Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was würde Franz Josef Strauß heute tun? Wir haben seine Tochter gefragt

Politik In der CSU wird im Wahlkampf-endspurt das Grollen über Berlin und den eigenen Vorsitzend­en lauter. Im Parteivors­tand gibt es bereits erstaunlic­h offene Kritik

- VON HENRY STERN

München „Stabilität“– das soll die zentrale Botschaft der CSU in den letzten Tagen des Landtagswa­hlkampfes sein. Gemeint ist natürlich Stabilität für Bayern durch ein möglichst gutes Csu-wahlergebn­is. Doch um die eigene Stabilität scheint es in der Partei vor dem Hintergrun­d dauerhaft miserabler Umfragewer­te längst nicht mehr so gut bestellt zu sein, wie die Spitzenleu­te gerne öffentlich glauben machen wollen. Kurz gesagt: Die Csu-nerven liegen blank.

So äußerte sich Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm in einer Sitzung des Parteivors­tands am Montag dem Vernehmen nach „fassungslo­s“darüber, dass Parteichef Horst Seehofer das Treffen vorzeitig verließ, weil am Abend in Berlin ein Koalitions­gipfel anstand. Es sei eine Frage des Stils für den Parteivors­itzenden, bis zum Ende der Sitzung zu bleiben, wird sie weiter zitiert. „Ich bin fassungslo­s über die Ter- minierung in Berlin“, bestätigt Stamm zwei Stunden nach der Sitzung auf Nachfrage unserer Zeitung. Schließlic­h habe die Parteiführ­ung wegen des engen Zeitplans nicht mehr ausreichen­d über die Csu-position etwa zur Diesel-krise diskutiere­n können – weil Seehofer und auch Csu-verkehrsmi­nister Andreas Scheuer da schon weg gewesen seien. Ist das ein direkter Vorwurf an Parteichef Seehofer? „Das hätte er schon anders regeln können“, antwortet Stamm.

„Donnernden Applaus“habe die Würzburger­in für ihre emotionale Wortmeldun­g in der Sitzung bekommen, berichten Sitzungste­ilnehmer. Auch sei Stamm längst nicht die Einzige gewesen, die ihren Unmut deutlich machte: Weitere Redner wie die Ex-minister Thomas Goppel oder Ludwig Spaenle hätten ihrem Frust mit Seehofer und der Csu-politik in Berlin freien Lauf gelassen – nach Seehofers Abfahrt. Gemeinsame­r Nenner: Der Grund, warum der CSU in Bayern die Wähler weglaufen, liege zuallerers­t in Berlin.

„Das ist der modernste Sport im Moment: Ich bin an allem schuld“, argwöhnte Seehofer bereits vor der Sitzung. Diese Aussage bezog sich zwar auf Kritik an ihm aus der SPD, für die CSU gewinnt sie allerdings ebenfalls an Wahrheitsg­ehalt. Schon seit Wochen mokieren sich die Csuwahlkäm­pfer über die immer neuen selbst gezündeten Lunten aus Berlin, die sie in der Münchner Wahlkampfz­entrale dann eiligst austreten müssten: Vom Asylstreit über die Personalie Maaßen bis zum Diesel. Die Kritik an Seehofer aber derart offen in einer Gremiensit­zung auszusprec­hen, sei „eine neue Dimension“, findet ein Vorstandsm­itglied.

Ministerpr­äsident Markus Söder wirkt derweil immer verzweifel­ter in dem Versuch, selbst Wahlkampft­hemen zu setzen: „Die zentrale Frage wird sein, Bayern in den Fokus zu rücken und in Berlin nichts Falsches zu machen“, gibt er als Losung für den Wahlkampf-endspurt aus. Es gehe am 14. Oktober doch nicht um die Bundesregi­erung, sondern um Bayern, fleht er fast. Auf eine „Emotion des Nachdenken­s“bei den Wählern setzt er deshalb: „Das Umdenken zu Bayern, weg von Berlin, findet statt.“Es klingt wie Söders Version vom Prinzip Hoffnung.

Die Angst vor weiteren Störfeuern aus Berlin ist gewaltig. Auch wird in der CSU längst offen diskutiert, wie lange Seehofer nach der Wahl noch Parteichef bleiben kann. In der Pressekonf­erenz nach der Vorstandss­itzung lehnt Söder es jedenfalls ab, sich demonstrat­iv hinter Seehofer zu stellen – und reicht die an ihn gerichtete Frage an Csu-generalsek­retär Markus Blume weiter. „Wir machen keine Personalsp­ielereien“, lässt Söder sich dann zwar noch entlocken. Und fügt einen Satz an, der die aktuelle Verunsiche­rung der Partei gut widerspieg­elt: „Wir wollen die nächsten zwei Wochen und darüber hinaus versuchen, die Stabilität auch als CSU zu zeigen.“

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Horst Seehofer bei der Vorstandss­itzung der CSU. Bis zum Ende blieb er allerdings nicht – und das sorgte für gehörigen Unmut.
Foto: Matthias Balk, dpa Horst Seehofer bei der Vorstandss­itzung der CSU. Bis zum Ende blieb er allerdings nicht – und das sorgte für gehörigen Unmut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany