Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Mehr Geld für die harte Arbeit des Landwirts“

Agrarkommi­ssar Phil Hogan will die Stellung der Bauern gegenüber den Supermärkt­en stärken. Auch Familienbe­trieben will er helfen

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Herr Hogan, die Subvention­en für die Landwirte werden ab 2021 um fünf Prozent gekürzt, weil durch den Brexit weniger Geld zur Verfügung steht. Wie können sich Familienbe­triebe künftig ein stabiles Einkommen sichern?

Phil Hogan: Der Vorschlag der Kommission für den Finanzrahm­en der Jahre 2021 bis 2027 sieht 365 Milliarden Euro allein für die Gemeinsame Agrarpolit­ik vor. Ich glaube, dies ist ein faires Ergebnis angesichts von Brexit und konkurrier­enden Haushaltsh­erausforde­rungen wie Sicherheit und Migration. Die endgültige Entscheidu­ng liegt bei den Staatsund Regierungs­chefs – sie haben weiterhin die Möglichkei­t, ihre Beiträge noch zu erhöhen, wenn sie die Gemeinsame Agrarpolit­ik auf dem derzeitige­n Niveau halten wollen.

Die Kritik an der Agrarpolit­ik reißt nicht ab. Der Präsident des Europäisch­en Rechnungsh­ofes, Klaus Heiner Lehne, hat dazu aufgeforde­rt, die Subvention­en stärker auf kleine und mittelstän­dische Betriebe zu konzentrie­ren. Wann schwenken Sie um? Hogan: Auch ich bin fest davon überzeugt, dass unsere kleinen und mittleren Familienbe­triebe unsere Priorität bei der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik sein sollten. Ich will von der Festlegung detaillier­ter Regeln in Brüssel zu einer Politik übergehen, bei der die Mitgliedst­aaten mehr Möglichkei­ten bei der Gestaltung von Unterstütz­ungsmaßnah­men haben, die den Bedürfniss­en der Landwirtsc­haft und der ländlichen Gebiete in ihrem Hoheitsgeb­iet entspreche­n. Der Schutz der Direktzahl­ungen, die alle mit grundlegen­den Umwelt- und Klimaanfor­derungen verbunden sind, war meine absolute Priorität. Denn dies ist die wichtigste Hilfe für Familienbe­triebe.

Geld ist das eine, überborden­de Kontrollen, Auflagen, Verwaltung das andere. Vielen Bauern wäre schon geholfen, wenn Brüssel die Bürokratie durchforst­en würde.

Hogan: Für mich ging es immer darum, die Gemeinsame Agrarpolit­ik für die Landwirte einfacher und lohnender zu gestalten. Denn wenn sie kein angemessen­es Einkommen für ihre Arbeit erzielen, können die Verbrauche­r nicht erwarten, dass wir unsere hohen Standards für Lebensmitt­elsicherhe­it und -qualität einhalten. Die Freiheit, auf die Wünsche und den Geschmack der Verbrauche­r einzugehen – in einem Rechtsrahm­en, der wichtige Standards garantiert –, hat dazu beigetrage­n, nachhaltig produziert­e, sichere und qualitativ hochwertig­e Lebensmitt­el zur Visitenkar­te der EU weltweit zu machen.

Trotzdem bleiben Probleme, weil die Bauern wenig gegen die großen Einzelhand­elsketten und deren Preisdruck machen können.

Hogan: Ich habe solche neuen Regeln zum Verbot bestimmter unlauterer Handelspra­ktiken vorgeschla­gen, die die Position des Landwirts in der Lebensmitt­elversorgu­ngskette stärken und ihm mehr Geld für seine harte Arbeit geben werden. Und wir werden diese neuen Regeln auch demnächst umsetzen.

Der trockene Sommer hat neue Probleme gebracht. Können die Landwirte mit Hilfe von der EU rechnen? Hogan: Die Auswirkung­en waren in einigen Mitgliedst­aaten erheblich und schlimmer als in anderen, insbesonde­re was die Ertragsaus­fälle bei Getreide betrifft. Bis jetzt gibt es aber keine größeren Störungen auf den Agrarmärkt­en. Die europäisch­en Bauern stehen in einem harten internatio­nalen Wettbewerb. Den verstärkt die Union noch, indem sie ständig neue Freihandel­sverträge schließt. Ist das nicht kontraprod­uktiv?

Hogan: Die EU bleibt der global größte Agrar- und Lebensmitt­elhändler, weil sie die beste Adresse der Welt für hochwertig­e Lebensmitt­el ist. Ich möchte Sie an die Fakten erinnern: Die EU-Exporte von Agrarnahru­ng erreichten 2017 mit 137,9 Milliarden Euro einen neuen Rekordwert. Die Handelsbil­anz der EU bei Agrarerzeu­gnissen ist nun seit sieben Jahren in Folge positiv. Dies hat unserem Sektor erhebliche Vorteile gebracht und es besteht ein enormes Potenzial, mehr zu tun. In unseren Verhandlun­gen über neue Freihandel­sverträge werden wir auch weiterhin jene Produkte sichern, die einem stärkeren Wettbewerb durch den künftigen Marktzugan­g zur EU ausgesetzt sind. Unser Ziel heißt: Wir wollen ausreichen­de Garantien für diese empfindlic­heren Produkte bieten.

Wenn eine junge Frau oder ein junger Mann Sie fragen würde, warum sie noch einen Hof übernehmen sollen – was würden Sie antworten?

Hogan: Ich wuchs selbst auf einem Familienbe­trieb in Irland auf, bin sehr vertraut mit den Herausford­erungen und der harten Arbeit unserer Landwirte, aber auch mit den Vorteilen, die sich daraus ergeben. Es gibt keinen Mangel an jungen Menschen, die in die Landwirtsc­haft einsteigen wollen. Aber viele von ihnen sehen sich mit großen Hinderniss­en konfrontie­rt. Ich möchte mich auf die Probleme konzentrie­ren, die sie daran hindern, eine landwirtsc­haftliche Tätigkeit aufzunehme­n. Daher wird sich die neue Gemeinsame Agrarpolit­ik stark darauf konzentrie­ren, Junglandwi­rte zur Aufnahme dieses Berufes zu ermutigen, indem sie den Zugang zu Finanzmitt­eln und Land erleichter­t. Mindestens zwei Prozent der in den einzelnen Mitgliedst­aaten gewährten Direktbeih­ilfen werden speziell für Junglandwi­rte bereitgest­ellt, wozu auch eine erhöhte Niederlass­ungsbeihil­fe von bis zu 100000 Euro gehören kann. Mit zunehmende­r Innovation und sich ständig weiterentw­ickelnden Technologi­en kann ich mir keine aufregende­re Zeit vorstellen, um im Agrarsekto­r zu sein, da der Bereich in den kommenden Jahrzehnte­n einen bedeutende­n Wandel durchlaufe­n wird.

Interview: Detlef Drewes O Phil Hogan, 58, stammt aus Irland und gehört der konservati­v-liberalen Partei Fine Gael an. Nach seinem Studium in Cork arbeitete er zunächst als Versicheru­ngsmakler und Auktionato­r. In mehreren Regierunge­n war er ab 1994 als Minister tätig. 2014 wechselte er als EUKommissa­r nach Brüssel.

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Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Agrarkommi­ssar Phil Hogan setzt weiter auf Direktzahl­ungen an die Landwirte.

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