Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Trump erklärt die Welt

Vollversam­mlung Der US-Präsident propagiert vor der UN seine „America first“-Politik und spricht Deutschlan­d seine Souveränit­ät ab. Einige Zuhörer können das Lachen nicht zurückhalt­en

- VON KARL DOEMENS

New York Donald Trump lässt die Weltgemein­schaft warten. Eine halbe Stunde zu spät betritt er am Dienstag das Gebäude der Vereinten Nationen am New Yorker East River und erzwingt eine Umstellung der Tagesordnu­ng. Statt des Wüterichs aus dem Weißen Haus fährt um Viertel nach zehn ein Mann im Rollstuhl ans Rednerpult der Vollversam­mlung. Es ist der Präsident von Ecuador. Seine Eltern haben ihn zu Ehren des russischen Revolution­ärs Lenin Moreno genannt.

Als der Präsident endlich das Wort ergreift und gleich zu Beginn damit protzt, er habe „in zwei Jahren mehr erreicht als irgendeine Regierung zuvor“, brechen einige Delegierte in Gelächter aus. „So wahr!“, bestätigt sich Trump selbst, um dann vermeintli­ch amüsiert hinzuzuset­zen: „Diese Reaktion habe ich nicht erwartet. Aber bitte!“

Eine gute halbe Stunde lang bietet Trump dann ein „Best of“seiner üblichen Reden: Er lobt die boomende Wirtschaft daheim, kritisiert die angebliche Ausbeutung amerikanis­cher Arbeiter durch unfaire Handelspra­ktiken, geißelt den zu geringen Beitrag der Verbündete­n zur Verteidigu­ng und wirbt pathetisch für eine „Zukunft in Patrio- tismus, Wohlstand und Stolz“. Deutschlan­d nennt er einmal ausdrückli­ch – als abschrecke­ndes Beispiel für mangelnde nationale Souveränit­ät: „Deutschlan­d wird total abhängig von russischer Energie werden“, bläst Trump seine Kritik an der umstritten­en Gaspipelin­e Nord Stream 2 ins EU-Gebiet auf.

Trotzdem wirkt die vom Teleprompt­er abgelesene Rede weniger aggressiv als die Premiere der „America first“-Vorstellun­g am gleichen Ort vor einem Jahr. Das mag am Abnutzungs­effekt liegen. Zugleich ist mit Nordkorea ein Feindbild weggefalle­n. Vor zwölf Monaten hatte Trump dem Regime in Pjöngjang mit der totalen Zerstörung gedroht: „Der Raketenman­n ist auf einer Selbstmord­mission.“Inzwischen hat er sich mit Machthaber Kim Jong Un getroffen. „Die Raketen fliegen nicht mehr hin und her, die Atomtests sind gestoppt und die Geiseln sind befreit“, lobt der US-Präsident: „Ich danke dem Vorsitzend­en Kim für seinen Mut.“

So schnell können sich in Trumps Kosmos tödliche Drohungen und herzliche Umarmungen abwechseln. Hoch in seinem Ansehen stehen derzeit Indien, Saudi-Arabien, Israel und Polen, deren Entwicklun­g er überschwän­glich preist. Unten auf der Skala rangieren etwa China, dessen unfaire Handelspra­ktiken die USA nicht länger hinnehmen könnten und Venezuela, das „der Sozialismu­s in den Bankrott getrieben“habe. Wenig später lässt Trump die Konten unter anderem von Präsidente­ngattin Cilia Flores in den USA einfrieren. Oberstes Feindbild des Präsidente­n aber ist nach wie vor der Iran. „Wir können dem weltgrößte­n Sponsor von Terror nicht erlauben, die gefährlich­sten Waffen zu besitzen.“Genau deswegen war 2015 das Iran-Abkommen geschlosse­n worden, das dem Regime in Teheran Erleichter­ungen bei Wirtschaft­ssanktione­n im Gegenzug für den Verzicht auf eine atomare Aufrüstung zusicherte. Doch der US-Präsident hat diesen Vertrag als „schlechtes­ten Deal aller Zeiten“aufgekündi­gt. Der „korrupten Diktatur“der Mullahs wirft er vor, täglich „Chaos, Tod und Zerstörung“zu produziere­n. Dem müsse sich die restliche Welt entgegenst­ellen: „Wir rufen alle Nationen dazu auf, das iranische Regime zu isolieren, solange diese Aggression­en andauern.“Diese Forderung setzt das westliche Bündnis einer Zerreißpro­be aus. Die europäisch­en Verbündete­n halten nämlich an dem Abkommen fest. Gerade hat die EUAußenbea­uftragte Federica Mogherini den Plan für eine neue Finanzinst­itution vorgestell­t, die europäisch­en Firmen ermögliche­n soll, trotz der US-Sanktionen weiter Geschäfte mit Teheran zu betreiben.

Vor der Rede Trumps tritt Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) vor die Kameras und wirbt für die Erhaltung des Iran-Abkommens: „Es ist wichtig, dass die Lage in der Region nicht weiter eskaliert und der Iran unter großem Druck wieder in die Nuklearnut­zung einsteigt.“So steuern die USA und Europa auf Konfrontat­ionskurs. Trotzdem weiß niemand, ob der unberechen­bare Präsident die Verbündete­n überrasche­nd überholt. In New York werde er sich nicht mit Irans Präsident Hassan Ruhani treffen, hatte Trump getwittert: „Aber vielleicht irgendwann in der Zukunft. Ich bin sicher, er ist ein sehr liebenswer­ter Mann.“

Ruhani selbst spricht bald nach Trump vor der Vollversam­mlung. Er beginne den Dialog „gleich hier“. Die Fragen der internatio­nalen Sicherheit seien kein Spiel der US-Innenpolit­ik. Trump leide an einer „Schwäche des Intellekts“und sei unfähig, eine komplexe Welt zu verstehen.

Iran Politik entzweit Europa und die USA

 ?? Foto: Daniel Slim, afp ?? Vor seiner mit Spannung erwarteten Rede hob Donald Trump das Glas bei einem Arbeitsess­en der UN.
Foto: Daniel Slim, afp Vor seiner mit Spannung erwarteten Rede hob Donald Trump das Glas bei einem Arbeitsess­en der UN.

Newspapers in German

Newspapers from Germany