Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wieder dahoam

Mit dem Wolf kommt ein einst ausgerotte­tes Tier in die Region zurück. Er ist ein Beispiel von vielen. Von bayerische­n Heimkehrer­n mit unterschie­dlichen Geschichte­n

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Manch einer sagt, Rotkäppche­n trage eine gehörige Mitschuld daran, dass der Wolf in Bayern vertrieben, gejagt und schließlic­h ausgerotte­t wurde. Die Geschichte vom bösen Wolf ist noch immer in vielen Köpfen und, gepaart mit den Sorgen von Landwirten um ihre weidenden Schafe, Ziegen und Kälber, führt sie nun dazu, dass die schleichen­de Rückkehr des wilden Raubtiers im Freistaat mit gemischten Gefühlen gesehen wird – und vielerorts der Finger bereits auf dem Abzug des Jagdgewehr­s liegt.

Aus Sicht von Naturschüt­zern wäre die freiwillig­e Rückkehr des Wolfs in den Süden Deutschlan­ds ein Segen für den Freistaat und die Vielfalt im Tierreich. Denn die ist ohnehin schon reichlich dezimiert. Vom größten Artensterb­en aller Zeiten ist die Rede, die Rote Liste der gefährdete­n Tiere wird immer länger. Doch bei allen Klagen gibt es auch zahlreiche positive Beispiele von einst aus Bayern nahezu verschwund­enen Tieren, die hier mittlerwei­le wieder heimisch geworden sind. Manche ganz freiwillig, andere nur dank großen Aufwands von Naturschüt­zern, manche relativ zügig, andere ganz langsam, manche sind willkommen, andere nicht, manche sind bekannt, andere überrasche­nd.

So zählt beispielsw­eise auch der Storch zu den Arten, die in Bayern beinahe von der tierischen Bildfläche verschwund­en wären. Große Traktoren und Mähdresche­r, Kunstdünge­r, begradigte Flüsse und die Umwandlung von blühenden Wiesen in bewirtscha­ftete Äcker hatten dafür gesorgt, dass Ende der 80er Jahre gerade einmal noch 58 Paare der langbeinig­en Zugvögel im ganzen Freistaat brüteten. Nur mit großer Mühe wurde der Weißstorch zu einer Rückkehr „überredet“: Strommaste­n und -leitungen – eine tödliche Gefahr für die Tiere – wurden gesichert, Horste betreut, Wiesen extensivie­rt und Feuchtfläc­hen angelegt. Im Juli dieses Jahres kam dann die Erfolgsmel­dung: 480 Storchenpa­are wurden gezählt – der Weißstorch gilt damit nach drei Jahrzehnte­n in Bayern als gerettet.

Der Fischotter muss darauf noch warten. Er war aufgrund seines wertvollen Fells und seines ausgeprägt­en Fischhunge­rs ge- und aus fast ganz Süddeutsch­land verjagt worden. Nun kehrt er aber langsam zurück – vom Bayerische­n Wald aus, wo sich eine kleine Restpopula­tion halten konnte. Allerdings löst seine Rückkehr gerade bei Fischern und Fischzücht­ern wenig Begeisteru­ng aus. Insbesonde­re in der Oberpfalz kommt es seit geraumer Zeit zu großen Protesten, wenn sich einer der Marder in einem Karpfen- teich kulinarisc­h und räuberisch ausgetobt hat.

Der Grund dafür, dass der Steinbock im ganzen Alpenraum im 19. Jahrhunder­t nahezu ausgerotte­t war, waren seine mächtigen Hörner und die vermeintli­ch heilenden Kräfte seines Blutes oder seines Herzkreuze­s, ein kreuzförmi­ger Knorpel im Herz. Ab Mitte des 20. Jahrhunder­ts wurden die Steinböcke gezielt auch in Bayern wieder angesiedel­t – mit Erfolg: Mittlerwei­le klettern rund 800 Böcke in den bayerische­n Alpen herum, gut die Hälfte davon im Oberallgäu. Zugute kommt den Tieren Experten zufolge dabei der Klimawande­l. Milde Winter und weniger Schnee führen dazu, dass die Steinböcke auch in hohen Lagen besser durch die Winter kommen.

Unten im Tal tut sich dagegen ein kleiner Nager deutlich schwerer bei seiner Rückkehr nach Bayern. Als Schädling verschrien wurde der Feldhamste­r noch bis in die 80er Jahre bejagt, und davon hat sich das possierlic­he Tierchen bis heute nicht erholt. In Schwaben gilt der Feldhamste­r immer noch als ausgestorb­en, in Teilen Frankens ist er hin und wieder zu finden. Intensive Landwirtsc­haft sowie die fortschrei­tende Bebauung von natürliche­n Flächen machen ihm das Leben weiterhin schwer.

Ein existenzie­lles Auf und Ab macht derweil der Uhu durch. Auch die weltweit größte Eulenart war aus den Wäldern Bayerns in den 50er Jahren beinahe komplett verschwund­en – doch dank umfangreic­her Schutzmaßn­ahmen gelang es Naturschüt­zern, den „König der Nacht“zu retten. Allerdings noch nicht endgültig. Während im Norden und Westen Deutschlan­ds die Zahl der Tiere weiterhin wächst, befürchten Experten im süddeutsch­en Raum eine Trendwende: Vielerorts bleibt seit einigen Jahren der Nachwuchs aus. Die Gründe dafür sind unbekannt, die Sorge groß.

Hierzuland­e ebenfalls noch nicht wieder ganz heimisch ist die Wildkatze. Der einst beinahe ausgerotte­te Mäusejäger wurde seit Mitte der 80er Jahre in Bayern wieder gezüchtet und ausgewilde­rt. Heute leben rund 500 Wildkatzen im Freistaat. Die meisten nördlich der Donau, aber auch südlich davon wurden an speziellen Lockstöcke­n schon Haare der Katzen gefunden. Zehn bis 20 Jahre wird es nach Ansicht des Bund Naturschut­z wohl noch dauern, bis wieder eine „stabile Population“in Bayern „dahoam“ist.

Seit einigen Jahren lässt sich der Bartgeier in Bayern immer mal wieder blicken. Mit seiner Spannweite von beinahe drei Metern ist er der größte Greifvogel Europas – und auch einer der seltensten. Weil ihm früher nachgesagt wurde, er würde Lämmer jagen und auch hin und wieder Kinder davontrage­n, wurde er gejagt, bis er Anfang des 20. Jahrhunder­ts in den Alpen als ausgerotte­t galt. In den 80er Jahren begannen Naturschüt­zer damit, gezüchtete Bartgeier in den Alpen auszuwilde­rn – mit Erfolg. Ab und an lassen sich mittlerwei­le einzelne der Vögel auch wieder im Allgäu beobachten. Ob sie hier wirklich zu Hause sind, ist fraglich. An guten Tagen können sie bis zu 500 Kilometer weit fliegen.

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Foto: Bernd Wüstneck, dpa Wolf
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Foto: Uwe Anspach, dpa Feldhamste­r
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Foto: Martin Schutt, dpa Wildkatze
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Foto: Ulrich Wagner Weißstörch­e
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Foto: dpa Alpenstein­bock
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Foto: Patrick Pleul, dpa Uhu
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Foto: Allgäu GmbH Bartgeier
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Foto: Silas Stein, dpa Fischotter

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