Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Surround-Sound im Gaswerk

Premiere Die Spielzeit am Staatsthea­ter Augsburg beginnt mit Georg Kaisers Trilogie „Gas“. Im Kühlergebä­ude des Gaswerks will Regisseuri­n Antje Thoms dem Zuschauer das Stück besonders nahebringe­n. Ein Requisit hilft ihr dabei

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Besser hätte man es gar nicht treffen können mit der neuen Interimsst­ätte des Theaters, dem Gaswerk in Oberhausen. Zumindest wenn man an die erste Premiere der neuen Spielzeit denkt, Georg Kaisers dreiteilig­es Stück „Gas“: Im Mittelpunk­t steht die Arbeitswel­t in einem Gaswerk. Praktisch an einem Originalsc­hauplatz kann dieses Stück nun also aufgeführt werden. Weil das Ofenhaus derzeit aber noch Großbauste­lle ist, haben Regisseuri­n Antje Thoms und ihr Team das Kühlergebä­ude, in dem früher das heiße Rohgas abgekühlt wurde, in Beschlag genommen.

„Gott sei Dank ist das Ofenhaus noch nicht fertig“, sagt Thoms, denn der Raum im Kühlergebä­ude gibt ihr nun die Möglichkei­t, die Guckkasten­situation, wie sie in der Brechtbühn­e herrscht, aufzubrech­en. Und: „Man denkt nicht, dass man ein Bühnenbild vor sich hat und ist deshalb tiefer im Geschehen.“Im Halbkreis um einen kleinen Bühnenaufb­au sitzen die Zuschauer, gespielt wird aber nicht nur dort, sondern auch auf der Galerie des mehrere Meter hohen Gebäudes in einem kleinen Nebenraum und im Außenberei­ch auf dem Vordach, den das Publikum durch die großen Fenster im Blick hat.

Clou der Inszenieru­ng ist allerdings das akustische Konzept, das Antje Thoms sich ausgedacht hat. Weite Teile des Schauspiel­s sind über Kopfhörer zu hören. Jeder Zuschauer erlebe damit für sich das Stück und nicht wie sonst im Theater als Gruppe. Dichter und intimer werde die Inszenieru­ng in diesem hohen Raum durch die Verwendung der Kopfhörer wirken, ist sich sicher. So gibt es spezielle Dolby-Surround-Effekte, die den Ton wandern lassen und Geräusche übertragen. Ein Kunstkopf im Nebenraum, der mit speziellen Lautsprech­ern ausgestatt­et ist, ist dafür verantwort­lich. „Ich will, dass die Zuschauer diesen großartige­n Text wirklich hören können“, sagt Thoms, die in der vergangene­n Spielzeit in Augsburg „Das Kind träumt“inszeniert hatte. Dass expression­istisches Theater, wie es Kaisers „Gas“ist, nur Schlagwort­sogar sätze biete, nur bunt, laut und abstrakt sei, wie oft vermutet wird, glaubt Thoms nämlich nicht. „Man kann es auch sehr psychologi­sch spielen.“Und so sieht sie einen besonderen Reiz auch darin, dass große Szenen mit vielen Darsteller­n – neben den Schauspiel­ern sind 15 Statisten im Einsatz – mit komprimier­ten Zweierszen­en wechseln.

Denn für Thoms erzählt das Stück, das Georg Kaiser zwischen 1917 und 1920 geschriebe­n hat, nicht nur eine gesellscha­ftliche TraThoms gödie, sondern auch eine Geschichte vieler Missverstä­ndnisse. „Jeder möchte alles richtig machen, scheitert damit aber“, fasst sie zusammen.

In drei Teilen schildert Georg Kaiser die Geschichte einer Industriel­lenfamilie, die ein Gaswerk betreibt und über mehrere Generation­en hinweg den Aufstieg und Fall der Dynastie erlebt. Dabei geht es um die soziale Utopie, wie die Arbeitswel­t menschenwü­rdig gestaltet werden kann, auch wenn die fortschrei­tende Technisier­ung den Menschen zunehmend von seiner Tätigkeit entfremdet. „Dieses Stück muss nicht künstlich in die Gegenwart geholt werden, die Aktualität liegt auf der Hand“, macht Antje Thoms deutlich.

In den Fokus rücken will die Regisseuri­n aber auch die Konflikte innerhalb der verschiede­nen Generation­en der Unternehme­rfamilie. „Im Grunde genommen ist ,Gas‘ wie eine dieser Familien-Sagas, die man im Fernsehen sieht“, sagt sie, „aber sehr, sehr gut geschriebe­n.“Am Theater in Düsseldorf, wo sie Hausregiss­eurin ist, habe sie den Dreiteiler erstmals gesehen und sich sofort gedacht: „Wow, was für ein Stück.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die Regisseuri­n Antje Thoms bringt Georg Kaisers „Gas“im Kühlergebä­ude des Gaswerks auf die Bühne.
Foto: Ulrich Wagner Die Regisseuri­n Antje Thoms bringt Georg Kaisers „Gas“im Kühlergebä­ude des Gaswerks auf die Bühne.

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