Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Nächtlicher Nervenkitzel
Bei Herbertshofen bleibt der Express auf freiem Feld stehen. Die Reisenden brauchen erst einmal Geduld. Dann müssen sie über Brücken in einen Ersatzzug umsteigen
Mitten in der Nacht und mitten auf einem Feld mussten ICE-Fahrgäste bei Herbertshofen den Zug wechseln. Mehr dazu lesen Sie heute auf
Meitingen-Herbertshofen Die Fahrgäste eines ICE von München nach Kassel benötigten in dieser Nacht doppelt gute Nerven: Etwa 60 Reisende mussten am Mittwoch zunächst im Zug ausharren, der bei Herbertshofen stehen geblieben war. Dann mussten sie über Brücken in einen Ersatzzug steigen, der auf dem Nebengleis wartete.
Ursache für den ungewöhnlichen Umstieg war vermutlich ein technischer Defekt. Nach der Panne rührte sich der Zug keinen Meter mehr. Was tun? Die Bahn sperrte zunächst das Gleis zwischen Gablingen und Meitingen, was zu Verspätungen anderer Züge im Regionalverkehr führte. In der Sofortmeldung hieß es: „Aufgrund einer technischen Störung an einem Zug ist der Streckenabschnitt zwischen Meitingen und Gablingen gesperrt. Die Züge werden derzeit an den Bahnhöfen zurückgehalten und warten dort die Dauer der Störung ab.“
Anschließend entschied sich die Bahn dafür, einen anderen ICE zu schicken. „Dispo-Züge“heißen die verfügbaren Wagen und stehen in der Regel in München oder Nürn- berg bereit. Ein Ausstieg auf freiem Feld ohne Bahnsteig und mitten in der Nacht wäre kaum möglich gewesen: Zum einen hätten die Reisenden über Leitern bis zum Boden klettern und dann mit ihrem Gepäck in der Dunkelheit bis zu einem vorbereiteten Rücktransport laufen müssen. Einfacher erschien den Verantwortlichen in dieser Situation ein Umsteige-Manöver.
Der Ersatz-ICE fuhr auf dem Parallelgleis langsam neben den Pannenzug. Dann öffneten sich die Türen und die Bahnmitarbeiter bauten sogenannte Umsteigebrücken: Sie reichen von Tür zu Tür der identischen Züge. Über die Brücken, die sich in jedem Zug befinden, mussten die Fahrgäste dann in den anderen ICE – Nervenkitzel bei stockfinsterer Nacht. Als die etwa 60 Fahrgäste im neuen Zug in Richtung Kassel saßen, war es kurz nach 22 Uhr. Sie erreichten ihr Ziel schließlich mit einer zweistündigen Verspätung. Der Pannenzug wurde anschließend zur Reparatur abgeschleppt. Kurz nach 23 Uhr hob die Bahn die Streckensperrung zwischen Gablingen und Meitingen auf – der nachfolgende Schienenverkehr hatte trotzdem Verzögerungen von 30 bis 40 Minuten. Doch damit war es mit der Aufregung auf der Strecke noch nicht vorbei.
Denn kurz nach Mitternacht sollen Menschen auf den Gleisen gesehen worden sein. Die Folge: Die Bahn sperrte sofort den Abschnitt zwischen Meitingen und Gablingen. Damit keine Gefahr entstand, wurden die Züge an den Bahnhöfen zurückgehalten. Für die Fahrgäste bedeutete das: Warten, warten, warten. Nach weiteren 40 Minuten war der Spuk vorbei. Die Bundespolizei hatte laut Mitteilung der Bahn im Gleisbereich Personen angetroffen und in Sicherheit gebracht. Die Bundespolizei warnt davor, sich in der Nähe der Gleise aufzuhalten. Dort drohe Lebensgefahr, auch wenn kein Zug zu sehen ist. Denn Züge nähern sich je nach Windrichtung fast lautlos.
Riesiges Glück hatten vor zwei Jahren beispielsweise Kinder, die sich entlang der Langweider Bahngleise aufhielten. Sie hatten offenbar in der Nähe der Eisenbahnbrücke Langweid-Süd Schottersteine auf die Gleise gelegt. Die wiederum fielen einem Lokführer auf. Die Notfallleitstelle der Bahn informierte schließlich die Bundespolizei darüber, dass eine Regionalbahn auf der Strecke zwischen Donauwörth und Augsburg mehrere unbekannte Gegenstände überfahren hatte.
Die Strecke wurde sofort gesperrt: Bundespolizisten fanden vor Ort etwa 20 zermahlene Schottersteine. Wer diese auf die Schienen gelegt hat, konnte nicht mehr festgestellt werden. Der Lokführer der Regionalbahn berichtete aber, in unmittelbarer Nähe zum Tatort Kinder sowie Jugendliche beobachtet zu haben. Dass er den Zug noch vor den Steinen zum Anhalten bringen konnte, sei unmöglich gewesen: Das Fahrzeug war an dieser Stelle mit rund 100 Stundenkilometern unterwegs.
Einige Tage vorher war ein Lokführer eines Regionalzugs auf Höhe der Ortsdurchfahrt Langweid von einem Laserpointer geblendet worden. Der Mann erlitt Verletzungen an den Augen. Bahnreisende kamen damals nicht zu Schaden. Die Suche nach dem Täter verlief ohne Ergebnis.
Nach Mitternacht wird die Strecke erneut gesperrt