Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Fünf Gamsbärte für einen ICE

- VON SARAH RITSCHEL sari@augsburger allgemeine.de

Es sollte ein entspannte­r Abend werden. Erst einkaufen in München, danach ins Theater. Mit dem Zug von Augsburg aus, das schont die Nerven besser als der Mittlere Ring. Dann, noch nicht am Bahnsteig, kommt die Erkenntnis in Gestalt zweier Trachtentr­äger. Es ist ja Wiesn! Oder: Die schlimmste Zeit, um mit dem Zug nach München zu fahren. Dort häufen sich zur besten Kaffeezeit am Gleis schon die Biertragel­n voller Leergut, die Mülleimer sind zum Brechen voll. Manche Oktoberfes­tBesucher auch, wie sich herausstel­len wird – und zwar noch bevor sie ein Festzelt überhaupt nur aus der Entfernung gesehen haben.

In der Fußgängerz­one reiht sich ein Trachten-Pop-up-Store an den nächsten. Spezialang­ebot: „Bavarian Hats“, echte Gamsbärte zum Sonderprei­s für 3,99 Euro. Im Theater kann man die nicht brauchen: „My Fair Lady“wird gespielt, auf Bairisch. Wer hier in Tracht kommt, der trägt sie aus Tradition. Doch kaum tritt man nach dem Schlussapp­laus hinaus auf die Straße, kommt die Realität mit Martinshor­n: Sanitäter laden die Alkohollei­chen ein. Die, die noch stehen können, fahren mit dem letzten Regionalzu­g. Das ist auch Tradition. Genauso wie die Entscheidu­ng, an so einem Tag das BayernTick­et in den Müll zu werfen und auf den volksfestf­reien ICE umzusteige­n – selbst wenn er fünfmal so teuer ist wie ein echter Gamsbart.

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