Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wieder dahoam
Mit dem Wolf kommt ein einst ausgerottetes Tier in die Region zurück. Er ist ein Beispiel von vielen. Von bayerischen Heimkehrern mit unterschiedlichen Geschichten
Augsburg Manch einer sagt, Rotkäppchen trage eine gehörige Mitschuld daran, dass der Wolf in Bayern vertrieben, gejagt und schließlich ausgerottet wurde. Die Geschichte vom bösen Wolf ist noch immer in vielen Köpfen und, gepaart mit den Sorgen von Landwirten um ihre weidenden Schafe, Ziegen und Kälber, führt sie nun dazu, dass die schleichende Rückkehr des wilden Raubtiers im Freistaat mit gemischten Gefühlen gesehen wird – und vielerorts der Finger bereits auf dem Abzug des Jagdgewehrs liegt.
Aus Sicht von Naturschützern wäre die freiwillige Rückkehr des Wolfs in den Süden Deutschlands ein Segen für den Freistaat und die Vielfalt im Tierreich. Denn die ist ohnehin schon reichlich dezimiert. Vom größten Artensterben aller Zeiten ist die Rede, die Rote Liste der gefährdeten Tiere wird immer länger. Doch bei allen Klagen gibt es auch zahlreiche positive Beispiele von einst aus Bayern nahezu verschwundenen Tieren, die hier mittlerweile wieder heimisch geworden sind. Manche ganz freiwillig, andere nur dank großen Aufwands von Naturschützern, manche relativ zügig, andere ganz langsam, manche sind willkommen, andere nicht, manche sind bekannt, andere überraschend.
So zählt beispielsweise auch der Storch zu den Arten, die in Bayern beinahe von der tierischen Bildfläche verschwunden wären. Große Traktoren und Mähdrescher, Kunstdünger, begradigte Flüsse und die Umwandlung von blühenden Wiesen in bewirtschaftete Äcker hatten dafür gesorgt, dass Ende der 80er Jahre gerade einmal noch 58 Paare der langbeinigen Zugvögel im ganzen Freistaat brüteten. Nur mit großer Mühe wurde der Weißstorch zu einer Rückkehr „überredet“: Strommasten und -leitungen – eine tödliche Gefahr für die Tiere – wurden gesichert, Horste betreut, Wiesen extensiviert und Feuchtflächen angelegt. Im Juli dieses Jahres kam dann die Erfolgsmeldung: 480 Storchenpaare wurden gezählt – der Weißstorch gilt damit nach drei Jahrzehnten in Bayern als gerettet.
Der Fischotter muss darauf noch warten. Er war aufgrund seines wertvollen Fells und seines ausgeprägten Fischhungers ge- und aus fast ganz Süddeutschland verjagt worden. Nun kehrt er aber langsam zurück – vom Bayerischen Wald aus, wo sich eine kleine Restpopulation halten konnte. Allerdings löst seine Rückkehr gerade bei Fischern und Fischzüchtern wenig Begeisterung aus. Insbesondere in der Oberpfalz kommt es seit geraumer Zeit zu großen Protesten, wenn sich einer der Marder in einem Karpfen- teich kulinarisch und räuberisch ausgetobt hat.
Der Grund dafür, dass der Steinbock im ganzen Alpenraum im 19. Jahrhundert nahezu ausgerottet war, waren seine mächtigen Hörner und die vermeintlich heilenden Kräfte seines Blutes oder seines Herzkreuzes, ein kreuzförmiger Knorpel im Herz. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Steinböcke gezielt auch in Bayern wieder angesiedelt – mit Erfolg: Mittlerweile klettern rund 800 Böcke in den bayerischen Alpen herum, gut die Hälfte davon im Oberallgäu. Zugute kommt den Tieren Experten zufolge dabei der Klimawandel. Milde Winter und weniger Schnee führen dazu, dass die Steinböcke auch in hohen Lagen besser durch die Winter kommen.
Unten im Tal tut sich dagegen ein kleiner Nager deutlich schwerer bei seiner Rückkehr nach Bayern. Als Schädling verschrien wurde der Feldhamster noch bis in die 80er Jahre bejagt, und davon hat sich das possierliche Tierchen bis heute nicht erholt. In Schwaben gilt der Feldhamster immer noch als ausgestorben, in Teilen Frankens ist er hin und wieder zu finden. Intensive Landwirtschaft sowie die fortschreitende Bebauung von natürlichen Flächen machen ihm das Leben weiterhin schwer.
Ein existenzielles Auf und Ab macht derweil der Uhu durch. Auch die weltweit größte Eulenart war aus den Wäldern Bayerns in den 50er Jahren beinahe komplett verschwunden – doch dank umfangreicher Schutzmaßnahmen gelang es Naturschützern, den „König der Nacht“zu retten. Allerdings noch nicht endgültig. Während im Norden und Westen Deutschlands die Zahl der Tiere weiterhin wächst, befürchten Experten im süddeutschen Raum eine Trendwende: Vielerorts bleibt seit einigen Jahren der Nachwuchs aus. Die Gründe dafür sind unbekannt, die Sorge groß.
Hierzulande ebenfalls noch nicht wieder ganz heimisch ist die Wildkatze. Der einst beinahe ausgerottete Mäusejäger wurde seit Mitte der 80er Jahre in Bayern wieder gezüchtet und ausgewildert. Heute leben rund 500 Wildkatzen im Freistaat. Die meisten nördlich der Donau, aber auch südlich davon wurden an speziellen Lockstöcken schon Haare der Katzen gefunden. Zehn bis 20 Jahre wird es nach Ansicht des Bund Naturschutz wohl noch dauern, bis wieder eine „stabile Population“in Bayern „dahoam“ist.
Seit einigen Jahren lässt sich der Bartgeier in Bayern immer mal wieder blicken. Mit seiner Spannweite von beinahe drei Metern ist er der größte Greifvogel Europas – und auch einer der seltensten. Weil ihm früher nachgesagt wurde, er würde Lämmer jagen und auch hin und wieder Kinder davontragen, wurde er gejagt, bis er Anfang des 20. Jahrhunderts in den Alpen als ausgerottet galt. In den 80er Jahren begannen Naturschützer damit, gezüchtete Bartgeier in den Alpen auszuwildern – mit Erfolg. Ab und an lassen sich mittlerweile einzelne der Vögel auch wieder im Allgäu beobachten. Ob sie hier wirklich zu Hause sind, ist fraglich. An guten Tagen können sie bis zu 500 Kilometer weit fliegen.