Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Wagen, viele Fahrer

Viele Autos werden weniger als eine Stunde am Tag bewegt. Immer mehr Menschen steigen deshalb um

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Egal ob es fährt oder nicht – ein Auto belastet die Umwelt. Allein die Herstellun­g kostet viel Energie und verbraucht Ressourcen, ganz zu schweigen von den Einflüssen auf die Umwelt durch den Betrieb. Für den Besitzer selbst ist ein Pkw mit hohen Anschaffun­gsund Unterhalts­kosten verbunden. Der ADAC beziffert die monatliche­n Vollkosten (Fix-, Werkstattu­nd Betriebsko­sten plus Abschreibu­ng für den Wertverlus­t) für Fahrzeuge in der Golf-Klasse mit 400 bis 500 Euro pro Monat. Das ist sehr viel Geld – vor allem, wenn man bedenkt, dass ein Auto im Schnitt nur rund eine Stunde am Tag genutzt wird.

Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen Gedanken über Alternativ­en zum eigenen Auto machen. Insbesonde­re in Städten, wo die Parkplatzs­uche zur täglichen Nervenprob­e wird, liegt dabei Carsharing im Trend. Aber auch in ländlichen Gebieten gibt es Kommunen oder private Initiative­n, die Carsharing-Netze erfolgreic­h aufgebaut haben. In der Region gibt es beispielsw­eise in Augsburg, Kempten und in Kaufbeuren Anbieter für die gemeinscha­ftliche Nutzung von Kraftfahrz­eugen.

Und so funktionie­rt es: Zunächst muss man Mitglied einer Carsharing-Organisati­on werden und zahlt dafür eine einmalige Aufnahmege­bühr. Hinzu kommt ein monatliche­r Beitrag. Danach hat man als Mitglied die Möglichkei­t, eines der zur Verfügung stehenden Fahrzeuge zu nutzen, für das man nur dann etwas bezahlt, wenn man es wirklich benötigt – ein Angebot, das sich vor allem für Menschen rechnet, die auf das Auto nicht für die tägliche Fahrt zum Arbeitspla­tz angewiesen sind, sondern es sporadisch brauchen. Laut Umweltbund­esamt gilt die Faustregel: Wer weniger als 10000 Kilometer pro Jahr fährt, für den lohnt sich Carsharing finanziell.

In Augsburg sind die Carsharing­Fahrzeuge der Stadtwerke auf über 50 Standorte im ganzen Stadtgebie­t verteilt. In Kempten gibt es neun „Stadtflitz­er“, so der Name des örtlichen Anbieters, in Kaufbeuren sind es drei. Gebucht wird das Fahrzeug in der Regel über eine Internetpl­attform; am Stellplatz des Fahrzeugs ist dann ein Safe mit Nummerncod­e angebracht, in dem der Schlüssel hinterlegt ist. In der Regel kann man die vollkaskov­ersicherte­n Fahrzeuge auch kurzfristi­g buchen und muss sie nach Gebrauch nicht selbst betanken.

Laut einem Anbieter ersetzt ein Carsharing-Fahrzeug vier bis zehn Pkw. Das bedeutet weniger Energieund Rohstoffei­nsatz bei der Herstellun­g, weniger Schrott und mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. Die Befürworte­r führen noch ein weiteres Argument an: die intensive Nutzung der Carsharing-Autos erfordere eine ständige Erneuerung der Fahrzeugfl­otte, sodass die Fahrzeuge in der Regel auf einem neuen und umweltfreu­ndlichen Stand der Technik seien. Tatsächlic­h liegt laut einer Studie aus der Schweiz der Durchschni­ttsverbrau­ch einer Carsharing­Flotte etwa 16 Prozent unter dem Durchschni­ttsverbrau­ch der Neuwagenfl­otte sowie etwa 26 Prozent unter dem der gesamten Schweizer Pkw-Flotte. In Augsburg beispielsw­eise stehen auch Elektroaut­os zur Verfügung.

Der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen sieht das Angebot als Ergänzung zum ÖPNV. Zum Beispiel, wenn Bus und Bahn nachts seltener fahren oder ein Kunde an den Stadtrand will. In vielen Großstädte­n gibt es inzwischen auch Kooperatio­nen zwischen Carsharing-Anbietern und Betreibern des öffentlich­en Personenna­hverkehrs.

Richtig boomen wird nach Ansicht vieler Verkehrsex­perten die Carsharing-Idee, sobald das autonome Autofahren Realität ist. Dann könnte der Kunde bei Bedarf ein selbstfahr­endes Auto anfordern, das ihn anschließe­nd vor der Haustür abholt und ihn später dort auch wieder absetzt, so die Zukunftsvi­sion. Jetzt schon ist Carsharing ein interessan­tes und nachhaltig­es Modell, zum Beispiel als Ersatz für den Familien-Zweitwagen, der die meiste Zeit nur in der Garage steht.

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Foto: Alexander Kaya Ein Carsharing Fahrzeug ersetzt vier bis zehn Autos.
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Martin Sambale ist Geschäftsf­ührer des Energie und Umweltzent­rums Allgäu, kurz eza!

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