Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nur noch Hofbericht­erstattung?

Österreich I Kanzler Kurz distanzier­t sich von zensorisch­er E-Mail

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Wie weit darf der Versuch der Politik gehen, die Berichters­tattung der Medien im eigenen Sinne zu lenken? Diese Frage wird derzeit in Österreich heiß diskutiert. Denn das Innenminis­terium unter dem Rechtspopu­listen Herbert Kickl (FPÖ) hat offensicht­lich versucht, kritische Medien vom Informatio­nsfluss auszuschli­eßen. Das geht aus einer vierseitig­en, als geheim eingestuft­en E-Mail hervor, die ein Sprecher Kickls an die Landespoli­zeibehörde­n geschickt hatte.

Darin empfiehlt der Ministeriu­mssprecher, die Kommunikat­ion mit bestimmten Zeitungen „auf das nötigste (rechtlich vorgesehen­e) Maß zu beschränke­n“. Denn in den Tageszeitu­ngen Standard und Kurier sowie der Wochenzeit­ung Falter werde „eine sehr einseitige und negative Berichters­tattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben“. Ihnen sollten „nicht noch Zuckerl wie beispielsw­eise Exklusivbe­gleitungen“ermöglicht werden.

Kickl selbst hat sich gestern Abend von der E-Mail distanzier­t. „Die Formulieru­ngen bezüglich des Umgangs mit ,kritischen Medien‘ finden nicht meine Zustimmung“, wird Kickl in einer Mitteilung zitiert. „Die Pressefrei­heit ist unantastba­r und ein wesentlich­er Grundpfeil­er einer demokratis­chen Gesellscha­ft.“Er habe mit dem Verfasser der Mail, Ressortspr­echer Christoph Pölzl, ein klärendes Gespräch geführt. Pölzl habe ihm dabei versichert, dass eine Einschränk­ung der Pressefrei­heit

„in keiner Weise Intention seiner

Mail an die Kommunikat­ionsleiter in den Landespoli­zeidirekti­onen war“.

Bundeskanz­ler

Sebastian Kurz kritisiert­e das Vorhaben seines Koalitions­partners gestern aus New York, wo er an der UN-Vollversam­mlung teilnimmt. Es dürfe keine Ausgrenzun­g bestimmter Medien durch Kommunikat­ionsabteil­ungen geben. „Für einen freien und unabhängig­en Journalism­us im Land tragen besonders Parteien und Regierungs­institutio­nen sowie öffentlich­e Einrichtun­gen eine hohe Verantwort­ung. Jede Einschränk­ung von Pressefrei­heit ist nicht akzeptabel“, sagte Kurz. Er halte es grundsätzl­ich für richtig, dass das Innenminis­terium eine neue Kommunikat­ionsrichtl­inie erarbeite, aber: „Die Ausgrenzun­g oder der Boykott von ausgewählt­en Medien darf in Österreich nicht stattfinde­n. Das gilt für die Kommunikat­ionsverant­wortlichen aller Ministerie­n und öffentlich­en Einrichtun­gen.“

In seinem Kanzleramt hatte direkt nach der Regierungs­übernahme im Sommer 2017 eine gut ausgestatt­ete Kommunikat­ionsabteil­ung recht erfolgreic­h damit begonnen, die Kontrolle über die Nachrichte­n und Botschafte­n zu gewinnen, die über die Regierungs­arbeit an die Öffentlich­keit dringen. Die Ministerie­n müssen die eigene Pressearbe­it mit dem Kanzleramt abstimmen.

Die Opposition­spolitiker­in Beate Meinl-Reisinger von den liberalen Neos sieht einen Zusammenha­ng zwischen dem Umgang mit Kickls Informatio­nssperre-Politik und der „Message Control“genannten Politik des Kanzlers. Sie fordert wie andere Opposition­spolitiker die Ablösung Kickls. Am heutigen Mittwoch wird das Thema auf Wunsch der Neos im Parlament behandelt. Kickl steht auch wegen einer rechtlich nicht gedeckten Razzia im Verfassung­sschutz unter Druck.

 ??  ?? Herbert Kickl
Herbert Kickl

Newspapers in German

Newspapers from Germany