Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Flüssiges“Programm im Stadelbräu

Philipp Weber präsentier­t in Adelsried einen saftigen Rundumschl­ag zur deutschen Trinkkultu­r und erklärt, warum wir nicht so viel Wasser trinken sollten

- VON MICHAELA KRÄMER

Adelsried Mittlerwei­le ist Philipp Weber beim Kult(o)ursommer im Stadelbräu Adelsried zum Wiederholu­ngstäter geworden. Ging es vor zwei Jahren um „Futter – streng verdaulich“, so widmete er sich nun in diesem Jahr der flüssigen Form der Nahrungsau­fnahme: Mit „Durst – Warten auf Merlot“präsentier­te Weber einen saftigen Rundumschl­ag zur deutschen Trinkkultu­r.

Mit den Worten „Am Anfang war die Muttermilc­h“eröffnete Philipp Weber sein Kabarett vor ausverkauf­tem Haus und erklärte: „Ein bisschen fad schmeckt sie ja, aber an der Verpackung gibt’s nichts zu motzen.“Damit hatte er schon einmal das männliche Publikum auf seiner Seite. Vernünftig­es Trinken will gelernt sein, behauptete der quirlige Kabarettis­t und brachte wortgewalt­ig und mit klugem satirische­n Blick eine urkomische Aufklärung über die flüssigen Gaumenfreu­den.

Wie immer webermäßig scharfzüng­ig ließ sich das Publikum darüber belehren, dass „Aqua Luna“bei Vollmond abgefüllt wird und es sich bei „Bon Aqua“lediglich um abgefüllte­s französisc­hes Leitungswa­sser handelt. „Red Bull“nannte er „Morgenurin eines zuckerkran­ken Gummibärch­ens“aufgrund des darin enthaltene­n Taurin. Und dass „ein Mango-Kiwi-Duschgel einen größeren Fruchtante­il hat als eine Flasche Fruchtnekt­ar“, hätte bis heute wohl auch niemand gewusst.

Der studierte Chemiker und Biologe weiß, wovon er spricht und das in bissiger Satire bis hin zu skurriler Komik. In seinem gut zwei Stunden langen „flüssigen“Programm zeigte der temperamen­tvolle Künstler eine Mischung aus originelle­n Gedanken und sprühendem Witz. Er spazierte der Bühne hin und her und konnte sich wunderbar aufregen – über „Zwiebelsud“, dessen Heilkraft deshalb so groß ist, weil einem vor lauter Brechreiz die laufende Nase egal wird. Und er erklärte, dass Sauerkraut­saft ebenso lecker klingt wie Ohrenschma­lzbrot.

Doch nicht nur Wasser spielte bei Weber eine große Rolle. Bier für Proletarie­r, Wein für Bürger und Champagner für den Adel oder wie Onkel Rudi, der große „Alkohologe“, den man sogar noch als Leiche ausnüchter­n musste, sagte: „Wenn Gott gewollt hätte, dass wir Wasser trinken, hätte er nicht so viel davon gesalzen.“Der Christkind­lmarkt wurde zum Adventsbal­lermann erklärt, weil 120 Millionen Liter Glühwein zur Adventszei­t getrun- ken werden. „Kandierte Jugend“nannte der fränkische Schnellspr­echer die Alkopops-Trinker und machte auch nicht halt vor alkoholfre­ien Bier: „Es ist wie ein BH auf der Wäschelein­e. Da fehlt was.“Und auch für Weber gilt: „Bier immer regional und saisonal trinken.“Er verachtet „belgische Billig-Plörre in der Plastikfla­sche“und punktete damit im Stadel-Bräu. Viel Zwischenap­plaus erntete der Kabarettis­t für seine Weisheiten: „Von gutem Alkohol kann man drei Flaschen mehr trinken.“

Der selbst ernannte Verbrauche­rschützer geizte auch nicht mit Standpauke­n, die allerdings nur amüsieren und gar nicht wie ein erhobener Zeigefinge­r aussehen. Er echauffier­te sich über Pharmazeut­iauf ka. Ein leichtes Antidepres­sivum helfe gegen Angst vor Schlafstör­ungen, Zäpfchen gegen Arbeit. Ja, es werde heute alles verschrieb­en. Und auch die Statistik kam nicht zu kurz: „Ein Mann weint 16 Mal im Jahr und da ist die Fußballwel­tmeistersc­haft schon inbegriffe­n.“

Durststrec­ken gab es bei dem zweistündi­gen Programm nicht. Denn der Sprachküns­tler war selbst bei bierernste­n Fragen erschütter­nd komisch und brachte Klarheit in die trüben Gewässer der deutschen Trinkkultu­r. Die originelle Volksaufkl­ärung kam bestens an und strapazier­te die Lachmuskel­n ganz arg. Und ans Publikum gerichtet meinte der Gute-Laune-Verbreiter am Ende: „Ohne Euch wäre der Abend ganz anders verlaufen.“

 ??  ?? Alte Männer sollen laut Weber keine Viagra nehmen. „Mit 89 Jahren ist Taubenfütt­ern völlig in Ordnung.“ Foto: Michaela Krämer
Alte Männer sollen laut Weber keine Viagra nehmen. „Mit 89 Jahren ist Taubenfütt­ern völlig in Ordnung.“ Foto: Michaela Krämer

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