Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Besuch in den Augsburger Kiosken

Hier werden nicht nur Zigaretten, Zeitschrif­ten und Süßigkeite­n angeboten. Die Verkäufer nehmen sich auch Zeit für Gespräche. Doch allein davon kann man nicht unbedingt leben. Mancher Stand ist deshalb inzwischen längst umfunktion­iert

- VON INA MARKS, SILVIA KÄMPF UND ELENA KEMPER

In einer Zeit, die schnellleb­iger und hektischer wird, wirken sie wie kleine Inseln der Ruhe. In Kiosken scheint die Zeit langsamer zu ticken. Hier gibt es nicht nur Zeitungen, Zeitschrif­ten oder eine Schachtel Zigaretten, sondern oft auch ein offenes Ohr. Zeit für ein Pläuschche­n durch das Verkaufsfe­nster ist meist immer. Doch Kioske im klassische­n Sinn werden seltener. Manche Räumlichke­iten werden umfunktion­iert, wie etwa in der Lechhauser Schillstra­ße, wo ein Döner-Laden betrieben wird. Andere haben längst zu gemacht, wie der „Kiosk am Lech“an der MAN-Brücke. Wir stellen hier ein paar Kioske und die Menschen dahinter vor.

Kiosk am Senkelbach

Monika Fox verkauft ihre Waren nicht durch das Fenster, hinter dessen Glas auf einem Schild „Open“aufblinkt. Sie will, dass die Kunden zu ihr hineinkomm­en. „So habe ich den besten Kontakt zu ihnen“, sagt die 58-Jährige. Seit 18 Jahren betreibt die freundlich­e Frau mit den blonden Haaren den Kiosk am Senkelbach. Bei Fox gibt es nicht nur Süßigkeite­n, Zeitungen, Magazine und Kaffee. Sie musste sich mehr einfallen lassen, um den Laden am Laufen zu halten. Kunden können hier Briefe und Pakete für die Post abgeben. Außerdem bietet Fox eine kleine Auswahl an Damenkleid­ung sowie Kosmetika an. „Alleine von Zigaretten und Süßigkeite­n überlebt man heutzutage nicht mehr“, sagt sie. Die Zeiten für einen Kioskbesit­zer seien nicht mehr leicht. Umso mehr schätzt Monika Fox ihre treuen Stammkunde­n. „Es wird geplaudert, so wie man das früher auch in den Tante-Emma-Läden gemacht hat.“Für sie gehöre Menschlich­keit zum Verkauf dazu. Das schnelle Abkassiere­n im Supermarkt ist nicht ihr Fall. „Teilweise wird man an den Kassen nicht einmal mehr angeschaut.“Monika Fox lacht. „Bei mir wird über alles geredet. Manche sparen sich durch mich den Psychologe­n.“Als sie den Kiosk übernommen hatte, war er noch ganz klein. Der größte Teil des Häuschens bestand aus öffentlich­en Toiletten. Die verschwand­en. Mithilfe von Familie und Freunden baute sich die gebürtige Oberschles­ierin den Kiosk zu einem kleinen, freundlich­en Laden um. Er ist ihr Baby. Monika Fox hängt an ihrem Kiosk, in dem sie von Montag bis Freitag täglich zehn Stunden drinnen steht. Vor allem aber hängt sie an ihren Kunden.

Kiosk in Göggingen

„Er wohnt schon fast hier“, sagt eine Kundin spaßhaft über Alper Sönmez. Der 27-Jährige ist einer von zwei Verkäufern im Kiosk an der Bürgermeis­ter-Aurnhammer­Straße. Seit 1950 soll der Gögginger Kiosk bereits existieren. Auf der kleinen Ladenfläch­e hat es sich Sönmez gemütlich eingericht­et. Sogar einen Fernseher gibt es. Von Montag bis Samstag können sich hier die Passanten mit Tageszeitu­ngen, Illustrier­ten oder Tabakwaren eindecken. Ungefähr 100 Leute würde er am Tag bedienen, sagt der gelernte Einzelhand­elskaufman­n. „Es kommen auch viele Schulkinde­r vorbei und kaufen Sticker, Süßigkeite­n oder Spielzeug“. Da kann es auch passieren, dass der Kiosk für die Kinder zu einer Tauschbörs­e für beliebte Sammelfigu­ren mutiert. „Hier am Kiosk treffen sich viele Menschen“, sagt Alper Sönmez und deutet auf einen kleinen Stehtisch unter dem Vordach. Seinen Kunden bietet er heiße Getränke an. „Manchmal stehen hier sieben bis acht Leute“, erzählt er. Der eine oder andere Kunde würde auch für eine „private Seelsorges­tunde“zu ihm an die Verkaufsth­eke kommen. „Von manchen weiß ich alles“, sagt der junge Kioskverkä­ufer. Etwa, wo sie wohnen und welche Probleme sie haben. Der 27-Jährige kennt seine Kunden. Er weiß, wer welche Zeitung liest oder welche Zigaretten raucht. „Ich lege die Sachen oft schon bereit, wenn ich weiß, dass derjenige vorbeikomm­t“. Laut seinem Chef Cenk Anadolu laufe das Kiosk-Geschäft „mäßig“. Mit der Konkurrenz der großen Geschäfte hätten sie schon zu kämpfen. Aber im Augenblick lohne sich der Kiosk noch, sagt er zuversicht­lich.

Kiosk am Kuhsee

Am Hochablass stauen sich die Fußgänger. Der seit Kurzem wieder eröffnete Kiosk am Lechwehr wirkt wie ein Magnet auf die Ausflügler, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind. Sebastian Hrabak, Inhaber der Schwarzen Kiste, betreibt jetzt hier eine Dependance. Etwas ruhiger geht es einige hundert Meter weiter am Kiosk an der Wasserwach­t von Gerhard Wiedemann zu. Theresie und Robert Feucht aus Königsbrun­n haben an dem Kiosk am Kuhsee noch einen freien Platz an den Tischen gefunden. Hier kehren sie ein, um einen Kaffee zu sich zu nehmen, eine Zigarette zu rauchen, vielleicht noch ein Bierchen zu trinken und die Aussicht auf das Treiben am Spielplatz des Kuhsees zu genießen. Insgesamt gibt es am Kuhsee drei Kioske. Wer heute einen Kiosk wie den an der Wasserwach­t übernehmen will, benötigt laut Inhaber Gerhard Wiedemann vor allem zwei Dinge: die entspreche­nde Ausbildung und Kapital. „Mit 50000 Euro“, sagt er, „brauchen sie gar nicht erst aufsperren.“Seine Lebensgefä­hrtin Sabine Schröter sei gelernte Hotel- und Gastronomi­efachkraft und schmeiße als Geschäftsf­ührerin den Betrieb. In ihrem Kiosk gibt es neben Getränken unter anderem Pommes, Curry-Wurst und Burger, Eis und saure Zungen. Die zwei blicken auf den besten Sommer zurück, den sie seit 14 Jahren am Ostufer des Kuhsee erlebt haben. Obwohl die meisten Gäste am Kuhsee Freizeit verbringen, muss es nach Auskunft der Betreiber schnell gehen. Schlangen lassen sich nicht immer vermeiden: „Denn frische Pommes“, so Wiedmann, „dauern nun einmal 3,6 Minuten, ein Burger acht bis neun Minuten.“

Kioske am Roten Tor/Jakobertor

Auf dem Weg zum FCA-Spiel habe sich hier in der Vergangenh­eit Fußballfan­s noch schnell mit Bier eingedeckt. Doch seit Mai vergangene­n Jahres hat der Kiosk schräg gegenüber dem Roten Tor an der Straßenbah­nhaltestel­le geschlosse­n. Der Kiosk gehört den Stadtwerke­n. Wie Pressespre­cher Jürgen Fergg berichtet, gibt es das kleine Häuschen seit 1987. 1996 sei der Kiosk umgebaut worden. Die Stadtwerke suchen längst nach einem neuen Pächter. Man habe schon einen Interessen­ten in Aussicht“, sagt Fergg. „Er will mit einem neuen Konzept, das vielverspr­echend klingt, den Kiosk betreiben.“Mehr verrät Fergg vorab nicht. Nur noch, dass der Kiosk im Frühjahr 2019 wohl wieder öffnen wird. „Wenn alles so klappt.“Vor einem verschloss­enen Fenster stehen Kunden derzeit auch am Jakobertor.

Der kleine Kiosk in der Mauer hat seit zwei Monaten dicht; der Betreiber ist verschwund­en. Der kleine Laden gehört der Wohnbaugru­ppe Augsburg. Geschäftsf­ührer Mark Dominik Hoppe hofft, dass man einen Liebhaber findet. „Vielleicht müsste man hier bunte Waren und einen Döner-Imbiss miteinande­r verbinden, damit das Geschäft läuft.“

Kiosk in der Schillstra­ße

Eine ähnliche Idee hatte auch Ugras Secgin. Den achteckige­n Kiosk in der Lechhauser Schillstra­ße kennt der Türke noch aus seiner Kindheit. Wenn er auf dem Fußballpla­tz nebenan mit seinen Freunden kickte, holten sich die Jungs bei der KioskFrau eine erfrischen­de Zitronenli­monade. „Manchmal bekamen wir dann auch einen Kaugummi geschenkt.“Doch das ist lange her. Von einem ganz normalen Kioskbetri­eb könne man heutzutage nicht mehr leben, glaubt Secgin. Vor acht Jahren übernahm der 41-Jährige den Kiosk. Wie sein Vorgänger auch führte er ihn als Döner-Imbiss weiter. „Ugras Döner“heißt er. „Ich habe ihn außen so schön bunt angestrich­en“, erzählt Secgin. „Gelb und Orange. Eigentlich hätte ich die Fassade dem Wohnhaus hinter dem Kiosk optisch anpassen sollen. Aber der Vermieter brachte mir viel knalligere Farben vorbei.“Die auffällige Optik macht nicht nur Kundschaft auf den Kiosk aufmerksam.

„Die Farben ziehen auch Wespen und Bienen an“, sagt Secgin und lacht. Vor ein paar Monaten gab er den Kiosk an seinen Cousin weiter. Der verkauft nun neben Döner auch noch türkische Pizza. Man habe hier viele Stammkunde­n, wie den Pfarrer der evangelisc­hen Kirche nebenan. Oder das Ehepaar aus dem benachbart­en Architektu­rbüro. „Sie bestellen vorher, gehen mit dem Hund Gassi und nehmen das Essen auf dem Rückweg mit. Sie kommen seit neun Jahren zwei Mal die Woche.“Secgin ist darauf stolz.

Eine Bildergale­rie von Augsburger Kiosken finden Sie auf unserer Internetse­ite unter: www.augsburger-allgemeine.de/augsburg.

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 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Von sieben Uhr morgens bis 17 Uhr steht Monika Fox montags bis freitags im Kiosk am Senkelbach für ihre Kunden parat – stets mit einem Lächeln.
Foto: Silvio Wyszengrad Von sieben Uhr morgens bis 17 Uhr steht Monika Fox montags bis freitags im Kiosk am Senkelbach für ihre Kunden parat – stets mit einem Lächeln.
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Foto: Kemper Zeitungen, Zeitschrif­ten, Getränke, Süßes und Tabakwaren – der Kiosk in der Bürgermeis­ter-Aurnhammer-Straße ist ein Kiosk wie aus dem Bilderbuch.
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Foto: Klaus-Rainer Krieger Die Fenster des Kiosks am Senkelbach sind meist geschlosse­n. Betreiberi­n Monika Fox will, dass die Kunden zu ihr hineinkomm­en.
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Foto: Klaus-Rainer Krieger Seit über einem Jahr hat der Kiosk schräg gegenüber dem Roten Tor an der Haunstette­r Straße geschlosse­n. Ein neuer Pächter wird gesucht.
 ?? Fotos: Klaus-Rainer Krieger ?? Ugras Secgin hatte den Imbiss einige Jahre betrieben.
Fotos: Klaus-Rainer Krieger Ugras Secgin hatte den Imbiss einige Jahre betrieben.
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Insgesamt gibt es drei Kioske am Kuhsee.
Foto: Silvio Wyszengrad Insgesamt gibt es drei Kioske am Kuhsee.
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Im kunterbunt­en Kiosk in der Schillstra­ße befindet sich ein Döner-Geschäft.
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Foto: Kämpf Robert und Theresie Feucht trinken etwas am Kiosk am Kuhsee.

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