Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zetsche geht, sein Kronprinz folgt
Daimler strukturiert um. An der Spitze soll mit Ola Källenius ab dem kommenden Jahr ein neuer Chef stehen. Er muss den Wandel umsetzen, den sein Vorgänger angestoßen hat – und gleichzeitig dessen Probleme abschütteln
„Daimler stellt die Weichen für die Zukunft“hat der Autobauer groß über die Mitteilung geschrieben, die am Mittwoch ziemlich abrupt den Plan publik macht, den langjährigen Konzernlenker Zetsche vom Jahr 2021 an die Spitze des Aufsichtsrats zu bringen. Was eigentlich viel mehr die Zukunft ist, kommt erst danach im Text: Schon nach der Hauptversammlung im Mai kommenden Jahres wird Dieter Zetsche, seit Anfang 2006 DaimlerChef, seinen Posten als Vorstandsvorsitzender und Leiter der PkwSparte Mercedes-Benz Cars an seinen Entwicklungschef, den Schweden Ola Källenius, übergeben.
Dass Zetsche geht, ist keine Überraschung. Der promovierte Ingenieur ist im Mai dieses Jahres 65 geworden, sein Vertrag läuft Ende 2019 sowieso aus – und eine nochmalige Verlängerung stand nie wirklich zur Debatte. Klar war auch, dass Zetsche den Daimler-Aktionären spätestens zur kommenden Hauptversammlung würde erklären müssen, wie die Führungsspitze künftig aussehen soll. Bei ihrem Treffen am 22. Mai 2019 sollen die Anteilseigner über eine grundlegend neue Struktur des Konzerns mit drei rechtlich eigenständigen Sparten abstimmen. Ein Mega-Projekt, das den zuweilen behäbigen Tanker Daimler in der neuen, digitalen Autowelt beweglicher machen soll.
Nun wird Zetsche die Gelegenheit nutzen und auch für sich selbst den Schnitt machen. „Es gibt eigentlich gar keinen besseren Zeitpunkt, als das zur Hauptversammlung zu machen“, sagt der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Daimler sende damit ein Signal der Stabilität an die Aktionäre, aber auch an die weltweit rund 290000 Mitarbeiter.
Und will Zetsche, so wie jetzt geplant, direkt zur Hauptversammlung 2021 die Nachfolge des dann ausscheidenden Aufsichtsratschefs Manfred Bischoff antreten, kann er ohnehin nicht anders. Für Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat ist eine „Abkühlphase“von zwei Jahren vorgegeben. Das soll dafür sorgen, dass so viel Zeit vergeht, dass ein Ex-Vorstand sich als Aufsichtsrat nicht nachträglich noch selbst ein gutes Zeugnis ausstellen kann – oder womöglich als Schatten-CEO einfach weiterregiert.
Wenn Zetsche als Vorstandschef abtritt, dann blickt er auf ein ganzes Arbeitsleben für Daimler zurück. 1976 fing er im Forschungsbereich an, arbeitete sich vom einfachen Elektrotechnikingenieur über viele bis 2006 zum Vorstandschef der Marke mit dem Stern hoch. Seither hat der Mann mit dem markanten Schnauzer das Image von Daimler konsequent auf jünger getrimmt. Die Bilanz präsentierte er zuletzt in verwaschener Jeans und offenem Hemd. Die dunkelgrauen Anzüge, über Jahrzehnte die Uniform auf der Führungsebene, haben ausgedient. Legendär sind Zetsches Auftritte in einer Werbekampagne für die damalige Konzerntochter Chrysler als „Dr. Z.“, der über die Vorzüge seiner Autos aufklärt. Allerdings musste die Kampagne vorzeitig gestoppt werden, weil der Erfolg ausblieb. Die Amerikaner hielten Dr. Z. für eine Kunstfigur. Mit dem Abschied aus dem Vorstand im nächsten Mai ist die Karriere nicht vorbei: Nach einer „Abkühlphase“soll er Vorsitzender des Aufsichtsrats werden.
Zetsche kennt das Auf und Ab. Als er vor 13 Jahren das Steuer in dem Autokonzern übernahm, ging es zunächst steil nach oben. Nur ein paar Jahre später hatten die Stuttgarter die Entwicklung verschlafen, mussten eine Gewinnwarnung herausgeben und ein hartes Sanierungsprogramm auflegen. Der Vorstandschef geriet unter Druck, machte sich rar und gab nur noch selten Interviews. Zetsche musste sich in der Krisenzeit viel Spott anhören, schaffte aber mit einer Modelloffensive die Wende und eilte bis vor wenigen Monaten trotz Dieselkrise von Absatzrekorden zu Rekordgewinnen. Nun hat er sogar seiAuslandseinsätze nen Wunschnachfolger Ola Källenius bekommen. Ihm hätte der 65-Jährige sicher lieber ein besser geordnetes Feld übergeben. Seit Sommer sinken die Verkäufe und die Gewinne wieder. Ein Abschluss der Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Manipulationen bei den Dieseln ist nicht absehbar. Bis zu seinem Abgang wird Zetsche das nicht mehr abräumen können.
Auch privat musste der Manager Schicksalsschläge verkraften. 2010 starb seine Frau nach 26 Jahre Ehe an einem Krebsleiden. Bei offiziellen Terminen begleitete ihn danach manchmal seine Tochter, über Liebschaften wurde spekuliert. Im Oktober 2016 schaffte er mit der Heirat seiner französischen Lebensgefährtin Anne Klarheit.
Den Kulturwandel, der bei Zetsche manchmal ein wenig aufgesetzt wirkt, lebt sein Nachfolger Ola Källenius. Der gebürtige Schwede tritt immer locker und entspannt auf. Nichts scheint den 49-Jährigen aus der Ruhe zu bringen. Seit zwei Jahren ist es ein offenes Geheimnis, dass der Forschungschef Zetsches Nachfolger werden soll. Dass Källenius schon viele Aufgaben übernommen hat, die früher der Chef selbst erledigt hätte, hat das Bild verstärkt.
So routiniert wie freundlich chauffierte er mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen modernen Diesel über die Teststrecke im Stuttgarter Stadtteil Untertürkheim. Källenius ist zwar Wirtschaftswissenschaftler, hat aber in seiner 25-jährigen Konzernkarriere viele Benzin-Jobs gehabt. Zeitweise war er für die Entwicklung der Formel-1-Motoren in Großbritannien zuständig. Er ist mit einer Deutschen verheiratet. Källenius hat die Gabe, Menschen für sich einzunehmen. Das kann er brauchen, wenn er mit verärgerten Kunden oder Umweltschützern spricht.