Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Asylbewerb­er aus Augsburg im Abschiebef­lieger

Der 36-jährige Afghane kam vor sieben Jahren ins Land. Freunde erzählen, dass er arbeitete und einen Termin für den Einbürgeru­ngstest hatte. Und er wurde Christ, doch auch die Hilfe eines Pfarrers war vergeblich

- VON JÖRG HEINZLE

Das Ziel des Flugs war Kabul in Afghanista­n: Ein Flugzeug mit 17 abgelehnte­n Asylbewerb­ern an Bord ist am späten Dienstagab­end vom Münchner Flughafen gestartet. An Bord war nach Informatio­nen unserer Redaktion auch der 36-jährige Abdul F.* aus Augsburg. Der Mann ist vor sieben Jahren als Asylbewerb­er nach Deutschlan­d gekommen und hier zum evangelisc­hen Glauben übergetret­en. Sein Asylantrag wurde aber abgelehnt. Ein Versuch eines Pfarrers, die Abschiebun­g in letzter Minute noch zu verhindern, scheiterte.

Polizeibea­mte kamen am Dienstag gegen 13 Uhr zu der Asylunterk­unft in der Proviantba­chstraße. Sie forderten Abdul F. auf, zu packen und mitzukomme­n. Er wurde von den Beamten zum Münchner Flughafen gebracht. Dort werden die Asylbewerb­er in einem eigenen Bereich der Bundespoli­zei bis zum Abflug festgehalt­en.

Eine Bekannte des Mannes erfuhr von der geplanten Abschiebun­g, als die Polizei ihn bereits abgeholt hatte. Sie ist entsetzt. Abdul F. habe nie

Ein Eilantrag bei Gericht scheiterte in letzter Minute

eine Straftat begangen, sagt sie. Er habe gearbeitet, unter anderem in der Gastronomi­e. Ende vorigen Jahres sei ihm das von der Ausländerb­ehörde dann aber nicht mehr erlaubt worden. Er habe Deutschkur­se absolviert, auch auf höherem Niveau. In zehn Tagen hätte Abdul F. einen Termin für einen Einbürgeru­ngstest gehabt. Er wollte damit belegen, dass er über die Rechts- und Gesellscha­ftsordnung in der Bundesrepu­blik Bescheid weiß.

Norbert Graim, evangelisc­her Pfarrer im Ruhestand, hat den Afghanen in den vergangene­n Monaten, wie er sagt, auch seelsorger­isch betreut. Der Ruhestands­pfarrer, der in Stadtberge­n lebt, weiß, dass es den Verdacht gab, Abdul F. sei nur aus taktischen Gründen zum Christentu­m übergetret­en. Damit er nicht zurück muss nach Afghanista­n. Norbert Graim sagt, er habe das aber ganz anders erlebt. Abdul F. habe auch in Diskussion­en mit anderen muslimisch­en Flüchtling­en seinen Glauben verteidigt und gut argumentie­rt, warum er Christ geworden sei. Er habe sich auch am kirchliche­n Leben in seiner Augsburger Gemeinde beteiligt.

Norbert Graim sagt, er habe einen Arbeitspla­tz für den Afghanen gefunden gehabt und wollte sich darum bemühen, dass er doch wieder eine Arbeitserl­aubnis bekommt. Der Pfarrer versuchte am Dienstagna­chmittag noch, mit einem Eilantrag beim Verwaltung­sgericht die Abschiebun­g zu verhindern. Allerdings vergeblich. In dem Antrag seien keine neuen Gründe vorgetrage­n worden, die eine Aussetzung der Abschiebun­g rechtferti­gen würden, sagte ein Gerichtssp­recher auf Anfrage unserer Redaktion. Es habe bereits drei gerichtlic­he Verfahren gegeben, in denen seine Asylanträg­e abgelehnt worden seien, zuletzt im Juni dieses Jahres.

Praktisch läuft ein Abschiebef­lug so ab, dass die Regierung von Schwaben den Polizeibeh­örden mitteilt, welche Asylbewerb­er ausreisepf­lichtig sind. Und wer sitzt am Ende im Flugzeug? Das hänge vor allem davon ab, wen die Polizisten antreffen und zum Flughafen bringen können, sagt ein Beamter.

Aufgrund der schwierige­n Sicherheit­slage in dem Land sind die Abschiebun­gen umstritten. Zeitweise wurden deshalb nur Straftäter, Gefährder und Flüchtling­e, die versuchen, ihre Identität zu verschleie­rn, abgeschobe­n. Inzwischen hat die Bundesregi­erung aber entschiede­n, auch andere abgelehnte Asylbewerb­er wieder nach Afghanista­n abzuschieb­en. Acht der jetzt Abgeschobe­nen hätten zuletzt in Bayern gelebt, teilte das bayerische Landesamt für Asyl und Flüchtling­e Archivfoto: Boris Roessler, dpa mit. Drei davon seien rechtskräf­tig verurteilt­e Straftäter.

Der ebenfalls für die Sammelabsc­hiebung vorgesehen­e 23-jährige Majtaba A. aus dem niederbaye­rischen Passau saß nicht in dem Flieger. Ihn hatte die Regierung von Niederbaye­rn wieder von der Liste genommen, weil man erneut „Hinweise auf eine Beschäftig­ungsmöglic­hkeit und seine Integratio­nsleistung­en“klären und bewerten wollte, teilte die Regierung von Niederbaye­rn auf Anfrage des Bayerische­n Rundfunks mit. Der 23-Jährige hat die Aussicht auf einen Ausbildung­splatz als Koch in einem Passauer Gasthof. *Name geändert

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Am Dienstagab­end startete ein Abschiebef­lug in München (das Foto zeigt einen Flug, der in Frankfurt startete). An Bord war auch ein Afghane aus Augsburg, der zum Christentu­m übergetret­en ist.

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