Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Kanzlerin denkt nicht ans Aufgeben
Live-Interview Angela Merkel will auch CDU-Chefin bleiben. Wie sie die Kritik an ihrem Kurs kontert und warum sie sich ärgert, wenn jede Debatte gleich zum „Zoff“stilisiert wird, verrät sie bei der Veranstaltung unserer Zeitung
Augsburg Geht die Zeit der Kanzlerin Angela Merkel dem Ende entgegen? Schon lange wird darüber spekuliert, erst recht in den vergangenen Tagen. Merkels Macht bröckelt sichtbar – auch in der eigenen Partei. Doch wer die Regierungschefin am Donnerstagabend im Live-Interview mit unserer Zeitung erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, dass sie selbst schon ernsthaft ihr Karriereende in Erwägung zieht. Sie denkt jedenfalls gar nicht daran, ihr Amt als CDU-Chefin im Dezember abzugeben. „Ich habe meine Meinung, dass Parteivorsitz und Kanzlerschaft zusammengehören, nicht geändert“, sagte die kämpferische Kanzlerin. Der konservative Unionsflügel konterte am Freitag prompt.
„Es wäre im Interesse der CDU und Deutschlands besser, wenn sie den Weg für die dringend notwendige personelle und inhaltliche Erneuerung selbst freimacht und nicht mehr als Parteivorsitzende antritt“, sagte der Vorsitzende der Werteunion, Alexander Mitsch. Rückendeckung erhielt die Kanzlerin ausgerechnet vom neuen Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus. „Ich gehe davon aus, dass sie antritt und würde das auch befürworten“, sagte der Mann, der sich am Dienstag in einer Kampfabstimmung gegen den langjährigen Merkel-Vertrauten Volker Kauder durchgesetzt hat.
Für die Kritiker aus den eigenen Reihen, die ihr vorwerfen, sie habe die viel zitierten Stammwähler vergrault und das konservative Profil der Union ihrem eigenen Willen zur Macht geopfert, hat Merkel wenig Verständnis: „Seit ich nach der deutschen Einheit eine Wählerin der CDU wurde, war ich immer Stammwähler. Der Stammwähler kann nicht von mir separiert werden“, sagte sie beim
Forum Live“. Die These, erst ihr Mitte-Kurs habe die AfD so stark gemacht, hält Merkel für falsch. „Dem widerspreche ich ganz elementar“, sagte sie und gestand, dass sie immer wieder mal darüber nachdenkt, was die CDU-Legende und ihr einstiger Ziehvater Helmut Kohl in ihrer Situation gemacht hätte. Merkel ist fest überzeugt: „Er würde sich auf jeden Fall ganz klar von der AfD abgrenzen. Er würde sich auf jeden Fall für die Einheit Europas einsetzen.“Mögliche Koalitionen mit den Rechtspopulisten schloss sie kategorisch aus.
Im bayerischen Landtagswahlkampf hat die 64-Jährige – mangels Einladungen der CSU – bisher keinerlei Rolle gespielt. Die Frage, ob sie vielleicht ganz froh wäre, wenn ein schlechtes CSU-Ergebnis am 14. Oktober ihren ewigen bayerischen Kontrahenten Horst Seehofer auch noch sein Amt als CSU-Vorsitzender kosten würde, findet Merkel trotz aller Differenzen völlig abwegig. „Wir sind eine gemeinsame Fraktion, wir sind Schwesterparteien. Da fiebert man miteinander mit. Man steckt so viel Kraft, so viel Zeit, so viel Lebensenergie rein“, betonte sie. Ihre anhaltenden Schwierigkeiten mit Seehofer will die Kanzlerin nicht zu hoch hängen: „CDU und CSU sind nicht immer einer Meinung. Selbst innerhalb der CDU sind nicht immer alle einer Meinung. Aber wenn jede Debatte, jedes Ringen um eine Lösung nur noch unter Streit und Zoff abgebucht wird, dann hilft uns das auch nicht weiter. Wir brauchen Debatten, damit wir hinterher zu Lösungen kommen. Und wir müssen auch den Kompromiss achten.“
Unser ausführliches Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel finden Sie in der