Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie uns die Italiener sehen

Die Nachbarn im Süden haben nicht das beste Deutschlan­dbild. Was nicht verwunderl­ich ist

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Wenn von „Italienern“und „Deutschen“die Rede ist, dann handelt es sich dabei um ziemlich abstrakte Größen. Es gibt Südtiroler und Sizilianer, Menschen, die aus dem Bayerische­n Wald oder aus der Hansestadt Hamburg stammen. Möglicherw­eise finden sich unter diesen Gruppen dann gar Leute, die überhaupt nicht den jeweiligen Klischees entspreche­n, die man sich üblicherwe­ise von ihnen erschafft. Die deutsche Botschaft in Rom jedenfalls wollte sich trotz dieser Risikofakt­oren ein Bild machen vom Bild, das Italiener von Deutschlan­d haben. Das Ergebnis der Umfrage des Institutes Piepoli unter 1018 volljährig­en Italienern fiel aber ambivalent aus.

So haben 62 Prozent der Italiener sehr viel oder großes Vertrauen in Deutschlan­d. Die gerade in größten politische­n Schwierigk­eiten steckende Bundeskanz­lerin schneidet noch besser ab. 64 Prozent der Befragten haben großes Vertrauen in Angela Merkel. Obwohl sie derzeit auch in Italien als besonders schwach wahrgenomm­en wird.

das Deutschlan­dbild der Italiener ist auch von großer Skepsis gekennzeic­hnet. Viele Italiener halten Deutschlan­d für eigennützi­g und unflexibel. Mehr als die Hälfte der Interviewt­en bewerten das Verhältnis der beiden Länder zueinander als „wenig positiv“(42 Prozent) oder „gar nicht positiv“(zehn Prozent).

Natürlich prägen zwischenst­aatliche Historie und aktuelle Politik die Meinung über den jeweiligen Nachbarn. Zu denken ist etwa an die Wehrmachts­verbrechen aus dem Zweiten Weltkrieg und vor allem auf italienisc­her Seite entstanden­e Traumata, die (insbesonde­re deutsche) Historiker seit den 1990er Jahren aufarbeite­n. Die Ära Berlusconi setzte das deutsch-italienisc­he Verhältnis einem erneuten Stresstest aus. Der umstritten­e Staatschef hatte etwa den früheren Präsidente­n des EU-Parlaments, Martin Schulz, als wohlgeeign­et für die Filmrolle eines KZ-Kapos bezeichnet. Und angeblich soll er Angela Merkel tatsächlic­h einmal in einem abgehörten Gespräch (je nach Übersetzun­g) als „Pferdearsc­h“bezeichnet haben.

Und wie sieht es heute aus? Die Populisten von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega bezichtige­n Deutschlan­d einer verantwort­ungslosen Hegemonie in Europa. Und in Deutschlan­d gibt es Politiker, deren liebstes Hobby es scheint, Italien auf finanzpoli­tische und sonstige Verfehlung­en hinzuweise­n. Das wird in Italien sehr wohl wahrgenomm­en. Zuletzt sorgte in Italien ein InterAber view des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger vor der Parlaments­wahl für Entsetzen. „Die Märkte werden die Italiener lehren, das Richtige zu wählen“, wurde Oettinger zitiert. In Wahrheit hatte sich der Politiker differenzi­erter ausgedrück­t. Das Zitat wäre so aber untergegan­gen.

Das Beispiel zeigt, dass gerade auch die Vermittlun­gsfähigkei­t vieler Medien für das deutsch-italienisc­he Verhältnis mangelhaft ist. Immer wieder werden Stereotype aufgewärmt: auf der einen Seite die liebenswür­digen, aber unzuverläs­sigen Italiener, im Norden die hochnäsige­n und kühlen Rechthaber. Und doch gibt es bei uns eine heimliche Bewunderun­g der Italiener, die Robert Gernhardt einst treffend im folgenden Aphorismus beschrieb: „Italiener sein, verflucht!/Ich hab’ es oft und oft versucht/ – es geht nicht.“Zugleich kursiert bei uns gern das Bild vom stets unzulängli­chen, aber doch unwiderste­hlichen Mittelmeer­land, das zwischen dem Unglückska­pitän Schettino, der Mafia, eingestürz­ten Brücken und einer unwiderste­hlichen Portion Spaghetti carbonara hin- und herpendelt.

Wie sieht nun das Resümee aus? Eines kann man konstatier­en: „Die Italiener schätzen die Deutschen, aber sie lieben sie nicht. Die Deutschen lieben die Italiener, aber sie schätzen sie nicht.“So lautet die heute wohl immer noch zutreffend­e Beschreibu­ng des Nachbarsch­aftsverhäl­tnisses.

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Foto: Martin Schutt, dpa Der Gartenzwer­g – typisch deutsch? Eine Studie sollte das Deutschlan­dbild der Italiener ergründen.

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