesen Zeiten darum, die Demokratie aus tiefstem Herzen zu stützen. „Meine größte Sorge gilt dem Zusammenha­lt dieses Landes. Da ist in den vergangene­n drei Jahren etwas kaputtgega­ngen, sagt der 50-Jährige, der nach dem Studium der Wirtschaft­swissensch­aften an der Universitä­t Hohenheim als freier Steuerbera­ter gearbeitet hat und seit 2009 als direkt gewählter Abgeordnet­er des Wahlkreise­s Gütersloh dem Bundestag angehört. Seine Kandidatur will er dagegen ausdrückli­ch nicht als Kampfansag­e an Merkel sehen. Vielmehr will er mit einem konservati­veren Kurs seinen Beitrag leisten, um AfD-Wähler zurückzuge­winnen. Genau das ist es, was viele Abgeordnet­e hören wollen. Auch über Kauder verliert er kein böses Wort, er ist nicht der Typ, der in den Hinterzimm­ern um Stimmen feilscht.

Für wen das Herz von Ralph Brinkhaus außerhalb der Politik schlägt, zeigt ein flüchtiger Blick auf seinen Schreibtis­ch. Da steht ein weißer Keramik-Geißbock. Der Westfale ist Mitglied im 1. FC KölnFanclu­b des Bundestags.

Martin Ferber

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