Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Hat ein Vater sein Baby geschüttelt?
Justiz Ein zehn Monate altes Kind ist an Gehirn und Wirbelsäule geschädigt. Jetzt steht der Papa des Mädchens vor Gericht. Er erzählt eine Geschichte, die eine Schuld ausschließt
Augsburg Paula (Name geändert), heute erst zehn Monate alt, wird vermutlich ihr Leben lang ein Pflegefall bleiben. Teile des Gehirns und der Wirbelsäule sind geschädigt, sie kann nicht schlucken, wird über eine Magensonde ernährt. Ein Tag im Krankenhaus sollte ihr noch junges Leben dramatisch verändern.
Vor der 8. Strafkammer des Landgerichts hat am Dienstag ein Prozess gegen ihren Vater begonnen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn des versuchten Totschlags sowie der schweren Körperverletzung. Laut Anklage soll er durch grobes Schütteln den Säugling schwer verletzt haben. Der Vorfall hat sich Anfang dieses Jahres im Augsburger Josefinum abgespielt. Der 24-jährige hatte für eine Nacht die Betreuung seiner Tochter übernommen, die zwei Wochen zuvor am Ohr operiert worden war.
Der Angeklagte äußert sich zum Prozessauftakt nicht selbst zu den Vorwürfen. Paula habe, als er ihr morgens die Flasche gab, Schluckbeschwerden gehabt, heißt es in einer vorbereiteten Erklärung, die Verteidiger Werner Ruisinger vorliest. Als er gesehen habe, sie bekomme keine Luft, sei er sofort aus dem Zimmer gerannt und habe eine Krankenschwester zu Hilfe geholt.
Vom Gericht für den ersten Prozesstag geladene Zeugen, unter ihnen eine Hebamme und eine Kinderkrankenschwester, schildern übereinstimmend, sie hätten den Angeklagten als liebevollen Vater erlebt. Auch Paulas Mutter. „Ja, er hat sich auf das Kind gefreut. Er stand nachts auf, hat die Windeln gewechselt und die Milch vorbereitet“, berichtet die 23-Jährige. Geplant war das Kind nicht. Das Paar kannte sich noch nicht lange. Und die äußeren Umstände waren zudem denkbar ungünstig. Beide haben ein kleines Zimmer bei ihren Eltern bewohnt, die selbst in bescheidenen Verhältnissen leben. Anders als die 23-Jährige hat der Angeklagte nie einen Beruf erlernt, er jobbte zuletzt bei einer Tankstelle.
Und das Paar hat sich immer häufiger gestritten. „Er war eifersüchtig“, habe ihr auch im Beisein von Arbeitskollegen eine Szene gemacht, sagt die Zeugin aus. Nur wenige Stunden vor dem Zwischenfall im Krankenhaus hatte sie ihrem Freund deswegen ein Ultimatum gestellt. „Ich schaffe das nicht mehr, wenn das so weiter geht. Ich wollte ihm noch eine letzte Chance geben“, erinnert sie sich an ihr Gespräch. Danach war sie abends nach Hause gefahren, ließ Vater und Tochter im Krankenhaus zurück, um einmal ausschlafen zu können.
Am nächsten Tag wurde die kleine Paula, deren Zustand sich laufend verschlechterte, auf die Intensivstation verlegt, musste nach einem Atemstillstand maschinell beatmet werden. Am Körper des kleinen Mädchens entdeckten die Ärzte bei Untersuchungen dann auch mehrere, bisher nicht bekannte Knochenbrüche. Der Angeklagte will mit dem Kind auf dem Arm einmal in der Wohnung gestürzt sein. Ein anderes Mal sei es, als er eingeschlafen war, vom Sofa auf den Boden gefallen. Beides hat der 24-Jährige Paulas Mutter zunächst offenbar verschwiegen und erst als er in U-Haft saß gestanden.