Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Seit acht Monaten im Visier der Mordermitt­ler

Justiz Nach dem Tod seiner 91-jährigen Mutter in einem Diedorfer Heim kam ein Mann vorübergeh­end in Haft. Er ist zwar längst wieder frei, doch er gilt noch immer als Beschuldig­ter. Sein Anwalt will das nicht mehr lange hinnehmen

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Es ist einer massiver Vorwurf. Ende Januar ist ein 63-jähriger Mann aus Dinkelsche­rben verhaftet worden. Die Ermittler hatten den Verdacht, dass er seine 91 Jahre alte Mutter ermorden wollte. Die Seniorin war nach einem Klinikaufe­nthalt vorübergeh­end in einem Pflegeheim in Diedorf untergebra­cht. Dort bemerkte eine Pflegerin nachts, dass die Frau Schaum vor dem Mund hatte. Ein Notarzt wurde gerufen, die Frau überlebte. Die Ärzte vermuteten, dass ihr das Hormon Insulin verabreich­t worden sein könnte, das zuckerkran­ke Menschen nehmen müssen. Es kann in höheren Dosen tödlich sein.

Weil der Sohn noch am Abend seine Mutter besucht hatte, geriet er unter Verdacht. Allerdings kam der 63-jährige Rentner nach rund zwei Monaten wieder aus der Untersuchu­ngshaft frei. Untersuchu­ngen in der Rechtsmedi­zin in München hatten keinen Beleg für eine derartige Vergiftung ergeben. Es gebe keinen „dringenden Tatverdach­t“mehr, teilte die Staatsanwa­ltschaft damals mit. Das Ermittlung­sverfahren gegen den Mann lief aber weiter. Es ist bis heute noch nicht abgeschlos­sen. Offiziell ist der 63-Jährige noch immer Beschuldig­ter in einem Fall von versuchtem Mord.

Ralf Schönauer, der Rechtsanwa­lt des Mannes, ärgert sich darüber. Gerade in einem kleineren Ort wie Dinkelsche­rben sei das nicht einfach. „Die Menschen denken sich, wenn das Verfahren so lange dauert, dann wird schon was dran sein.“Für seinen Mandanten sei es eine große Belastung, dass er seit inzwischen mehr als einem halben Jahr eines schweren Verbrechen­s beschuldig­t werde. Der Rechtsanwa­lt geht davon aus, dass das Verfahren früher oder später eingestell­t wird. Nach seinen Informatio­nen fehlt aber noch ein Untersuchu­ngsbericht der Rechtsmedi­zin. Auch die Ermittler bei Kripo und Staatsanwa­ltschaft warten darauf offensicht­lich schon seit Monaten. Vorher kann die Akte nicht geschlosse­n werden.

Ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Augsburg hat auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt, dass die Behörde noch auf Informatio­nen aus der Rechtsmedi­zin warte. Es fehle noch ein Teil eines Gutachtens. Wie lange es noch dauert, bis die Ergebnisse vorliegen, sei unklar. Rechtsanwa­lt Ralf Schönauer will das Warten seines Mandanten nicht mehr lange hinnehmen. Den Schwarzen Peter sieht er nicht bei der Staatsanwa­ltschaft. Er kündigt vielmehr an, er werde gegen Verantwort­liche des rechtsmedi­zinischen Instituts in München eine Dienstaufs­ichtsbesch­werde einreichen, wenn in den nächsten Tagen nichts geschehe.

Der 63-Jährige hatte die Vorwürfe, seine Mutter töten zu wollen, vehement zurückgewi­esen. Nachbarn hatten nach der Verhaftung des Rentners berichtet, er habe sich über einen längeren Zeitraum zu Hause gut um die Mutter gekümmert. Sie waren daher erstaunt, als der Vorwurf aufkam und konnten sich den 63-Jährigen nicht als Täter vorstellen. Die 91-jährige Frau lebt nicht mehr. Sie ist rund einen Monat nach dem Vorfall in dem Diedorfer Pflegeheim gestorben. Der Sohn saß zu dieser Zeit in einer Haftzelle des Gablinger Gefängniss­es.

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Foto: Marcus Merk Die Rentnerin war in diesem Heim in Diedorf untergebra­cht, als der Sohn un ter Verdacht geriet.

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