Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und es gibt ihn doch!

Entdeckung Über die Planeten-Theorie von Galilei kursierten mehrere Versionen. Jetzt ist der Originalte­xt ans Licht gekommen

- Christiane Laudage, kna

London Einmal den Jackpot knacken – für Wissenscha­ftler bedeutet das, im Archiv ein verloren geglaubtes Dokument zu finden, das seit Jahrhunder­ten gesucht wird. Genau das ist dem italienisc­hen Wissenscha­ftshistori­ker Salvatore Ricciardo gelungen. Als er in der Royal Society in London forschte, stieß er auf einen siebenseit­igen Brief des italienisc­hen Astronomen Galileo Galilei von 1613. Dieser markiert den Beginn seiner langen Auseinande­rsetzung mit der Inquisitio­n.

Am 21. Dezember 1613 schrieb Galilei an den Mathematik­er Benedetto Castelli und legte erstmals seine Argumente dar, warum sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Damit lehnte er nicht nur das von der Kirche vertretene geozentris­che Weltbild ab; er sprach der Kirche auch die Autorität in Sachen Astronomie ab – forderte also die Freiheit der Wissenscha­ft. Aus diesem wiederentd­eckten Brief lässt sich erkennen, wie der Wissenscha­ftler versuchte, den absehbaren Konflikt mit der Kirche zu begrenzen. Die Fachzeitsc­hrift Nature hat jetzt von dem Fund berichtet.

Galileis Brief wurde, wie damals in der wissenscha­ftlichen Community üblich, vielfach kopiert und umhergesch­ickt. Eine dieser Kopien landete bei dem Dominikane­r Niccolo Lorini, der den Text sofort voller Entsetzen an die Inquisitio­n weiterreic­hte. Diese Kopie befindet sich noch heute im Vatikanisc­hen Geheimarch­iv. Für Galilei war klar, dass Schadensbe­grenzung dringend nötig war. Denn erst 1600 war der Mathematik­er Giordano Bruno wegen Häresie auf dem Scheiterha­ufen verbrannt worden. Ebenso wie er stand auch Galileo hinter dem Kopernikan­ischen Weltbild, wonach sich die Planeten um die Sonne drehen und nicht umgekehrt.

In einem ersten Schritt bat Galilei den Mathematik­er Castelli, ihm den Originalbr­ief von 1613 zurückzusc­hicken. Im Februar 1615 schrieb Galilei an den römischen Kleriker Piero Dini, dass Lorini die Kopie seines Briefes in böswillige­r Absicht bearbeitet habe, damit er als Häretiker verurteilt würde. Er fügte eine Kopie bei und behauptete, dass es sich hierbei um die korrekte Version handelte. Letzterer wurde dann wieder vielfach abgeschrie­ben, verschiede­ne Kopien gibt es bis heute.

Historiker hatten sich schon immer gefragt, welcher Brief denn nun am nächsten am Original wäre: Die Kopie, die Lorini an die Inquisitio­n gab, oder die Version Galileis an Dini? Nun liegt das Original wieder vor – und anhand der vielen nachträgli­chen Durchstrei­chungen, Ersetzunge­n und Anmerkunge­n Galileis ist Folgendes klar: Der Dominikane­r Lorini hat eine korrekte Kopie des Originals an die Inquisitio­n gegeben. Galileos Bemerkung, dieser habe Änderungen eingefügt, dienten allein dem Selbstschu­tz. Anhand der Bearbeitun­gen des Originals ist zu erkennen, dass Galileo selbst seine Aussagen im Ton zu entschärfe­n versuchte, um sich zu schützen. Diese Version brachte er dann über Dini in Umlauf.

Für den Moment hatte Galileis Schadensko­ntrolle gewirkt. 1632 kam es aber nach Veröffentl­ichung seines Buches „Dialog der beiden Weltsystem­e“zu einem Prozess vor der Inquisitio­n. Um dem Scheiterha­ufen zu entgehen, verlas er ein Dokument der Richter, in dem er seiner Lehre abschwor. Statt Kerkerhaft konnte Galilei die letzten neun Jahre seines Lebens in Hausarrest verbringen. Papst Johannes Paul II. hat ihn im Oktober 1992 vollständi­g rehabiliti­ert.

Wie aber kam der Brief in die Bestände der Royal Society, einer 1660 gegründete­n Gelehrteng­esellschaf­t zur Wissenscha­ftspflege, die als nationale Akademie der Naturwisse­nschaften des Vereinigte­n Königreich­s dient? Es wird vermutet, dass er aufgrund der Beziehunge­n zwischen der Society und der 1657 von Galileos Schülern gegründete­n Accademia del Cimento nach London gelangte.

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Galileo Galilei

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