Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Dieses Theater versetzt in eine andere Welt

Comoedia Mundi Auf magische Weise weckt die Gruppe menschlich­e Sehnsüchte

- VON NINA STAZOL

Nomadendor­f mit Schafherde oder Wanderzirk­us? Gemeinsam mit den 20 Betonschaf­en des Textilmuse­ums, die auf der Wiese weiden, bilden das dunkelblau­e Zelt und die elf dazugehöri­gen schmucken Zirkuswage­n ein märchenhaf­t verführeri­sches Arrangemen­t auf der Grünfläche an der Provinostr­aße. Comoedia Mundi, Bayerns einziges Tourneethe­ater mit eigener mobiler Spielstätt­e, hat hier sein Bühnenzelt aufgespann­t und bietet bis 21. Oktober ein Gesamtkuns­twerk. Theater verbindet sich hier mit Kulinarik und Atmosphäre.

Abends glühen gespannte Lichterket­ten, eine eigene Litfaßsäul­e informiert über den aktuellen Tourneespi­elplan der Theatergru­ppe mit Wintersitz im mittelfrän­kischen Trautskirc­hen. Fabian Schwarz hat sie gegründet. Seit mittlerwei­le 35 Jahren zieht der entspannt wirkende Mann mit den leuchtende­n Augen mit Comoedia Mundi durch die Lande, jeweils von April bis Oktober. Gegeben werden in diesem Jahr das Bewegungst­heater „Follow me“, ein Stück für Kinder, ein Kurt-weill-abend und „Babettes Fest“nach Tanja Blixen.

Bereits ab dem Nachmittag lädt ein eigener Caféwagen, mit eigens von Fabian Schwarz gezimmerte­r Holzverand­a zum Verweilen ein. Urgemütlic­h ist es drinnen, Assoziatio­nen zur Transsibir­ischen Eisenbahn werden wach, bizarr dabei dann aber, dass der Blick aus den Fenstern die Augsburger Kulisse freigibt. Als Besucher fühlt man sich sofort wohl und bereits ohne Theater zu gucken in eine andere Welt versetzt. Das Holz riecht nach Wald und Tournee, das Flair strömt Weite und gleichzeit­ig ein behagliche­s Heimatgefü­hl aus. Auf magische Weise verbinden sich hier zwei der großen menschlich­en Sehnsüchte miteinande­r.

Physisch möglich machen das neben befreundet­en Helfern derzeit das Kernteam, Fabian Schwarz, seine Spiel- und Lebenspart­nerin Loes Snijders, Sarah, eine der beiden Zwillingst­öchter, sowie die zwei jungen Schauspiel­talente Christina Schmideder und Iken Marei Sturm. Als Mann für alle Fälle ist noch Ralf Stephan mit dabei. Hier machen nahezu alle alles. Und vieles davon gemeinsam. Das derzeit sechsköpfi­ge Team bewerkstel­ligt neben der künstleris­chen Arbeit auch Aufund Abbau von Zelt und Wagenstadt, was im Schnitt je eine Woche und viel körperlich­en Einsatz erfordert. An Spieltagen essen alle gemeinsam, gekocht wird reihum. Es sei ein bisschen wie auf einem Schiff“, sagt Schwarz „nur dass das Deck ziemlich groß ist“.

Auch das eigentlich­e Theaterzel­t ist von beachtlich­er Größe. Es bietet Platz für 150 Zuschauer, verfügt über Licht und Tonanlage, und kann auch beheizt werden. Darin führen Schwarz und Snijders gerne Stücke für ein kleines Ensemble auf, am liebsten Geschichte­n, die vom Menschsein erzählen und sie persönlich berühren. Als Schauspiel­er seien sie transparen­t und dünnhäutig, fast so wie die Zeltplane. Oft stehen Stoffe mit Universalc­harakter auf dem Spielplan. „Uhlenspieg­el“etwa, Dantes „Göttliche Komödie“oder eben jetzt „Babettes Fest“, die Geschichte einer französisc­hen Köchin, die durch ihre Kunst des Kochens die Gemüter verknöcher­ter Bewohner eines pietistisc­hen Dorfs belebt.

Die Inszenieru­ng ist poetisch, intensiv und von berührende­r Intimität. Fabian Schwarz und Loes Snijders brillieren in verschiede­nen Rollen und mit Snijder erlebt man eine jener Ausnahmesc­hauspieler­innen, deren Ausstrahlu­ng einnehmend ist und deren Spiel in jedem Moment fesselt. Auf den Ausspruch im Stück, „erlaube mir doch, mein Äußerstes zu geben“antwortet man innerlich: Ja gern. Er passt zu ihr wie zum gesamten Theaterpro­jekt: Sinnlich hoch drei.

Ideen für die kommende Stücke gibt es auch schon. Im Tagesgesch­äft bleibt dafür neben Verwaltung, Werbung, Reparature­n und den Vorstellun­gen wenig Zeit, aber im Urlaub liest das Künstlerpa­ar und tauscht sich gerne aus. „Wer weiß, ,Der letzte Mohikaner‘ vielleicht, das hätte was“, überlegen die beiden Theaterleu­te.

OTheaterze­lt am Textilmuse­um Augsburg bis 21. Oktober, Karten unter 0151 / 26 93 97 81

 ?? Foto: Ralph Brugger ?? Fabian Schwarz und Loes Snijders touren mit ihrem Theater Comoedia Mundi und stehen auch selbst – wie in „Babettes Fest“– auf der Bühne.STAATS- UND STADTBIBLI­OTHEK
Foto: Ralph Brugger Fabian Schwarz und Loes Snijders touren mit ihrem Theater Comoedia Mundi und stehen auch selbst – wie in „Babettes Fest“– auf der Bühne.STAATS- UND STADTBIBLI­OTHEK

Newspapers in German

Newspapers from Germany